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Von A nach B mal anders

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Dr. Lorenz Kiene
Dr. Lorenz Kiene © ufa

Hoya - Von Ulf Kaack. Nur noch wenige Tage, dann geht „Classic Carsharing“ in der Samtgemeinde an den Start. Wir sprachen mit Dr. Lorenz Kiene, Geschäftsführer der Christian Lühmann GmbH, die das innovative Konzept zur Abdeckung der Mobilitätsbedürfnisse in ländlichen Regionen entwickelt hat.

Carsharing, bekanntermaßen die gemeinschaftliche und bedarfsorientierte Nutzung von Automobilen, hat sich in den Metropolen bewährt, aber greift dieses Modell auch auf dem Land?

Davon bin ich überzeugt. Jede Idee durchläuft in ihrer Umsetzung einen Entwicklungsprozess. In den Köpfen der Initiatoren ebenso wie bei ihren Anwendern. Das ist normal. Wir wollen von Beginn an bei den neuen Verkehrskonzepten mit dabei sein, wollen gestalten und ein innovatives neues Modell in den Markt bringen. Carsharing gibt es auf dem Lande zumeist in Form von Privatinitiativen oder auf genossenschaftsartiger Basis. Das von uns entwickelte „integrierte Carsharing“, wie wir es anbieten, ist hingegen neu. Das ist unsere Investition in die Zukunft der Mobilität.

Wie viele private Carsharing-Kunden konnten Sie bereits gewinnen?

Wir sind Mitte Dezember mit dem Angebot an die Öffentlichkeit gegangen. Bislang ist die Resonanz sehr gut und übertrifft unsere Erwartungen deutlich. Die Nachfrage und der Informationsbedarf sind immens hoch, sodass wir in der ersten Jahreshälfte mit einer weiterhin steigenden Teilnehmerzahl rechnen.

Wie groß wird die Fahrzeugflotte sein?

Wir starten mit insgesamt neun Autos. Dabei handelt es sich um verschiedene Typen für unterschiedliche Zwecke – vom elektrisch betriebenen City-Flitzer über Kombis bis hin zu Transportern und neunsitzigen Vans. Die Fahrzeuge stehen an verschiedenen Mobilitätsknotenpunkten für die Kunden bereit.

Reicht das aus?

Für den Start sind wir damit sehr gut aufgestellt. Wir können aber die Flotte bei steigender Nachfrage sehr zeitnah und dem Bedarf entsprechend erweitern. Auch die Knotenpunkte können ausgebaut werden. Man darf nicht vergessen, dass wir mit „Classic Carsharing“ Neuland betreten. Wir haben den Bedarf und die Nutzung im Vorfeld ausführlich analysiert und werden jetzt die Entwicklung eng begleiten.

Wie können Menschen aus weiter entfernten Gebieten wie beispielsweise Hoyerhagen oder Schweringen an dem Konzept teilnehmen?

Das ist – zumindest im Moment noch – ein weicher Faktor. Natürlich werden die abgelegeneren Bereiche in der Samtgemeinde im Zusammenhang mit dem hoffentlich zügig voranschreitenden Ausbau berücksichtigt werden. Und ganz ehrlich: Ich sehe „Classic Carsharing“ langfristig und visionär. Wir sind nicht mehr weit entfernt vom autonomen Fahren. In nicht allzu ferner Zeit werden die Autos dahin kommen, wo sie benötigt werden. Und man kann sie abstellen, wo man will. Bis die Technik dies ermöglicht, setzen wir auf unsere Kooperation mit den Verkehrsbetrieben Grafschaft Hoya und dem ÖPNV. Wir ergänzen uns konzeptionell und preislich.

Sie sprechen in diesem Zusammenhang von „integriertem Carsharing“. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Zum einen besagter Verbund mit dem bestehenden ÖPNV-Angebot. Und dann die Tatsache, dass wir uns nicht ausschließlich an private Nutzer wenden. Wir sehen ein riesiges Anwendungspotenzial im Bereich der Kommunen und Unternehmen.

Wie soll das konkret aussehen?

Man muss sich nur mal vor Augen führen, wie viele Fahrzeuge ausschließlich in fixen Zeitfenstern genutzt werden. Autos von Pflegediensten oder zur Apothekenbelieferung, um nur zwei Beispiele zu nennen. Sie sind täglich für einige Stunden intensiv unterwegs und stehen danach rum. Da kann man doch mehr mit machen! Wieso steht ein Firmenfahrzeug von 17 Uhr abends bis 8 Uhr morgens unbewegt auf dem Parkplatz des Unternehmens? In der freien Zeit kann damit ein Mitarbeiter unterwegs sein und sich seinen teuren Zweitwagen sparen. Das gilt im Übrigen auch für die Dienstfahrzeuge von Behörden und Kommunen (siehe Infokasten). Es gibt eine Vielzahl denkbarer Varianten und Synergien, die wir alle kalkuliert haben und immer zum gleichen Ergebnis gekommen sind: Es können deutlich Kosten gespart werden, Carsharing ist bequemer und vor allem gut für die Umwelt.

Gibt es dort bereits Ansätze?

In Hoya haben wir aufgeschlossene und innovative Unternehmen, die schon in der Startphase den Weg für moderne und nachhaltige Mobilität begleiten. So können wir dank des Zuspruchs von Smurfit Kappa, der VGH, Thies + Co und anderen Firmen eine vielfältige Flotte und damit ein attraktives Angebot in der Gemeinde etablieren. Auch aus dem Rathaus hat man uns großes Interesse signalisiert. Dort wird sogar unser erstes E-Auto im Carsharing stehen.

Nochmal zurück zum privaten Nutzer. Wie funktioniert „Classic Carsharing“?

Voraussetzung ist eine einmalige Registrierung auf unserer Plattform. Das ist in der Startphase noch kostenfrei, schlägt später mit 29 Euro einmalig zu Buche. Hinzu kommen fünf Euro Grundgebühr pro Monat. Für Firmen und die öffentliche Hand gelten gesonderte Konditionen. Das weitere Prozedere ist denkbar simpel: Das Fahrzeug wird bequem online mit dem Rechner oder per Smartphone-App gebucht. Einfach den gewünschten Zeitraum und das Fahrzeug eingeben. Schon kann’s losgehen. Der Kunde muss sich um nichts weiter kümmern. Er bucht die Autos flexibel stundenweise, bedarfsorientiert und zahlt dafür eine Stundenpauschale, die alle Kosten wie Versicherung, Kraftstoff und Reinigung enthält. Mit seinem Smartphone öffnet der Kunde das Fahrzeug. Nach der Fahrt verschließt er es wiederum auf die gleiche Art und Weise.

Was ist Ihre persönliche langfristige Erwartungshaltung?

Bessere, nachhaltige Mobilität in der Samtgemeinde Hoya und eine effiziente Vernetzung von Carsharing und ÖPNV. Entsprechende Angebote in den Nachbarregionen, um alternative Mobilitätskonzepte auch überregional attraktiv zu vernetzen. Hundert Prozent Elektrofahrzeuge in unserer Flotte und autonomes Fahren für eine flächendeckende Verfügbarkeit zu jeder Zeit. Das ist die Vision.

Starten soll das Projekt laut Internetseite am 8. Januar. Schon jetzt können Interessierte sich im Internet registrieren.

Carsharing am Rathaus

Unternehmen, Institutionen und die Verwaltung treten bei dem Mobilitätsprojekt der Lühmann Gruppe als Ankermieter auf. Das heißt, dass einige Car-Sharing-Fahrzeuge tagsüber während der Dienstzeit durch die Mitarbeiter geblockt sind, danach jedoch für alle Bürger zur Verfügung stehen. „Unsere zwei Dienstwagen [Volkswagen Up, Benziner] geben wir zurück“, sagt Samtgemeindebürgermeister Detlef Meyer. 

Dies solle laut Wirtschaftsförderer York Schmelter „zeitnah in 2018“ geschehen. Dann bekommt die Samtgemeinde Elektroautos, die ab circa 16 Uhr den Bürgern zur Verfügung stehen. Am Rathaus in Hoya soll ein Renault Zoe stationiert werden. 

Zeitgleich erfolgt dort die Errichtung einer Ladesäule mit 220-Kilowatt-Ladepunkten. Die Mitarbeiter des Rathauses Eystrup werden ein Carsharing-Fahrzeug am Bahnhof Eystrup nutzen. Mittelfristig sei geplant, auch vor dem Eystruper Rathaus eine Ladesäule zu errichten und dort ein Elektrofahrzeug zu stationieren. „Toll, dass so eine Idee hier aus der Region von einer unserer Ideenschmieden kommt [Lühmann-Gruppe]“, sagt Detlef Meyer. - vik

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