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Neuland „tief enttäuscht" von Wietzener Landwirt

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Konventionelles Geflügelfleisch aus der Massentierhaltung soll ein Landwirt aus Wietzen jahrelang unter dem Neuland-Label verkauft haben. Die Staatsanwaltschaft in Oldenburg ermittelt.
Konventionelles Geflügelfleisch aus der Massentierhaltung soll ein Landwirt aus Wietzen jahrelang unter dem Neuland-Label verkauft haben. Die Staatsanwaltschaft in Oldenburg ermittelt. © ksy / Archivfoto: ade

Wietzen - Von Anika Bokelmann. Ein mutmaßlicher Etikettenschwindel soll seine Ursprünge im Landkreis Nienburg haben.

Unter dem Gütesiegel des Vereins Neuland ist einem Bericht von „Zeit-Online“ von Dienstag zufolge über Jahre konventionell produziertes Geflügelfleisch als Produkt aus artgerechter Haltung verkauft worden. Den Vorwurf des bis heute andauernden Verbraucherbetrugs weist der Verein zurück.

Einer der wichtigsten Geflügellieferanten von Neuland, ein Landwirt aus Wietzen, habe laut Medienberichten zugegeben, konventionell gehaltene Tiere gekauft, geschlachtet und als Neuland-konform verkauft zu haben. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Oldenburg.

„In der ‚Zeit‘ wird der Eindruck erweckt, dass Neuland seiner Kontrollpflicht nicht nachgekommen ist und das Geflügelfleisch noch immer unter dem Neuland-Label auf dem Markt ist. Dem Eindruck widerspricht Neuland“, heißt es auf der Internetseite des wegen Betrugs beschuldigten Vereins. Dessen Bundesgeschäftsführer Jochen Dettmer bezweifelt, dass sich noch immer falsch ausgezeichnetes Fleisch im Handel befindet, da allen Neuland-Filialen untersagt worden sei, das Fleisch aus Wietzen als Neuland-Produkt zu verkaufen.

Sollten sich die Anschuldigungen bestätigen, sei man „tief enttäuscht“, geht aus einer am Dienstag verfassten Stellungnahme von Neuland hervor. Seit Jahren habe es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Landwirt gegeben. 2012 sei es jedoch zu einem Zerwürfnis mit dem Wietzener Lieferanten gekommen, weil er die Umstellung auf „nur noch langsam wachsende Rassen“ nicht habe mitgehen wollen, so das Unternehmen. Vergangenes Jahr habe die Vereinigung dann erste Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bekommen.

Beim Datenabgleich im Rahmen einer Regelkontrolle seien Abweichungen bei der Verwendung und Verarbeitung des Hähnchenfleisches festgestellt worden. Da der Landwirt auch einen Geflügelschlachthof betreibt, wurde im Auftrag von Neuland eine Warenflussanalyse vorgenommen. Diese habe ergeben, dass der Landwirt fünf Jahre mit konventionellem Mastgeflügel unter Neuland-Label gehandelt habe. „Eine weitere Kontrolle konnte nicht mehr durchgeführt werden“, heißt es in der Neuland-Stellungnahme, da der Geflügellandwirt am 9. Dezember 2013 um 14 Uhr per Mail den Vertrag mit Neuland gekündigt habe.

„Daraufhin wurde die am gleichen Tag geschlachtete Lieferung gestoppt.“ Für die belieferten Fleischerbetriebe musste kurzfristig ein Ausgleich geschaffen werden. „Das ist im Weihnachtsgeschäft nur unzureichend gelungen, so dass ein wirtschaftlicher Schaden bis Ende März von circa 40 000 Euro entstanden ist.“

Das Neuland-Gütesiegel soll Fleisch aus „besonders artgerechter“ Tierhaltung kennzeichnen, ist aber kein offizielles Biosiegel. Stiftung Warentest deklariert das Label aber als Alternative zu Bioprodukten, da die Tiere im Freien gehalten und nur mit regionalen Körnern gefüttert werden sollen. Die Trägerorganisationen sind der Deutsche Tierschutzbund, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft.

Der Neuland-Vorstand habe diesen Vorfall schon bei seiner jüngsten Vorstandssitzung zum Anlass genommen, die Kontrollen noch klarer zu gliedern und zu verkürzen, um schneller auf mögliche Verstöße reagieren zu können. „Dieser Fall ist ein Einzelfall, bei dem möglicherweise kriminelle Energie und Raffgier eine Rolle gespielt hat“, betont Neuland-Geschäftsführer Dettmer. Das Unternehmen sei an einer schnellen Aufklärung interessiert – „wir wollen für eine transparente, ethisch verantwortbare Erzeugung von Fleisch kämpfen und vor den rechtschaffenen Bauern stehen“, unterstreicht die Gütesiegel-Vereinigung in ihrer Stellungnahme.

Gestern Nachmittag wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg aufgrund der Berichterstattung von Amtswegen ermittelt. Eine Anzeige sei jedoch nicht erstattet worden, erklärte Oldenburgs Staatsanwältin Dr. Carolin Castagna auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Oldenburger Staatsanwaltschaft ist mit ihrer Zentralstelle für Landwirtschaftsstrafsachen für den Fall in Wietzen zuständig. Dort werden Verstöße gegen Futtermittel-, Fleischhygiene und Lebensmittelvorschriften im Agrarbereich aus allen Landgerichtsbezirken Niedersachsens bearbeitet. Der Landwirt sowie ein Sprecher von Neuland waren für eine Stellungnahme gestern nicht zu erreichen.

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