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Die Weltliche und die geistliche Seite

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Der Prozess, der Gesche Köllars in den Jahren 1659 und 1660 im Kloster Loccum gemacht wurde, beschäftigt nun auch die Kommunen Rehburg-Loccum und Wiedensahl. Foto: ade
Der Prozess, der Gesche Köllars in den Jahren 1659 und 1660 im Kloster Loccum gemacht wurde, beschäftigt nun auch die Kommunen Rehburg-Loccum und Wiedensahl. Foto: ade © Beate Ney-Janßen

LOCCUM - Von Beate Ney-Janßen. Rund 350 Jahre liegt es zurück, dass Gesche Köllars in Loccum der Hexerei bezichtigt und zum Tode verurteilt wurde. Demnächst werden sich Rehburg-Loccums Stadtrat und Wiedensahls Gemeinderat mit diesem und anderen Hexenprozessen im Stiftsbezirk Loccum auseinandersetzen.

In der nächsten Ratssitzung im September sei die Rehabilitierung der Hexen ein Thema, sagt Rehburg-Loccums Bürgermeister Martin Franke. Ein Antrag der Fraktion der Grünen liegt vor, sie wollen eine sozialethische Rehabilitation der in Loccum verfolgten, verurteilten und hingerichteten Menschen als Willensbekundung gegen jede Missachtung der Menschenwürde und Menschenrechte in unserer Zeit.

Eigentlich habe er nicht damit gerechnet, dass diese Prozesse ein Thema für die Stadtverwaltung seien, sagt Franke. Schließlich seien sie im Kloster durchgeführt worden. Eine Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum habe aber eine andere Sichtweise in den Vordergrund gerückt, die eine intensivere Auseinandersetzung auch seitens der Stadt wohl nötig mache.

Dass in Loccum im 17. Jahrhundert Hexenprozesse an der Tagesordnung waren, ist schon lange bekannt. Ebenso dass 33 Frauen und auch Männer für schuldig befunden und zum Tode verurteilt wurden – wie auch die Tatsache, dass die Prozesse im Kloster stattfanden und Abt und Konvent die Gerichtsbarkeit hatten. In den 1970er Jahren veröffentlichte der jetzige Abt des Klosters, Horst Hirschler, einen Aufsatz, in dem er den Fall der Gesche Köllars exemplarisch aufrollte, nachdem er in der Klosterbibliothek die alten Prozessakten gefunden hatte. Und auch in den folgenden Jahrzehnten sind die Loccumer „Hexen“ immer wieder einmal thematisiert worden. Unter anderem taten sich in den 1990er Jahren einige Frauen aus Loccums Umgebung zu einem „Initiativkreis Hexenforschung“ zusammen. Jüngstes Glied in dieser Kette ist eine Tagung in der Evangelischen Akademie Loccum zu den Hexenverfolgungen gewesen – als einer der Beiträge zu den Feiern im 850. Jahr des Bestehens des Klosters. Die Referenten dort setzten den Schwerpunkt ihrer Erläuterungen darauf, dass seinerzeit die Äbte des Klosters sowohl die geistlichen – als Abt – wie auch die weltlichen – als Fürst im Stiftsbezirk – Herrscher waren. Mal handelten sie in der einen, mal in der anderen Funktion. Die Hexenprozesse gingen auf das Konto der Fürsten im Kloster und hätten mit der Kirche demzufolge nichts zu tun, war das Credo.

Als eine Art Nachfolgerin dieser weltlichen Macht muss sich die Stadt Rehburg-Loccum vermutlich sehen – und setzt sich demzufolge mit Recht und Unrecht der Hexenprozesse auseinander. Einen Beschlussvorschlag werde er dem Rat unterbreiten, sagt Franke, den er in Abstimmung mit dem Kloster formulieren werde.

Der Gemeinderat in Wiedensahl setzt sich bereits in dieser Woche mit den Hexenprozessen auseinander. Dort liegt ebenfalls ein Antrag vor Hartmut Hegeler, Pastor im Ruhestand, formuliert hat. Hegeler setzt sich seit Jahren mit Hexenprozessen in vielen Orten in Deutschland auseinander und hat an manchen Stellen schon erreicht, dass sich Städte und Kommunen ebenfalls dem Thema widmeten. Auf die Loccumer Prozesse ist er unter anderem durch die Ankündigung der Akademietagung gestoßen. Kloster und Landeskirche haben von ihm ebenso wie die Stadt Rehburg-Loccum und die Gemeinde Wiedensahl ein gleich lautendes Schreiben bekommen. Eine direkte Antwort habe er bisher von keiner Seite erhalten, berichtet er. Ihm gehe es darum, dass die Kirche sich nicht scheuen solle zu sagen, dass den Menschen damals Unrecht geschehen sei.

Wiedensahls Bürgermeisterin Annelise Albrecht setzt auf der Grundlage von Hegelers Schreiben nicht auf Vorschlag von ihrer Seite, sondern auf eine offene Diskussion im Gemeinderat. Dass der kleine Ort überhaupt in diese Diskussion einbezogen wurde liegt daran, dass Wiedensahl zum Stiftsbezirk des Klosters gehört. Etliche der ‚Hexen' – wie auch Gesche Köllars – sind Wiedensahler Bürger gewesen.

So offen, wie die Beschlüsse in den Kommunen noch sind, so unterschiedlich sind auch die Ansichten im Kloster beziehungsweise der Landeskirche. Hatte Horst Hirschler während der Tagung zum einen gesagt, dass die Rehabilitierung der Hexen „Quatsch“ sei und die Kirche nicht verantwortlich sei, da die Äbte in ihrer Funktion als Fürsten Recht gesprochen hätten, so stellte er zum Ende des Tages in Aussicht, womöglich einen Weg auf dem Klostergelände nach Gesche Köllars zu benennen.

Arend de Vries – Prior des Klosters und Geistlicher Vizepräsident der Landeskirche – sagt hingegen, dass die Geistlichkeit damals „schwerst schuldig“ geworden sei. Die weltliche und die geistliche Macht könnten nicht in diesem Sinne als getrennt voneinander betrachtet werden und Kirche gehöre an die Seite derer, die unterdrückt, verfolgt und gefoltert werden. Eine Rehabilitierung hält de Vries andererseits nicht für möglich, da die Kirche mit einem solchen Schritt schließlich nichts ungeschehen machen könne. Die damalige Verknüpfung von kirchlicher und staatlicher Gewalt sei für die Kirche eher verhängnisvoll gewesen – und leider auch für die angeklagten Menschen.

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