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Neue Kinder-Regel? Merkel-Vorschlag sorgt für Empörung - Verschärfungen drohen dennoch

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Dürfen Kinder bald nur noch mit einem festgelegten Freund spielen? Die geplante Corona-Maßnahme der Bundesregierung sorgt bei Experten und Kinderschutzverbänden für Entsetzen.

Update vom 20. November, 17.05 Uhr: Die Psychologin Annette Greiner, Landesverband Schulpsychologie NRW, hat bei Focus Online erklärt, wie sich die Corona-Pandemie auf das kindliche Innenleben auswirkt. Sie spricht sich gegen eine generelle Maskenpflicht auch an Grundschulen aus. Den Kindern fehle die Mimik des Gegenübers. Da sich Grundschulkinder aber noch im Lernprozess der Kommunikation befinden, sind laut Greiner nonverbale Signale besonders wichtig. Das durchgängige Tragen von Masken führe so zu Missverständnissen. „Gerade ängstliche Kinder können dadurch sehr verunsichert werden“, wird die Psychologin von Focus Online zitiert.

Für Jugendliche seien Kontaktbeschränkungen besonders schwierig. In diesem Alter ist das Zusammensein mit Gleichaltrigen zur Identitätsfindung wichtig. Und Kindern, führt die Psychologin weiter aus, fehle es an Freizeitaktivitäten. „Es ist für Kinder nicht zu verstehen, dass sie in der Schule in einer Klasse mit 30 Kindern sitzen dürfen und nachmittags alles auf maximal ein Kind beschränkt wird“, sagt die Psychologin im Gespräch mit Focus Online.

Kinder in der Corona-Pandemie: Kritik an Ein-Freund-Regel weiterhin präsent

Update vom 20. November, 10.09 Uhr: Könnten die Schulen im Dezember erneut zum Teil geschlossen werden? Nach Informationen der Bild wurde dies bei der Unionsfraktionssitzung mit Angela Merkel (CDU) am Dienstag erwägt. Sowohl Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als auch die Bundeskanzlerin hielten es für „unrealistisch“, dass eine Maskenpflicht für ältere Schüler ausreichenden Schutz vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 biete, heißt es in dem Bericht - und es soll demnach auch um eine Verlängerung des Teil-Lockdowns gehen. Kritik gibt es weiterhin auch an der „Ein-Freund-Regel“, wie Merkur.de* berichtet.

Update vom 19. November, 17.48 Uhr: Am Montag ließen die 16 Ministerpräsidenten Angela Merkel mit ihrem Corona-Papier eiskalt auflaufen. Aus Bayern kommen nach exklusiven Informationen des Münchner Merkur nun erste Vorschläge für die Beschlussvorlage der Länder für den Merkel-Gipfel am Mittwoch*.

Update vom 19. November, 16.15 Uhr: Der Widerstand gegen die Ein-Freund-Regel wird größer. Die Bild (hinter der Bezahlschranke) will erfahren haben, dass mehrere Bundesländer gegen die Einführung einer solchen Regel sind, einzelne Regierungen würden sich weigern, zuzustimmen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte der Zeitung: „Ich habe fünf Enkel und weiß, dass das nicht funktioniert.“

Solch eine Regel entspreche nicht der Lebenswirklichkeit, „darum haben wir sie nicht akzeptiert“. Im realen Leben sei das „einfach nicht umsetzbar“, sagte der Politiker der Partei Die Linke*. Auch der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger reagierte gegenüber der Zeitung verhalten: „Nur noch einen Freund treffen zu dürfen, finde ich zu einschneidend. Das geht zu weit.“

In einer ersten Beschlussvorlage des Kanzleramts stand die Ein-Freund-Regel noch drin. Kinder und Jugendliche sollen dazu angehalten werden, „sich nur noch mit einem festen Freund oder einer festen Freundin in der Freizeit zu treffen“. In einer Zwischenfassung war davon dann nichts mehr zu lesen. In der finalen Version findet sich die Regel dann wieder. Diesmal lautet die sie: Bürger sollen „private Zusammenkünfte (...) auf einen festen Haushalt beschränken, das schließt auch Kinder und Jugendliche in den Familien mit ein“.

Neue Kinder-Regel soll kommen: Merkel-Vorschlag sorgt für Empörung

Erstmeldung vom 18. November: Berlin - Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus blieb in den vergangenen Wochen hoch. Daher plant die Bundesregierung offenbar weitere Maßnahmen. Zu den Vorschlägen gehörte auch, die geltenden Kontaktbeschränkungen auf Kinder und Jugendliche auszudehnen. Außerhalb der Schule könnten sie dann nur noch einen bestimmten Freund oder eine bestimmte Freundin treffen. So soll die Verbreitung des Virus auch in der jungen Altersgruppe weiter eingeschränkt werden. Doch der Vorschlag stößt auf große Skepsis und sogar Bestürzung.

Letztlich wurde die Maßnahme für Kinder von Bundeskanzlerin Angela Merkel* (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder nicht beschlossen. Im Raum steht sie dennoch. Viele Experten warnen jetzt vehement vor einem solchen Schritt. Generell treffen Kontaktbeschränkungen jüngere Menschen härter als ältere, sagt die Diplom-Psychologin Ulrike Scheuermann der Deutschen Presse-Agentur. „Da gibt es inzwischen auch verschiedene Studien dazu, dass generell jüngere Menschen mehr mitgenommen sind durch die Kontaktbeschränkungen.“ Besonders bei Jugendlichen könnten solche Einschnitte zum Problem werden, erklärt sie weiter. Denn gerade Freunde seien in diesem Alter für die Identitätsentwicklung von zentraler Bedeutung.

Kontaktbeschränkungen für Kinder: Der drastische Corona-Schutz könnte drastische Konsequenzen haben

Einen ganz anderen - aber ebenso problematischen - Aspekt dieser Art von Kontaktbeschränkung* schildert Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort gegenüber der Zeit. Wenn Kinder in ihren Kontakten so eingeschränkt würden, müssten sie entscheiden, wen sie sehen wollen und wem sie absagen. Der Experte nennt das „unverhältnismäßig“ und gibt zu bedenken: „Von Kindern zu erwarten, solche Entscheidungen zu treffen und festzulegen, mit wem sie in Kontakt bleiben möchten und mit wem nicht, geht völlig an dem vorbei, was sie in ihrer Entwicklungsphase verkraften können. Man muss sich nur einmal vorstellen: Es bleiben immer Kinder übrig, die keiner als einzigen Freund ausgewählt hat.“

Besonders in Schulklassen könne dies zu Konflikten führen, bei denen die nicht ausgewählten „psychische Verletzungen“ erleiden könnten. Zudem seien Kinder von solchen Situationen überfordert. „Die Kinder sind deshalb überfordert, weil sie jemanden zurückweisen müssen, ohne dafür einen eigenen inneren Antrieb zu haben. Kinder weisen ohnehin niemanden gern zurück, das ist immer schwer für sie. Wenn sie das dann trotzdem machen müssen, bekommen sie Schuldgefühle, hadern mit sich“, so Schulte-Markwort.

Angela Merkels „Ein-Freund-Regel“ zum Schutz vor Corona in der Kritik: Kinderschutzverbände laufen Sturm

Scharfe Kritik an dem Vorschlag der Bundesregierung kommt auch von Kinderschutzverbänden. „Soziale Interaktion ist sehr wichtig, gerade für Jugendliche ist sie das zentrale Entwicklungsmoment“, so Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks (DKHW), gegenüber Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es sei völlig unverhältnismäßig und kinderfeindlich, das auf einen Kontakt zu beschränken, führt er weiter aus.

Auch andere Verbände wie der Deutsche Kinderschutzbund oder die Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie begegnen dem Vorstoß mit Sorge. Trotz der harschen Kritik hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die vom Bundeskanzleramt vorgeschlagene Regel verteidigt. „Die Maßnahme ist bisher nicht beschlossen worden“, äußerte sie sich gegenüber dem Tagesspiegel. „Wenn, dann ginge es ja nur um die Freizeit und die Kinder hätten trotzdem weiterhin Kontakte in Kita und Schule - oft sind das die wichtigsten Freundinnen und Freunde“, so die Ministerin weiter. (mam/dpa) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerkes

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