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Ein Wappensymbol zum Vernaschen

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Mit diesen Marken haben die Facomprés einst für ihre Produkte geworben.
Mit diesen Marken haben die Facomprés einst für ihre Produkte geworben. © Foto: Pliszka

Nienburg - Von Katrin Pliszka„Barbara, ich brauche wieder Tatzen!“ Die Nienburger Gästeführerin Barbara Breiding-Voepel weiß, was sie zu tun hat, wenn ihre Freunde aus Hannover mal wieder diesen Wunsch haben. Besagte Tatzen gibt es nämlich nur in der Weserstadt – und das seit 1801. Es handelt sich um Nienburger Bärentatzen, ein Backwerk aus Biskuit im hauchdünnen Schokoladenmantel.

Barbara Breiding-Voepel hat ihre Geschichte schon unzählige Male erzählt, doch die 64-jährige Sozialpädagogin ist nach wie vor fasziniert von dem traditionsreichen Gebäck. Für die Kreiszeitung fasst sie die Legende der Bärentatzen zusammen: „Die Hugenottenfamilie Facompré kam 1791 nach Nienburg. Albert Facompré und seine Familie wurden wegen ihres Glaubens aus Frankreich vertrieben“, weiß die Gästeführerin. Im Jahr 1801 hatten Albert und seine Familie in der Weserstadt eine Bäckerei eröffnet und unter anderem ein Biskuitgebäck erfunden, das sich rasch zum Verkaufshit entwickelte: Die Bärentatzen. „Interessant war, dass sie sich dafür von dem Nienburger Tüftler und Kupferschmied ‚Läsche‘ eine Kupferform anfertigen ließen, die dem Wappensymbol der Grafen von Hoya und der Stadt entliehen war“, ergänzt Breiding-Voepel. So entstand die markante Form der Süßigkeit.

1847 sei Nienburg an das Eisenbahnnetz angeschlossen worden, was der Vermarktung ordentlich Schwung gab. „Es gab die Tatzen in den Mitropa-Speisewagen der Deutschen Bahn, an jedem größeren deutschen Bahnhof. Selbst nach Übersee wurden sie exportiert, berichtet Breiding-Voepel. So ließen sich offenbar auch Naschkatzen in Australien, Afrika und den USA die Nienburger Spezialität schmecken. Selbst Bahlsen habe Anfang der 1920er Jahre der Familie das Rezept abkaufen und sie mit einem Pfennig je verkaufter Tatze daran beteiligen wollen, lautet eine der vielen Geschichten um das Gebäck. Die Facomprés hätten jedoch abgelehnt, es sei ihnen zu wenig gewesen, so die 64-Jährige.

„Noch in den 60er-Jahren standen die Bäckerjungs am Bahnsteig und haben die Bärentatzen an den Zügen verkauft“, erzählt die Wahl-Nienburgerin, die sich ab und an auch gerne mal eines der Backwerke gönnt.

Die weiten Wege waren für das Gebäck offenbar kein Problem, es blieb lange frisch und zart. „Die Facomprés hatten angeblich eine besondere Zutat in den Tatzen, die sie lange frisch hielt.“ Was das war, ist heute nicht mehr bekannt, ebensowenig das Originalrezept der Hugenottenfamilie. „Das liegt vermutlich irgendwo bei ihren Nachfahren. Aber bei wem und wo, weiß keiner“, so Breiding-Voepel. Sie und andere Nienburger vermuten, dass Zwieback zusammen mit dem Schokoladenüberzug für die längere Haltbarkeit sorgte. Zudem sei da noch die Verpackung gewesen, eine Art dickeres Butterbrotpapier, das die Tatzen zusätzlich frisch hielt.

Um 1970 herum habe Friedrich Facompré schließlich die Produktion der Tatzen eingestellt, aus Altersgründen. Da hatte das Nienburger Kuchenimperium schon in der Stadt seine Spuren hinterlassen. Eine alte Postkarte zeigt Nienburg als Stadt der Biskuits, mit der Facompréschen Fabrik an der Biskuitstraße sowie den Bahnhof, an dem die Kuchen lange Jahre verkauft worden sind. Die Tatzenform zieht sich bis heute durch die Weserstadt.

Zum einen finden sich in verschiedenen Bäckereien nach wie vor „Bärentatzen“, wenn auch nach anderen Rezepturen, zum anderen zieht sich ein Wanderpfad namens „Nienburger Bärenspur“ mit 28 Sehenswürdigkeiten durch die Stadt. Der Heimatbund male die entsprechenden Spuren einmal im Jahr auf, so Breiding-Voepel. Dann muss sie auch schon los, um Tatzen zu besorgen – versprochen ist versprochen.

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