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Zweieinhalb Jahre Haft für obdachlosen Brandstifter

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Feuer in Nienburger Kleingartenverein.
Feuer in Nienburger Kleingartenverein. © Henkel

Nienburg/Verden - Von Wiebke Bruns. Zweieinhalb Jahre Haft wegen Brandstiftung in fünf Fällen hat die 2. Große Strafkammer des Verdener Landgerichts am gestrigen Freitag in dem Strafprozess gegen einen zum Tatzeitpunkt obdachlosen Mann verhängt. Der 36 Jahre alte Angeklagte ist für eine Brandserie bei Nienburger Kleingartenkolonien im Dezember vergangenen Jahres verantwortlich.

Der Gesamtschaden soll noch im vierstelligen Bereich liegen.

Die Staatsanwaltschaft beantragte zuvor drei Jahre Haft wegen Brandstiftung in fünf Fällen, darunter ein Versuch. Verteidiger Harald Brauer hält zwei Jahre Haft als Strafe für angemessen, wobei sein Mandant von einem Tatvorwurf freizusprechen sei. „Es ist ein armseliges, schreckliches Leben, das der Angeklagte geführt hat“, stellte der Verteidiger in seinem Plädoyer fest. „Unverschuldet, weil er krank ist“, so der Nienburger Anwalt.

Dennoch sei der 36-Jährige bislang straffrei durchs Leben gegangen. Eine positive Perspektive habe er nur, wenn er sich Hilfe sucht. Das Gericht könne ihm nicht helfen, und in Deutschland werde sich der 36-Jährige nicht aus dem Schlamassel ziehen können. Sein Mandant habe die Verantwortung für die Brände übernommen, sage aber, dass es keine Absicht gewesen sei. Dies hält die Staatsanwältin für eine Schutzbehauptung des Angeklagten. Einig waren sich Staatsanwältin und Verteidiger, dass zu keinem Zeitpunkt andere Personen gefährdet waren.

Nach Besuch obdachlos geworden 

Im Frühjahr 2017 war der Angeklagte aus Polen zu Verwandten nach Nienburg gezogen. Diese hatten ihn im Herbst 2017 vor die Tür gesetzt. Der Mann lebte dann als Obdachloser. „Im beginnenden Winter hat er in den Lauben nach Schutz vor Kälte und Lebensmitteln gesucht“, hieß es in der mündlichen Urteilsbegründung. Soweit wurde dem Angeklagten geglaubt. Zur Überzeugung der Kammer sind die Brände dabei aber nicht zufällig, wie von ihm behauptet, ausgebrochen.

Bei der ersten Tat in der Zeit vom 18. bis 20. Dezember 2017 hatte der Angeklagte sich erst zwei Gurkengläser, Zucker und Teebeutel zusammengesucht. Dann schlief er in der Hütte und nach dem Aufwachen zündete er den Gasherd an und legte eine Jacke und Lappen darüber. „Wie vorhersehbar sind diese in Brand geraten, aber das Feuer ist wieder erloschen, vermutlich durch Sauerstoffmangel“, erklärte der Vorsitzende Richter Daniel Hauschildt. Der Angeklagte hinterließ jedoch Blut- und Schuhabdruckspuren.

Bis zum 28. Dezember brannte es noch einige Male. Die Anklageschrift listete fünf Fälle und in allen wurde der Angeklagte schuldig gesprochen. Negativ für den Angeklagten beim Strafmaß berücksichtigt wurde nicht nur der materielle Schaden. Erwähnung fand bei der Urteilsverkündung ein Mann, der seine Frau pflegt und besonders an seiner Laube hing. „Kleine Oasen des Alltags für die Geschädigten sind zerstört worden“, betonte der Vorsitzende. 

Angeklagter gesteht und zeigt Reue

Doch zu berücksichtigen war auch, dass der Angeklagte in weiten Teilen „geständig und reuig“ war und bislang straffrei durchs Leben gegangen ist. Außerdem handelte er im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit.

In Polen hatte der 36-Jährige eine Behindertenrente bezogen. Es besteht eine Intelligenzminderung, der Mann leidet unter Epilepsie und ist von Alkohol abhängig. Keine Rechtfertigung für die Taten, aber das Gericht hatte vollkommen richtig den Eindruck, „dass sich der Angeklagte in einer nahezu bemitleidenswerten Lebenssituation befindet.“ Anklage war zunächst beim Amtsgericht Nienburg erhoben, das Verfahren dann aber wegen einer zu prüfenden Unterbringung an das Landgericht abgegeben worden. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung waren aber nicht erfüllt. 

Von Untersuchungshaft ins Gefängnis 

Eine Therapie in Deutschland hätte schon wegen sprachlicher Probleme keine Erfolgsaussichten. Laut dem Sachverständige Dr. Christian Riedemann besteht aber unbehandelt ein „hohes Risiko für vergleichbare Taten“. Riedemann erklärte während der Verhandlung außerdem: „Die Obdachlosigkeit ist ein großer Risikofaktor für Straftaten.“

Seit rund acht Monaten sitzt der 36-Jährige bereits in Untersuchungshaft. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, schließt sich die Strafhaft nahtlos an.

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