Nienburg - von Leif Rullhusen. Insbesondere die Gastronomie wird sich wohl wehmütig an jene Zeiten erinnern, in denen Schulabgänger unzählige Bewerbungen schrieben, um überhaupt einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
Schon vor Jahren hat sich dieser Markt komplett gedreht. Die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt im Landkreis Nienburg stellten die IHK, die Kreishandwerkerschaft, die Landwirtschaftskammer und die Agentur für Arbeit in dieser Woche vor. Extrem betroffen von dieser Marktverschiebung sind die Gastronomie und Logistik. Im vergangenen Jahre blieben nach IHK-Zahlen im Gastgewerbe 63 Prozent und in der Logistikbranche 41 Prozent aller Ausbildungsplätze unbesetzt. Durchschnittlich wurde fast jede dritte Ausbildungsstelle im IHK-Bereich nicht besetzt. Auch im Vergleich zum Vorjahr sanken die abgeschlossenen Ausbildungsverträge um annähernd zehn Prozent. Hier waren die Rückgänge im Metallbereich und im Handel am stärksten. „Warum der kaufmännische Bereich so abgefallen ist, können wir uns noch nicht erklären“, berichtet Andreas Raetsch, Geschäftsführer der Nienburger IHK. Es gibt auch positive Entwicklungen: In der Elektrotechnik stieg die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge um 16 Prozent. Die Probleme bei der Besetzung offener Ausbildungplatzangebote würden aber zunehmen, lautet das Fazit von Raetsch.
Hohe Ausbildungsbereitschaft bei den Handwerksbetrieben
Ähnlich skizziert der stellvertretende Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Patrick Rasche, die Situation für seinen Bereich. Es bestehe eine hohe Ausbildungsbereitschaft bei den Handwerksbetrieben. Es hätten aber nicht alle Ausbildungsplätze besetzt werden können. „Dies gilt über alle Branchen hinweg“, verdeutlicht Rasche. Ein leichtes Plus gab es im Vorjahresvergleich bei den neu abgeschlossenen Verträgen.
Ruth-Beatrix Hainke von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen präsentierte Vergleichszahlen mit den Vorjahren nur auf Länderebene. Niedersachsenweit nehmen die Auszubildenden in der Landwirtschaft seit 2016 ab. Zuvor waren sie allerdings stark angestiegen. „Wir sind zufrieden mit unseren Ausbildungszahlen“, fasst Hainke zusammen. Es gebe noch genügend Bewerber. Allerdings seien die Ausbildungsplätze nicht mehr so lange im Voraus besetzt, wie noch vor einigen Jahren.
Aus Sicht der Arbeitsagentur ist der Ausbildungsmarkt stabil. „Die Veränderungen zum Vorjahr sind nur marginal“, erklärt der Vorsitzende der Geschäftsführung, Christoph Tietje. „Es ist jedoch eine Herausforderung, Betriebe und junge Menschen zusammenzubringen.“ Neben einer mangelnden Mobilität im ländlichen Bereich würden oft Anforderungen und Qualifikation nicht zusammenpassen.
Betriebe haben auf die Marktsituation reagiert
Längst haben die Betriebe auf die Marktsituation reagiert. Die Handwerkerschaft veranstaltet unter anderem regelmäßig Azubi-Speeddatings. „Ein Drittel der Betriebe, die an unserem vergangenen Speeddating teilgenommen haben, konnten ihre Ausbildungsplätze daraufhin besetzen“, berichtet Rasche. Die nächsten sind für den 6. Februar an den BBS in Nienburg sowie am 13. März an der OBS Uchte geplant. Um sich für potenzielle Auszubildende attraktiver zu machen, bietet die Handwerkskammer Hannover das Ausbildungssiegel „primAQ“ an. „Die Auszeichnung wird verliehen, wenn bestimmte Ausbildungsstandards erfüllt werden“, verdeutlicht Rasche. Drei Kreis-Nienburger Betriebe – Glißmann Metallbau, Maschinen- und Apparatebau Riekemann sowie der Malereibetrieb Guder – besitzen dieses Siegel bereits. Attraktiv sei auch das triale Studium. Es beinhaltet den Gesellen- und Meisterbrief sowie einen Fachhochschulabschluss im Handwerksmanagement oder Design. Als Pilotprojekt läuft in Hannover derzeit das Berufsabitur. „Dabei verbindet der Auszubildende die berufliche Ausbildung mit schulischem Ergänzungsunterricht und erhält gleichzeitig einen Berufsabschluss sowie eine Hochschulzugangsberechting. Das möchte ich hier an den BBS einführen“, plant Rasche.
Nachholbedarf bei den Schulen
Andreas Raetsch sieht besonders bei den Schulen Nachholbedarf. „Die Berufsorientierung ist dort noch immer nicht stark genug. Viele Schulabgänger haben unrealistische Berufswünsche“, berichtet der IHK-Geschäftsführer. Ausbildungsbotschafter aus den Unternehmen, die in den Schulen über die jeweiligen Berufe berichten, sind eine Maßnahme dagegen. Wie die Handwerkerschaft vergibt auch die IHK ein Qualitätssiegel. „Top-Ausbildung“ heißt es dort, wurde im Landkreis Nienburg bislang aber noch nicht vergeben