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Die Heuermannsche Mühle: Bestes Mehl aus Helzendorf

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Das Mühlengebäude heute: Besonders das Mauerwerk ist augenscheinlich sanierungsbedürftig. Gegenwärtig sind zwar erste bestandssichernde Maßnahmen ins Auge gefasst, ob und inwieweit sich diese im Rahmen eines künftigen Nutzungskonzepts realisieren lassen, bleibt abzuwarten.
Das Mühlengebäude heute: Besonders das Mauerwerk ist augenscheinlich sanierungsbedürftig. Gegenwärtig sind zwar erste bestandssichernde Maßnahmen ins Auge gefasst, ob und inwieweit sich diese im Rahmen eines künftigen Nutzungskonzepts realisieren lassen, bleibt abzuwarten. © uwe campe

Helzendorf – Sie ist ein Relikt der Vergangenheit: die Heuermannsche Mühle in Helzendorf. Das ist ihre Geschichte.

Bereits der Lüneburger Zöllner U.F.C. Manecke hat sich 1798 Gedanken über die Mühlen in der Bauerschaft Helzendorf gemacht, notierte er doch in seiner „Beschreibung des Amtes Hoya“: „Von den drei Mühlen, welche in dieser Bauerschaft liegen, wird die Kornmühle in Helzendorf von einer oberschlägigen Grindel und die Kornmühle zu Bundekemühlen von einer unterschlägigen Grindel von dem nachherigen Altenbükkermühlenbach, die Grütze-, Loh- und Ölmühle zu Wüstenei von einer unterschlägigen Grindel aber vom Warperbach getrieben. Sie machen alle drei Bestandteile der Höfe ihrer Besitzer aus“.

In jüngerer Zeit zählte Rüdiger Wormuth in seinem 2013 erschienenen Buch „Mühlen in Niedersachsen und Bremen“ für die Gemeinde Warpe gleich sechs Mühlen auf, von denen allerdings heute weder die vier Wassermühlen in Helzendorf, Bünkemühle, Hohnhorst und Windhorst, noch die Motormühle in Nordholz und die Windmühle in Windhorst in Betrieb sind.

Sie alle erwiesen sich im Laufe der Zeit als unwirtschaftlich und fielen dem „Mühlensterben“ in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zum Opfer. Die kleine Windhorster Holländermühle ist infolge eines Sturmschadens schon nach 1945 abgerissen worden und auch die Bünkemühle, die immerhin noch in der Firmenbezeichnung des dort von der Familie Derboven betriebenen Landwirtschaftsunternehmens fortlebt, ist bis auf ganz wenige Überreste verschwunden. Die übrigen vier verbliebenen Mühlen sind als Relikte einer längst vergangenen Zeit zwar noch in Teilen vorhanden, ihrer ursprünglichen Bestimmung kommen sie aber schon lange nicht mehr nach.

In der Ortschaft Helzendorf lassen sich mit eben dieser Bünke- sowie der Heuermannschen Mühle gleich zwei Wassermühlen nachweisen, die jeweils über eine weit in frühere Jahrhunderte zurückreichende Geschichte verfügen. Ob es jedoch hier schon vor mehr als 1 150 Jahren Mühlen im heutigen Sinne gegeben hat, wie es die im Jahr 2010 von den Dorfbewohnern bei Heuermanns angebrachte Gedenktafel vorgibt und womit das Dorf möglicherweise der älteste Mühlenstandort Niedersachsens wäre, lässt sich heute nicht mehr eindeutig nachweisen. Immerhin liefern das dort verlaufende Bachbett der bei Wietzen entspringenden Graue passende topografische und die in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts erfolgte Gründung des Stiftes Bücken plausible historische Rahmenbedingungen.

Die idyllisch gelegene und einschließlich Teich und Stau seit 1990 als Baudenkmal ausgewiesene Mühle Heuermann in Helzendorf Nummer 5 verdient eine nähere Betrachtung, schließlich notierte Heinrich Gade schon vor 120 Jahren knapp und präzise: „Bedeutende Wassermühle mit mehreren großen Teichen, hübsche Lage“.

Das 1583 nach Aussterben der Hoyaer Grafen von den neuen Machthabern aus dem Welfenhaus angelegte Erbregister des Hauses Hoya (Lagerbuch) liefert mit Alert Möller den ersten bekannten Inhaber der Mühle, wobei ausdrücklich vermerkt wurde, dass diese dem Müller gehöre. Grundsätzlich war es in früheren Zeiten eher üblich, das sich Mühlen im Eigentum der Landesherrschaft befanden und für festgelegte Perioden an Müller verpachtet wurden.

Dort ist es jedoch offenbar so gewesen, dass die Mühle Bestandteil eines bäuerlichen Anwesens war. So gibt es beispielsweise 1689 den Hinweis, dass sich „die Mühle aus dem vorigen Jahrhundert“ im Besitz des Eggekötners Brüning Möller befinde. Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts lautet der Familienname weiterhin Möller oder Müller, zunächst längere Zeit mit Brüning und später mit Johann als Leitnamen. Erst Hermann Johann Heuermann aus Wiehbusch bei Bassum, der 1861 die Erbin Rebecka Margarethe Dorothee Müller heiratete, brachte dann einen neuen Namen ein. Dessen Nachfahre Hermann Heuermann, bis 2016 Bürgermeister der Gemeinde Warpe, ist heute Eigentümer von Mühle und Hof, womit seine Familie auch schon in der fünften Generation hier ansässig ist.

Nach Wormuth (2013) stammt das heute noch vorhandene Fachwerkgebäude im Wesentlichen aus dem Jahr 1839 und wurde samt Einrichtung von dem Mühlenbauer Laasch aus Sudwalde erbaut. Für das Grundwerk und das dem Spritzwasser ausgesetzte Kellermauerwerk der Wasserradwand verwendete man Sandsteinquader, vermutlich aus Obernkirchen. Bei einer kürzlichen Begehung wies Hermann Heuermann aber auf eine Balkeninschrift aus dem Jahr 1869 hin, die seiner Meinung nach für ein späteres Baujahr spricht. Obwohl er im Gegensatz zu seinem Vater und Großvater, die beide noch Müllermeister waren und ebenfalls den Vornamen Hermann trugen, Landwirtschaftsmeister ist, erklärte er in der Folge kenntnisreich und anschaulich das Innenleben der Mühle und die Wirkungsweise des Inventars.

Wurden die Aggregate ursprünglich mit Wasserkraft angetrieben, kamen im Laufe der Zeit Dampf, Rohöl und Elektrizität hinzu. Allein für die Dampfmaschine wurde ein 18 Meter hoher Schornstein errichtet, den man später, als diese Antriebsart zunehmend ineffizient wurde, wieder abriss. Über ein ausgeklügeltes System, von dem auch heute noch viele Teile wie Riemenscheiben, Transmissionsriemen, Wellen, Aufzüge, Elevatoren, Rüttler, Trichter, Gebläse und etliches mehr vorhanden sind, wurden sowohl die eingesetzte Energie als auch das zu verarbeitende Getreide an die jeweils benötigten Stellen im Mühleninneren verteilt.

Die notwendige Wasserversorgung erfolgte über die aufgestaute Graue, die als Laufwasser ursprünglich ein, später zwei oberschlächtige Wasserräder mit einer Fallhöhe von 4 Metern antrieb. Beide Wasserräder wurden im Oktober 1933 entfernt und durch eine Francis-Turbine mit einer Leistung von 11 Kilowatt ersetzt. Als Sekundärantrieb diente fortan ein 15 Pferdestärken starker Elektromotor. Die Graue liefert an die Mühle ein Wasserangebot von etwa 240 Liter pro Sekunde.

So sah die Mühle in Helzendorf einmal aus: 1953 malte sie H. Hevert nach einer alten Vorlage.
So sah die Mühle in Helzendorf einmal aus: 1953 malte sie H. Hevert nach einer alten Vorlage. © Uwe Campe

Viele der früheren Arbeitsvorgänge, etwa das regelmäßig notwendig werdende Schärfen der Mahlsteine, hat Hermann Heuermann in seiner Kindheit noch selbst miterlebt. Andere kennt er zumindest aus der Überlieferung seiner Vorfahren. Der Schwerpunkt des Betriebes lag nach seinen Worten wohl schon immer in der Feinmüllerei, also der Herstellung des zum Brot- und Kuchenbacken benötigten Mehls. Bereits 1837 hatte Johann Heinrich Müller die Erweiterung um einen Weizengang mit sogenannten Blauen Steinen (Eifelbasalt) und einen Graupengang beantragt, die der umliegenden Konkurrenz schon seit längerer Zeit die Herstellung qualitativ besseren Mehls erlaubten.

Da sich seine Mühle ebenso wie die Bünkemühle, dessen Besitzer sich dem Antrag anschloss, in Privatbesitz befand, lehnte man das Ersuchen erst einmal ab, war dem Amt doch daran gelegen, vorrangig seine eigenen Mühlen zu protegieren. Nach zähen Verhandlungen erlaubte man schließlich doch einen Schrotgang mit Blauen Steinen und einen Spitzgang, also einen Mahlgang mit rauhen, scharf angreifenden Steinen, nicht jedoch einen neuen Graupengang und ein weiteres Wasserrad. Dennoch wurde beides – Verbot und Strafandrohung zum Trotz – offenbar in einer Nacht- und Nebelaktion eingebaut.

Da die Helzendorfer Mühle qualitativ hochwertiges Mehl herstellte, kamen die Mahlgäste aus der gesamten Umgebung. Außerdem wurden allein in Hoya drei Bäcker beliefert. Wie die Ortschronik verrät, verkaufte man in den 1830er-Jahren bestes Weizenmehl sogar ins „Ausland“, womit Bremen oder nichthannoversche Landesteile gemeint sind. Es hieß hierzulande, dass Köchinnen auf Hochzeitsgesellschaften und anderen Familienfesten nur kochen und backen wollten, wenn ihnen Mehl aus Helzendorf zur Verfügung stand.

Dass die gute alte Zeit längst nicht immer so gut war wie heute gern dargestellt, schildert Hermann Heuermann am Beispiel der Müllergesellen, die unter einfachsten Bedingungen und in Gesellschaft von Ratten und Mäusen auf der Mühle wohnten. Wenn im Winter die Wasserräder einfroren, mussten diese von ihnen mit heißem Wasser, das aus der Küche des Bauernhauses herangeschafft wurde, enteist und wieder gängig gemacht werden.

Von den einstmals drei bis vier Mahlgängen für die Fein- und Schrotmüllerei sind in der 1988 endgültig stillgelegten Getreidemühle heute noch ein Schrot-Mahlgang und eine Hammermühle vorhanden. Allerdings nagt am Gebäude selbst stark der Zahn der Zeit, besonders das Mauerwerk ist augenscheinlich sanierungsbedürftig. Gegenwärtig sind zwar erste bestandssichernde Maßnahmen ins Auge gefasst, ob und inwieweit sich diese im Rahmen eines künftigen Nutzungskonzepts realisieren lassen, bleibt abzuwarten. Zu wünschen wären sie diesem alten Mühlenstandort aber allemal.

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