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CSU-Mann Scheuer als Minister vor dem Aus? Nun auch Merkel in der Kritik: „Unerträglich und unwürdig“

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Angela Merkel spricht mit Andreas Scheuer - hier bei einer Kabinettssitzung im Juni.
Angela Merkel spricht mit Andreas Scheuer - hier bei einer Kabinettssitzung im Juni. © Tobias Schwarz/dpa

Seit einen Jahr belastet der fulminante Flop der Pkw-Maut Andreas Scheuer. Nun folgt der nächste Skandal-Bericht. Reißt Markus Söder bald der Geduldsfaden?

Update vom 27. September, 16.45 Uhr: Neue interne Dokumente um die Pkw-Maut-Affäre bringen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) weiter unter Druck (siehe Erstmeldung). Nun werden auch Forderungen an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) laut, den Minister zu entlassen. Der FDP-Obmann im Maut-Untersuchungsausschuss, Christian Jung, hat Merkel aufgefordert, Scheuer spätestens am Freitag aus seinem Amt zu entlassen - wenn dieser nicht freiwillig zurücktritt. Am Donnerstag muss der CSU-Politiker im Ausschuss Rede und Antwort stehen.

Es sei angesichts der neuen belastenden Akten „unerträglich und unwürdig“, dass Scheuer im Bundestag zu den Geheimgesprächen mit den Betreibern der geplatzten Pkw-Maut die Unwahrheit gesagt habe, erklärte Jung am Sonntag bei einer FDP-Veranstaltung in Ludwigsburg. Er erhob auch gegen die Kanzlerin schwere Vorwürfe: Es sei "ebenso unwürdig" und "eine Form von Staatsversagen", dass Merkel nach Ursula von der Leyen einen weiteren Minister durch Untätigkeit decke - und Scheuer und CSU-Chef Markus Söder nicht deren politische Grenzen aufzeige.

Interne Maut-Dokumente bringen Scheuer unter Druck: Heftige Vorwürfe aus der FDP - „Darf nicht länger im Amt bleiben“

Update vom 26. September, 12.04 Uhr: Das Debakel um die Pkw-Maut hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bereits jede Menge Ärger eingebracht. Jüngst brachten ihn brisante interne Protokolle erneut in große Erklärungsnot. Nach Stimmen aus SPD und der Linken fordert nun auch eine Stimme aus der FDP seinen Abgang. Der Bundestagsabgeordnete Oliver Luksic fordert den Rücktritt von Andreas Scheuer, weil der CSU-Politiker die Unwahrheit über Vertragsabschlüsse mit den Betreibern der inzwischen geplatzten Pkw-Maut gesagt haben soll. Scheuer habe offensichtlich Parlament und Öffentlichkeit belogen, sagte der Verkehrsexperte der Passauer Neuen Presse am Samstag. „Der Minister kann und darf nicht länger im Amt bleiben“, so Luksic weiter.

Konkret wirft Luksic dem Minister vor, in einer Fragestunde im Parlament auf eine seiner Fragen nicht wahrheitsgemäß geantwortet zu haben. „Minister Scheuer wurde am 25. September 2019 in der Fragestunde explizit von mir gefragt, ob die Betreiber der Pkw-Maut das Angebot gemacht hätten, mit der Unterschrift des Vertrages bis nach dem EuGH-Urteil zu warten“, legt er dar. Aus den Protokollen der Betreiber gehe hervor, dass es ein solches Angebot am 29. November gegeben habe. „Der Minister hat dies mehrfach bestritten“, erklärt der FDP-Politiker und habe damit gelogen.

Brisante interne Protokolle zum Maut-Debakel: Bedeuten sie das Aus für Scheuer?

Markus Söder (li.) weist Andreas Scheuer den Weg zur Pressekonferenz in der bayerischen Staatskanzlei.
Szene aus der Zeit vor dem Maut-Debakel: Markus Söder (li.) weist Andreas Scheuer den Weg zur Pressekonferenz. © Lino Mirgeler/dpa

Unser Artikel vom 25. September: Berlin/München - Andreas Scheuer gehört, vorsichtig formuliert, nicht zu den großen Gewinnern im Kabinett Merkel IV. Der Verkehrsminister stolpert in der laufenden Legislaturperiode von einer Misere in die andere - das jüngste Chaos um den neuen Bußgeldkatalog gehört dabei vergleichsweise noch zu den Petitessen.

Viel schwerer wiegt die Affäre um die Pkw-Maut. Das von Horst Seehofer persönlich angeleierte CSU-Vorzeigeprojekt zerschellte 2019 krachend an einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Mittlerweile hat es aktuellen Berichten zufolge knapp 80 Millionen Euro gekostet. Und die eigentlich vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz. Der Bund weist diese Forderung zurück.

Andreas Scheuer: „Unlauteres Handeln“? Brisanter Bericht veröffentlicht

Gerade Scheuer werden dabei heftige Vorwürfe gemacht. Schon seit längerem wird gemutmaßt, der CSU-Minister könnte das Projekt trotz großer Risiken vor dem Urteil durchgepeitscht haben, um eine bessere Wahlkampf-Position zu schaffen. Laut einem Bericht des Spiegel könnte Scheuer nun aber tatsächlich final über die Affäre stolpern. Angeblich sind neue Erkenntnisse angetan, "rote Linien" überschreiten, die der GroKo-Partner SPD gezogen hat.

Konkret: Interne Sitzungsprotokolle offenbarten „unlauteres Handeln“ des Ministers in mehreren Punkten, schreibt das Magazin in seiner aktuellen Ausgabe. Und es stellt eine klare Frage in den Raum: „Hat der Bundesverkehrsminister beim Einfädeln des Deals gelogen?“ Am Donnerstag (1. Oktober) soll Scheuer vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Dann könnten heikle Fragen drohen - wohl noch eine Spur brisanter als unlängst bei Finanzminister Olaf Scholz.

Scheuer unter Druck: Entscheidender Fehler bei Pkw-Maut? - Vorwurf der Lüge vor dem Bundestag

Am wohl gewichtigsten ist der im Bericht thematisierte Verdacht, Scheuer haben den Bundestag belogen. Der Minister verneinte bei einer Befragung, dass es ein Angebot des Eventim-Chefs Klaus-Peter Schulenberg - der Tickethändler Eventim war Teil eines Bieterkonsortiums - gegeben habe, die Mautverträge erst nach dem Urteilsspruch des EuGH zu unterzeichnen. Dieses Vorgehen hätte dem Bund letztlich wohl riesige Summen gespart. „Nein, dieses Angebot gab es nicht", sagte Scheuer aber.

Anderes geht nach Recherchen des Spiegel aus einem „Gedächtnisprotokoll“ des Geschäftsführers des Maut-Konsortiums „Autoticket“ hervor. Er notierte, was ihm seine Mitarbeiter von einem „Frühstück“ mit Scheuer berichteten. Demnach gab es das Angebot der Betreiber doch - Scheuer habe abgelehnt, weil die Maut „noch im Jahr 2020 eingeführt werden solle“. Der FDP-Abgeordnete Oliver Luksic hatte schon 2019 angedeutet, er habe „starke Hinweise dafür“, dass es ein solches Angebot gab.

CSU-Minister Scheuer nun über der „roten Linie“? SPD könnte Reißleine ziehen - Linke fordert Abgang

Damit hätte Scheuer womöglich Finanzrisiken in Kauf genommen, um die CSU im Wahlkampf zu stärken. Zugleich soll er aber auch „optionale Leistungen“ in Aussicht gestellt haben, um den Preis des Angebots zu drücken. Solche hätten aber ausgeschrieben werden müssen. Nicht zuletzt aber: Stimmt die Darstellung, hätte Scheuer tatsächlich im Parlament die Unwahrheit gesagt.

Genau das könnte für die SPD die rote Linie sein. Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann sagte laut einem Bericht der Zeit schon im Januar: Scheuer sei nicht mehr im Amt zu halten, wenn er nachweislich das Parlament belogen oder gegen Haushaltsrecht verstoßen habe. „Wer mit Steuergeld Roulette spielt und das Parlament belügt, darf nicht Minister sein“, wetterte am Freitag auch schon der Linke-Abgeordnete Victor Perli auf Twitter.

Pkw-Maut: „Spiegel“-Bericht legt Minister-Drohung nahe - Beweise gibt es aber noch nicht

Im Raum steht auch ein weiterer Vorwurf: Angeblich soll Scheuer die Mautbetreiber mit einer Drohung unter Druck gesetzt haben, sich öffentlich in seinem Sinne zu äußern. Laut einem weiteren Protokoll der Unternehmen hat der Minister erklärt, seine Aussage zu den Kündigungsgründen des Betreibervertrags im Verkehrsausschuss könne „so oder so“ ausfallen.

Die Interpretation des Magazins: Hätten die Firmen sein Argument gestützt, wonach der Vertragsabschluss noch vor dem EuGH-Urteil „nötig" sei, hätte Scheuer womöglich darauf verzichtet, die Vertragskündigung auf "Mängel" zurückzuführen, wie er es letztlich tat. All das geht freilich aus Notizen einer der Konfliktparteien im millionenschweren Streit zurück. Ein handfester Beweis liegt also nicht vor.

Scheuer vor dem Aus? Anonyme Quelle berichtet von schwindender Geduld bei Söder

Dennoch: Auch bei CSU-Chef Markus Söder könnte die Geduld mit Scheuer nahezu ausgereizt sein. Sollte es in den Aussagen des Ministers „auch nur eine Unstimmigkeit“ geben könnte Scheuer nicht länger Minister sein, zitiert der Spiegel einen nicht namentlich genannten Informanten, „der Söder lange kennt". Zunächst wird sich Söder aber wohl dem CSU-Parteitag widmen.

Und es sind nicht einzigen neuen Vorwürfe gegen Scheuer im Maut-Debakel. So berichtete die Welt im September, der Minister habe auch die verstaatlichte Lkw-Maut-Firma Toll Collect mit in die Affäre hereingezogen - mit der Verpflichtung, ihre Zahlstellen für die privatwirtschaftlich organisierte Pkw-Maut zur Verfügung zu stellen, ohne dafür marktübliche Preise zu verlangen. Den Recherchen zufolge hätte dies mit 250 Millionen Euro Kosten für den Steuerzahler zu Buche schlagen können. Der Schritt sei ohne Zustimmung des Bundestags erfolgt und erwecke den Verdacht des Verstoßes gegen Haushaltsrecht.

Pkw-Maut bleibt Desaster: Schon jetzt knapp 80 Millionen Euro Kosten

Unterdessen ist auch klar: Die Pkw-Maut hat den Bund mittlerweile 79,3 Millionen Euro gekostet. Darunter sind 7 Millionen Euro, die bisher in diesem Jahr bis zum 18. September anfielen, wie das Verkehrsministerium auf eine Grünen-Anfrage antwortete. Zuerst berichteten die Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft darüber. Allein 5,2 Millionen Euro fielen demnach in diesem Jahr bisher für Sachverständige und Gerichtskosten an. Die seit 2014 insgesamt entstandenen Kosten erhöhen sich damit weiter. Mitte Juni hatte das Ministerium eine Summe von 76,7 Millionen Euro genannt.

Der Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn urteilte, die Pkw-Maut sei „einer der teuersten Rohrkrepierer der bayerischen Regionalpartei CSU“ - und Scheuers. (fn mit Material der dpa) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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