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Drucken wie zu Luthers Zeiten

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In seinem Druckereimuseum in Hoya präsentiert Michael Linke ein Modell und seinen Nachbau der Gutenberg-Druckerpresse im Originalformat.
In seinem Druckereimuseum in Hoya präsentiert Michael Linke ein Modell und seinen Nachbau der Gutenberg-Druckerpresse im Originalformat. © -

Hoya - Von Horst Friedrichs. „Einbrecher!“, denkt Michael Linke, als er den kleinen Lichtkegel hinter den Fenstern seiner Museumsdruckerei sieht. Es ist ein stockdunkler Herbstabend, und hier draußen, ein Stück abseits der Hoyaer Kirchstraße, kann der Meister der Schwarzen Kunst kaum die Hand vor Augen sehen. „Na, wartet“, flüstert er, während er sich dem Eingang nähert. „Euch kann geholfen werden.“ Schon hat er das Handy aus der Tasche gezogen und will die Polizei rufen, da stutzt er. Denn nun kann er feine Stimmen und leises Geklapper hören, wie aus einem uralten Kofferradio. Stirnrunzelnd steckt Michael Linke das Handy wieder ein, schließt leise die Tür auf – und dann sieht er, was da los ist.

Inmitten all seiner schwarzen Druckmaschinen steht die Zwergenwerkstatt, die er selbst gebastelt hat. Ein Scheinwerfer erhellt die lederbeschürzten kleinen Kerle mit den roten Zipfelmützen bei ihrer Arbeit. Blatt um Blatt Papier nehmen sie aus der Gutenberg-Druckerpresse und hängen es zum Trocknen auf.

„Hey, Leute“, sagt Michael Linke, während er sich noch verwundert die Augen reibt. „Was, in aller Welt, macht ihr da?“

„Wir drucken, Meister Michael“, antwortet der älteste der kleinen Männer schroff. „Siehst du das nicht? Menschenskind, du warst es doch, der unsere Werkstatt gebaut hat. Schon vergessen?“

„Nein, nein, natürlich nicht“, beeilt sich Linke zu entgegnen, um nicht als Ahnungsloser dazustehen. „Und was druckt ihr?“

„Na, das Hoyaer Zwergenblatt natürlich“, erwidert der Alte stolz und hält ihm eines der druckfrischen Blätter entgegen. „Damit machen wir der Kreiszeitung Konkurrenz.“

„Die Schrift ist aber ziemlich klein“, wagt Michael Linke einzuwenden, doch als er den Unmut im Gesicht seines Gesprächspartners sieht, wechselt er rasch das Thema: „Seid ihr verwandt mit den Zwergen des Hoyaer Grafen?“

„Na klar“, antwortet der älteste der kleinen Drucker. „Er selbst hatte ja keine Kinder, aber wir sind ganz und gar nicht ausgestorben, wie du siehst. Seit Jahrhunderten leben wir unbemerkt im Hoyaer Zwergenland, ungestört und in Frieden. Und jetzt haben wir beschlossen, mal ein bisschen aus unserer Welt zu berichten.“

Die Hoyaer Zwerge „betreiben“ schon seit längerer Zeit eine Gutenberg-Presse im Heimatmuseum der Grafenstadt. Gebastelt hat die Mini-Werkstatt Michael Linke. - Fotos: Horst Friedrichs
Die Hoyaer Zwerge „betreiben“ schon seit längerer Zeit eine Gutenberg-Presse im Heimatmuseum der Grafenstadt. Gebastelt hat die Mini-Werkstatt Michael Linke. - Fotos: Horst Friedrichs © -

Diese Geschichte ist natürlich fiktiv – ebenso wie die berühmte Hoyaer Zwergensage. Sie könnte sich aber durchaus in den Träumen der Grafenstädter abspielen. Auch könnte sie Bestandteil einer Erzählung sein oder eines gemalten Bildes. Wie dem auch sei – warum sollten die fleißigen kleinen Männer, wenn es sie denn gäbe, nicht in die Druckerbranche eingestiegen sein? Denkbar beste Voraussetzungen dafür fänden sie in Michael Linkes Museumsdruckerei allemal. Dort hat er seiner druckerschwarzen Leidenschaft jetzt die Krone aufgesetzt: Eine originalgetreue Gutenberg-Druckerpresse hat Linke selbst gebaut und als neueste Errungenschaft in sein Druckereimuseum an der Kirchstraße in Hoya gebracht, nur wenige Schritte vom Heimatmuseum entfernt.

Das neue, herausragende Stück ist ganz aus Holz gebaut – wie vor annähernd sechs Jahrhunderten – und steht damit in deutlichem Gegensatz zu all den tiefschwarzen Maschinen aus Stahl, die bereits ihren Platz in Michael Linkes Museum gefunden haben. „Als ich Gutenbergs Presse nachgebaut habe“, sagt Linke, „ist mir bei etlichen Arbeitsschritten bewusst geworden, wie mühsam manches für den alten Meister gewesen sein muss, was wir heute dank moderner Werkzeuge sehr viel einfacher bewältigen.“

Als Johannes Gutenberg um 1450 seine heute weltberühmte Bibel druckte, hatte er als wesentliche Voraussetzung dafür bereits seine Druckerpresse konstruiert, nach dem Vorbild von Weinpressen. „Heute existieren praktisch nur noch Nachbauten – wie jetzt in Hoya“, sagt Michael Linke.

Diese Skizze zeichnete Michael Linke, bevor er die Druckerpresse Gutenbergs nachbaute.
Diese Skizze zeichnete Michael Linke, bevor er die Druckerpresse Gutenbergs nachbaute. © -

Schon jetzt ist Linkes Gutenberg-Presse im Hoyaer Druckereimuseum zu besichtigen. Bis zur endgültigen Fertigstellung braucht es noch viele Arbeitsstunden, aber Mitte September dieses Jahres soll es so weit sein. Dann wird Linke anlässlich des Reformationstags im Verdener Dom vorführen, wie Johannes Gutenberg damals die Bibel gedruckt hat.

Noch besteht Linkes Gutenberg-Presse aus Ahornholz, nach und nach wird es in den nächsten Wochen jedoch durch originalgetreues Eichenholz ersetzt werden. Die Eichenbalken, die Linke dafür verwenden wird, hat er bereits, sie sind mehrere hundert Jahre alt und lagern bei „Fach und Werk“ in Wechold.

Viel Sorgfalt wird Linke vor allem auch auf die Konstruktion der Spindel und des Tiegels verwenden. Beide verteilen den Druck gleichmäßig auf den „Karren“, einen beweglichen Schlitten, der die mit Druckfarbe bestrichenen Lettern und das daraufgelegte Papier enthält.

Das Wissen, das Michael Linke zum Nachbau der Gutenberg-Presse brauchte, eignete er sich durch das Studium von Fachbüchern und durch Gespräche mit Fachleuten an. Sein wichtigster Berater war Wolfgang Frenzel vom Museum der Arbeit in Hamburg-Barmbek.

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