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Von Hexenverbrennung und Mord an der Klostermauer

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Stefan Eick, Horst Hirschler und Christian Frehrking (von links) haben den Vertrag für drei bis fünf Bände zur Stracke-Chronik unterzeichnet. © Ney-Janßen

Bückeburg/Loccum - Von Beate Ney-Janßen. Nahezu 500 Jahre Geschichte des Klosters Loccum hat Abt Theodor Stracke in einer Chronik zusammengefasst. Von den Anfängen 1163 bis zu seinem Tod 1629. Diese Chronik wird jetzt bearbeitet und soll der Öffentlichkeit in mehren Bänden zugänglich gemacht werden.

„Ich habe gute Hoffnungen, dass durch die Veröffentlichung der Stracke-Chronik die Forschung zum Kloster Loccum noch einmal neue Impulse bekommt.“ Ein Anstoß soll es demnach sein, was Stefan Eick, Inhaber des Kieler „Solivagus-Verlag“, mit der Herausgabe dieser Chronik bezweckt.

Ein sehr gewichtiger Anstoß dürfte das werden, denn allein die beiden Bände, die Abt Theodor Stracke als Chronik des Klosters Loccum hinterlassen hat, weisen 1143 Seiten auf. Dieses ins Hochdeutsche übertragen, an manchen Stellen neu sortiert und für vielfältige Nutzungen auch mit zahlreichen Anmerkungen versehen, wird es in drei bis fünf Bänden geben. Die ersten beiden Bände sollen noch in diesem Jahr erscheinen, Band 3 und eventuelle weitere 2018. Ist alles fertiggestellt, dann werden die Arbeiten an der Stracke-Chronik rund 100 000 Euro gekostet haben. Den Vertrag für das Verlegen der drei bis fünf Bände haben Eick, der jetzige Abt des Klosters, Horst Hirschler, und Kloster-Vermögensverwalter Christian Frehrking nun unterzeichnet.

Am 3. Dezember im Jahr 1608 begann der Abt Theodor Stracke damit, die Chronik des Klosters Loccum zu schreiben. Damals blickte das Kloster bereits auf eine 445 Jahre alte Geschichte zurück. 
Am 3. Dezember im Jahr 1608 begann der Abt Theodor Stracke damit, die Chronik des Klosters Loccum zu schreiben. Damals blickte das Kloster bereits auf eine 445 Jahre alte Geschichte zurück. © Ney-Janßen

Was macht diese Chronik so besonders? Dazu ein Blick zurück. Theodor Stracke war der 50. Abt des Klosters Loccum und stand diesem 29 Jahre lang vor. 1600 wurde er Abt und das in einer Zeit des Umbruchs. Wie viele andere Klöster auch wendete es sich der Reformation zu. Einen wirklichen Stichtag des Übergangs vom Katholizismus zum Protestantismus gab es in Loccum nicht. Unbestritten ist Stracke aber einer der Äbte, zu deren Zeit genau dieser Übergang stattfand. Einige Dinge im Kloster erinnern immer noch an den rund zwei Meter großen Abt – das Taufbecken in der Stiftskirche etwa oder auch sein lebensgroßes Bildnis im Kreuzgang. Während diese beiden Hinterlassenschaften stets sehr sichtbar waren, hat die Chronik, die Stracke während seiner gesamten Amtszeit geführt hat, über die Jahrhunderte ein eher unbeachtetes Dasein gefristet. Erst zu den Vorbereitungen der Feiern zum 850-jährigen Bestehen des Klosters holte Horst Hirschler, Abt seit dem Jahr 2000, die Chronik hervor und suchte nach Wegen, ihr und damit auch der Geschichte des Klosters auf den Grund zu gehen.

Übersetzung keine leichte Aufgabe

„Übersetzt“ worden – aus dem Niederdeutschen und dem Lateinischen übertragen also – ist der Text zunächst, was schon keine leichte Aufgabe war. Zur wissenschaftlichen Bearbeitung und um die Chronik mit Anmerkungen zu versehen, hat sie Prof. Dr. Bernd Hucker, bei der Universität Vechta zuständig für Regionalgeschichte, vorgelegt bekommen, und mit Eick vom Solivagus-Verlag hat sich das Kloster einen Partner gesucht, der sich auf solche Publikationen versteht.

Der erste Band, den Eick herausgeben will, umfasst das von Stracke aufgestellte Totenregister – von den Anfängen des Klosters bis zu Strackes eigener Zeit. Was zunächst wenig spektakulär klingt, hat es an Informationen in sich, denn wer im Mittelalter wo bestattet wurde und welche Gegenleistungen derjenige dafür erbrachte, sagt sehr wohl vieles über die damaligen Verhältnisse aus. Welche Adelsgeschlechter Beziehungen zum Kloster und auch untereinander unterhielten, lässt sich daraus gut lesen. Und auch kleine Kuriositäten sind enthalten wie eine Spende für den „Abendbecher“ im Kloster – von der Eick meint, dass sie kleine Zechrunden der Mönche zur Abendstunde finanzieren sollte. Der Abts-Katalog wird im zweiten Band enthalten sein – welcher Abt zu welcher Zeit im Kloster herrschte und welche Besonderheiten manche von ihnen aufzuweisen hatten, wird dessen Inhalt sein. Gemeinsam mit Stracke zeugt jener Band dann also von 50 Äbten, die das Kloster Loccum prägten.

Für 2018 plant Eick den Rest der Edition. Historische Nachrichten seien der weitere Teil von Strackes Chronik. Von diesen Nachrichten spricht Hirschler mit Begeisterung. Ob es nun eine Sonnenfinsternis war, ob eine Hexe verbrannt oder jemand hinter der Klostermauer erschlagen wurde – was Stracke aus alten Unterlagen im Kloster über die Jahre vor seiner Zeit erfahren konnte, das schrieb er in seine Chronik – ebenso wie auch die Gegebenheiten seiner eigenen Amtszeit. Ein, zwei oder drei Bände für die Historie – das wird erst zu späterem Zeitpunkt entschieden.

Ein kleines Buch mit großer Bedeutung

Eine Rolle dabei wird auch ein weiteres Buch – oder vielmehr ein Büchlein – spielen, das Stracke auf dem Bild von sich vorsichtig in den Händen hält. Oft habe er sich gefragt, was das für ein Buch sei, sagt Horst Hirschler – und dann sei er in der „Schatzkammer“ fündig geworden.

Ein winziger Raum im Kloster Loccum ist diese Schatzkammer. In ihr wurden bislang die wertvollsten Schriften der Klosterbibliothek verwahrt. Wie sich herausstellte, gehörte auch das Notizbuch Strackes dazu, das allerhand von geistlichen Regeln bis zu Rezepten für Quittenmarmelade enthalte. „Was nicht öffentlich werden sollte“, sagt Eick, sei dort ebenfalls verzeichnet. Als Beispiel führt er ein Heilmittel gegen „weißen Ausfluss“ – also ein Frauenleiden – an. Das sei dort wohl gelandet, weil Stracke mit einer Loccumerin liiert war. In der eigentlichen Klosterchronik hätten solche Notizen wahrlich nichts zu suchen gehabt. So aber würden sie auch viel über den Menschen Stracke aussagen.

Die Edition zur Stracke-Chronik wird nur in kleiner Auflage gedruckt und aus diesem Grund entsprechend teuer sein. In erster Linie, das ist allen Beteiligten klar, wird sie Eingang in Bibliotheken finden. Bevor sie aber dorthin verkauft wird, soll sie Freunden des Klosters Loccum, solchen, die sich mit der Historie des Ortes und mit Heimatforschung befassen, zu einem bezahlbaren Preis angeboten werden. Heimatforschung könne gar nicht hoch genug bewertet werden, sagt Eick – ohne Pastoren, Lehrer und andere, die sich damit an so vielen Orten befasst hätten, könne die Wissenschaft gar nicht arbeiten. Das solle über diesen Erstverkauf honoriert werden. Und vielleicht kämen von mancher Stelle daraufhin neue Hinweise, die die Forschung zum Kloster wiederum ein Stück weiterbringen könnten.

Die Original-Chronik wie auch die Edition beschreibt der Verleger als Monumental-Werk und als einen Text zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Geschichte des mittleren Leine-Weser-Raums, der einfach einzigartig sei. Immer noch unklar sei ihm allerdings, was Stracke sich dabei gedacht habe.

Die Veranlassung des Abtes, dieses riesige Werk über einen Zeitraum von nahezu 30 Jahren zu schreiben, ist eine der Fragen, mit denen Eick sich noch genauer auseinandersetzen will. Den Vertrag, um dieses alles auf den Weg zu bringen, haben Eick, Hirschler und Frehrking nun unterschrieben.

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