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Neue Fensterscheiben wie aus dem Mittelalter

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Über hohe Gerüste gelangen die Handwerker an die Fenster im Mittelschiff. Damit die Ständer Platz finden, wurden die Kirchenbänke abgebaut. ·
Über hohe Gerüste gelangen die Handwerker an die Fenster im Mittelschiff. Damit die Ständer Platz finden, wurden die Kirchenbänke abgebaut. · © Foto: André Steuer

Bücken - Von André Steuer. Kunst kommt von Können. Glaubt man dem Internet-Lexikon „Wikipedia“, ist das sogar sprachwissenschaftlich erwiesen. Zurzeit treffen in der Bücker Kirche Kunst und Können aufeinander. Die Fenster werden von Meistern ihres Fachs zur Sanierung ausgebaut.

Glasmalermeister Willi Etzel und einer seiner Gesellen erklimmen dazu über Gerüste teilweise schwindelerregende Höhen und demontieren vorsichtig jede einzelne Scheibe, nicht ohne im Vorfeld den Platz einer jeden dokumentiert zu haben. Schließlich setzen sich die Kirchenfenster aus Dutzenden Scheiben zusammen.

„Wir wollen die historischen Fenster erhalten. Dazu gehört es auch, den jeweiligen Platz zu kennen, um sie hinterher genau dort wieder einzusetzen“, sagt Willi Etzel. Er liebt seine Arbeit, das merkt man im Gespräch schnell. Von seinen mehr als 40 Berufsjahren verbrachte er anderthalb in Frankreich. Dort arbeitete er an großen Kathedralen und lernte von französischen Glasmaler-Meistern. Heute arbeitet Willi Etzel für die älteste Glasmalerei Deutschlands: Seit mehr als 150 Jahren hat sich das Familienunternehmen Oidtman aus Linnich bei Aachen der Fertigung, Pflege und Erforschung künstlerischer Verglasungen verschrieben. Vor 40 Jahren restaurierten ihre Mitarbeiter bereits die Fenster im Chor der Bücker Kirche.

Die aktuell ausgebauten Fenster bestehen aus kleinen Klarglas-Scheiben. Jede einzelne wird auf Schäden kontrolliert, nach Linnich gebracht und dort gesäubert. Auch die Verbindungen, die sogenannten Bleiruten, sowie die Dichtungen werden überprüft. „Beschädigtes Glas tauschen wir aus und setzen es nach alter Handwerkstradition wieder ein“, sagt Willi Etzel und erzählt: „Seit dem Hochmittelalter werden Glasscheiben mit Bleisprossen als Fensterfüllungen hergestellt.“

Wo es neuer Scheiben bedarf, werden diese ebenfalls nach alter Tradition hergestellt – bei der Firma Lamberts in Waldsassen, östlich von Bayreuth. Sie ist einer von weltweit nur noch drei Herstellern von mundgeblasenem Glas. Für Fensterglas werden dort große Ballons geblasen, die nach und nach zu Zylindern geformt werden. Nach dem Abkühlen werden die Röhren aufgeschnitten, in einem Ofen langsam wieder erwärmt und geglättet. Erst danach kann man eine Scheibe als solche erkennen. Die so entstandenen Scheiben haben eine leicht welligen Oberfläche, ein typisches Merkmal von mundgeblasenem Glas. „Durch die Verwendung dieses Glases bleibt die historische Optik erhalten“, sagt Willi Etzel.

Ein weiterer, späterer Arbeitsschritt bei der Fenstersanierung in Bücken ist der Einbau einer Schutzverglasung an der Außenseite der Fenster. „Sie wird für jedes Bauwerk individuell geplant“, sagt Willi Etzel.

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