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Nienburg - NIENBURG (nis) · Richard Oetker spricht ruhig und besonnen. Detailgetreu berichtet er von den schlimmsten 48 Stunden seines Lebens. 1974 war der Industriellen-Sohn entführt und nach Zahlung von mehr als 21 Millionen Mark freigelassen worden. Seine Geschichte erzählte er gestern den Teilnehmern der ersten rechtswissenschaftlichen Tagung an der Polizeiakademie in Nienburg.

„Zeuge, Opfer und Verletzter“ lautete das Thema des Tages. „Opferbelange und Wahrheitsermittlung: ein Spannungsverhältnis“ – der Untertitel lud ein, den wohl bekanntesten aktuellen Justizfall aufzugreifen. Doch der Fall Kachelmann war nicht der einzige, den Professor Dr. Bernhard Weiner von der Polizeiakademie in seiner Einleitung aufgriff. Auch auf die Entführung des Bankierssohns Jakob von Metzler, bei dem sich der Täter Magnus Gäfgen selbst als Opfer der Ermittlungsarbeiten gesehen hatte, kam er zu sprechen – genauso wie auf den damals medienwirksamen Fall des ersten Referenten Richard Oetker.

Dieter Zlof, der Entführer, den die Polizei zwei Jahre später festnahm, hatte den jüngsten von fünf Söhnen auf dem Campusgelände bei München mit einer Waffe bedroht und in eine Kiste gesperrt. „Die Reise ins Ungewisse begann“, drückte es der heute 59-Jährige aus. Auch in seinem Fall habe sich der Täter, der seine Tat erst Jahre nach seiner Entlassung gestand, als Opfer ausgegeben. Er sei drogensüchtig und gezwungen worden, sich an der Tat zu beteiligen. Nachdem er seine Strafe abgesessen hatte, versuchte Zlof die Reste des Lösegeldes – immerhin noch über zwölf Millionen Mark – in London umzutauschen. Er ging dabei der Polizei in die Falle und musste zusätzlich eine zweijährige Haftstrafe wegen versuchter Geldwäsche und vollendeten Betrugs absitzen.

Oetker schilderte genau, was sich in den zwei Tagen seiner Gefangeschaft abspielte, wie er versuchte, Empathie zu seinem Entführer zu entwickeln, wie er sich Knochenbrüche zuzog, da ihn ein Stromstoß in der viel zu engen Kiste zusammenzucken ließ, und wie er trotz Schmerzen noch mit dem Täter zu verhandeln versuchte – schließlich sei er auf ihn als Opfer angewiesen gewesen –, aber auch, wie schwierig es gewesen sei, ein Vertrauensverhältnis zwischen seiner Frau und den ermittelnden Beamten herzustellen. Es sei ein gegenseitiges Misstrauen entstanden, was letztlich dazu führte, dass seine Gattin und ein guter Freund zum Kreis der engsten Verdächtigten gehörten.

Mit dem Schutz bedrohter Zeugen beschäftigte sich im Anschluss Professor Dr. Heinz Schöch von der Ludwig-Maximilians-Universität München, mit der Wahrheitsfindung als richterliche Aufgabe Dr. Dieter Temming, Vorsitzender Richter am Landgericht Osnabrück, und mit der Thematik „Verteidigung und der ‚Opferzeuge‘“ Johann Schwenn, Fachanwalt für Strafrecht aus Hamburg.

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