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„Riesenfehler“: Kommt die Wehrpflicht zurück? Söder rückt Alternative in den Fokus

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Die Sorge über eine „Untergrundarmee“ in der Bundeswehr wächst. Eine Rückkehr der Wehrpflicht wird debattiert. Söder nennt eine Alternative, die SPD pflichtet bei.

Update vom 6. Juli, 14.43 Uhr: Wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder lehnt SPD-Chefin Saskia Esken eine Rückkehr zur Wehrpflicht ab. Man könne keine „sogenannte Wehrgerechtigkeit, nämlich die Gerechtigkeit gegenüber den jeweiligen Jahrgängen junger Menschen“ gewährleisten. 

Einer möglichen Alternative steht Esken aber wie Söder positiv gegenüber. „Grundsätzlich würde ich es sehr begrüßen, wenn der Haushaltsgesetzgeber und die Regierung insgesamt sich aufmachen würde, all denen, die gerne ein soziales Dienstjahr leisten wollen, auch einen Platz anzubieten“, sagte die Co-Vorsitzende der Sozialdemokraten am Montag im baden-württembergischen Calw auf eine Frage zur allgemeinen Dienstpflicht.

Da es aktuell mehr Bewerber als Plätze für das freiwillige soziale Jahr gebe, müsse man versuchen, „allen einen Platz“ anbieten zu können. Möglicherweise auch durch „ein verpflichtendes Jahr“.

Update vom 6. Juli, 11.31 Uhr: Nun hat sich auch CSU-Chef Markus Söder in der Diskussion um eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht in Deutschland geäußert. Dabei machte er deutlich, dass er diese ablehnt. Es wäre ein Fehler, die Zeit dahin zurückzudrehen, „das würde die Verteidigungsfähigkeit eher schwächen“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Montag vor einer Sitzung des Parteivorstands in München.

Rückkehr zur Wehrpflicht? Söder will lieber freiwillige Angebote stärken

Er erklärte, dass aus Sicht der CSU vielmehr darüber gesprochen werden müsse, wie freiwillige Angebote wie das von der CSU bevorzugte „Deutschland-Praktikum“ gestärkt werden könnten. Diesen Ansatz vertrete ja auch die CDU. „Das sollten wir uns über den Sommer überlegen und vielleicht auch ergänzen mit Anreizen fürs Studium“, schlug Söder vor. Auch für andere Bereiche oder gar die Rente seien Vorteile denkbar, „wenn jemand bereit ist, eine gewisse Zeit einen solchen freiwilligen Dienst zu machen“. In Deutschland gebe es viele junge Menschen, die gerne eine längere Pause zwischen Schule und Studium machen wollten, ist sich Söder sicher. 

Der CSU-Politiker erinnerte außerdem daran, dass bereits vor der Aussetzung zur Wehrpflicht diese kaum mehr verfassungsrechtlich darstellbar gewesen sei, da nur noch wenige junge Männer zum Wehrdienst eingezogen worden seien. 

Rückkehr zur Wehrpflicht? CSU-Landesgruppenchef Dobrindt lehnt das ab 

Update vom 6. Juli, 6.53 Uhr: Wenige Wochen nach ihrer Amstübernahme hat die Wehrbeauftrage Eva Högl eine Rückkehr zur Wehrpflicht ins Gespräch gebracht. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach sich dagegen aus. Die CSU lehnt den Vorschlag ab. „Eine Rückkehr zur Wehrpflicht ist keine realistische Debatte“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der Augsburger Allgemeinen (Montag). Sinnvoller sei es, über die Stärkung des freiwilligen Dienstes zu reden.

Högl hatte angesichts rechtsextremistischer Vorfälle in der Bundeswehr eine Wiedereinführung der Wehrpflicht zur Diskussion* gestellt. Der aus Bayern stammende SPD-Verteidigungsexperte Karl-Heinz Brunner teilte jedoch die Ansicht von Högl. „Durch die Aussetzung der Wehrpflicht und damit Umbau der Bundeswehr von einer Wehrpflicht- zu einer Freiwilligenarmee ist natürlich die soziale Kontrolle eine andere geworden, da der Personalstamm nicht mehr den gesamten Querschnitt der Bevölkerung darstellt“, sagte Brunner der Augsburger Allgemeinen. Allerdings hält er die Wiedereinführung der Wehrpflicht organisatorisch und finanziell für nicht mehr umsetzbar.

FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat eine klare Meinung und warf Högl eine „erschreckende Ahnungslosigkeit“ vor. „Es überrascht mich sehr, dass Frau Högl die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht fordert und dies mit den Fällen von Rechtsextremismus in der Bundeswehr begründet. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, sagte Strack-Zimmermann der Passauer Neuen Presse (Montag). Wenn Högl einen Zusammenhang zwischen der Wehrpflicht und den rechtsextremen Vorfällen innerhalb der Bundeswehr herstelle, stelle sie alle 182.000 Soldatinnen und Soldaten unter Generalverdacht.

„Riesenfehler“: Kommt die Wehrpflicht zurück? AKK kontert mit Vorschlag für neuen „Dienst“

Erstmeldung vom 5. Juli, 18.16 Uhr

Berlin/München - Von 1956 bis 2011 galt in Deutschland die Wehrpflicht. Nun könnte sie ein Comeback feiern - zumindest wenn es nach der neuen Wehrbeauftragten Eva Högl geht. Sie argumentiert vor allem mit Rechtsextremismus-Problemen in der Bundeswehr. Doch die SPD-Politikerin scheint mit ihrer Forderung auf Granit zu beißen. Die Ablehnung ist quer durch die Parteien groß. 

Sowohl Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) als auch die SPD-Spitze, Grüne und FDP sprachen sich gegen eine Wiedereinführung aus. Unterstützung erhielt Högl allerdings vom Reservistenverband. Möglicherweise folgen aus der Debatte aber andere Neuerungen: Kramp-Karrenbauer kündigte stattdessen einen neuen Freiwilligendienst in der Bundeswehr an. Zugleich betonte sie, mit "aller Konsequenz" gegen rechte Umtriebe in der Truppe vorzugehen.

Bundeswehr: Abschaffung der Wehrpflicht ein „Riesenfehler“? Vorstoß aus der SPD

Högl hatte die Debatte angesichts der jüngst bekannt gewordenen rechtsextremistischen Vorfälle etwa in der Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) angestoßen. "Ich halte es für einen Riesenfehler, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wurde", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Schon vor dieser Entscheidung habe es die Befürchtung gegeben, "dass sich Rechtsextremismus in einer Berufsarmee stärker entwickelt als in einer Wehrpflichtarmee".

Es tue der Bundeswehr sehr gut, "wenn ein großer Teil der Gesellschaft eine Zeitlang seinen Dienst leistet", betonte Högl. "Das erschwert es auch, dass sich Rechtsextremismus in der Truppe breit macht." Darüber wolle sie im kommenden Jahr "intensiv diskutieren". Dabei solle es auch um die Frage gehen, ob Männer und Frauen gleichermaßen dienen sollten.

Wehrpflicht gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr? Högl fürchtet „Untergrundarmee“

Laut Högl reichen die Probleme in der Bundeswehr "von rechtsextremen Äußerungen bis hin zu rechtsextremen Verbindungen und Aktivitäten". Auf die Frage, ob sich eine Untergrundarmee formiere, antwortete die Wehrbeauftragte den Funke-Medien: "Das wollen wir alle nicht hoffen. Wir wissen es nicht."

Der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg, stellte sich hinter Högl. "Die Aussetzung der Wehrpflicht war ein Fehler und ich habe damals deshalb auch dagegen gestimmt", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. Inzwischen gebe es eine "breite Zustimmung" in Deutschland für die Wiedereinführung der Wehrpflicht beziehungsweise einer allgemeinen Dienstpflicht.

Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Rüdiger Lucassen, unterstützte Högls Vorstoß ebenfalls „ohne Wenn und Aber“ und sagte in einer Mitteilung: „Sie muss jetzt aber ihre Partei und die CDU überzeugen. Die Reaktivierung ist eine große Aufgabe, aber möglich. Schweden hat gezeigt, dass es geht.“

Wehrpflicht: CDU- und SPD-Spitze gegen Vorstoß - Klingbeil wird sarkastisch

Ansonsten überwog die Ablehnung. Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer sagte bei einer virtuellen CDU-Veranstaltung, es gehe nicht darum, die Wehrpflicht in der früheren Form wieder einzuführen. Vielmehr beschäftige sie angesichts von Populismus und Spaltungen die "Idee eines Dienstes für unsere Gesellschaft".

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer kündigte für kommendes Jahr allerdings einen neuen Freiwilligendienst in der Bundeswehr an. Bei dem Dienst mit dem Titel "Dein Jahr für Deutschland" sollen junge Menschen eine sechsmonatige militärische Grundausbildung erhalten und anschließend einen sechsmonatigen Reservedienst in der Nähe ihrer Heimat absolvieren.

Auch die SPD steht nicht hinter Högls Vorstoß. Die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sehen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht nicht als ein Mittel, um rechtsextremistischen Vorfällen in der Bundeswehr vorzubeugen. 

„Die Wehrpflicht gehört zu den immer wiederkehrenden Themen und steht nicht im Zusammenhang mit der gefährdeten Demokratiefestigkeit einzelner Bereiche der Bundeswehr, die nie mit Wehrpflichtigen besetzt worden sind“, erklärten sie am Samstag in Berlin. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil griff angesichts des Vorstoßes seiner Genossin sogar zum Stilmittel des Sarkasmus. Zu diesem Thema sei „ja schon lange alles gesagt“, twitterte er - und lenkte die Aufmerksamkeit auf eine kleine Albernheit: „Aber habt ihr gesehen, dass dieser Vogel einen Hai herumfliegt?*“.

ARD-“Sommerinterview“: Kramp-Karrenbauer äußert sich zu Rechtsextremismus in der Bundeswehr

Im ARD-"Sommerinterview" bekräftigte Kramp-Karrenbauer am Sonntag ihre Entschlossenheit im Kampf gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr. "Das ist unser aller Aufgabe, meine ganz besonders als Bundesverteidigungsministerin, und die nehme ich mit aller Kraft an und die werde ich mit aller Konsequenz umsetzen", sagte sie. Letztlich gehe es dabei um die "Glaubwürdigkeit des Staates".

CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz* sagte den Funke-Zeitungen, es könne zwar über die Wehrpflicht oder eine allgemeine Dienstpflicht diskutiert werden. "Aber die ohne Zweifel notwendige Bekämpfung des Rechtsradikalismus reicht als Begründung dafür nicht aus."

Widerspruch erntete Högl auch von der Opposition. "Die Wehrpflicht würde der Bundeswehr sicherheitspolitisch keinen Vorteil bringen, sondern lediglich massive personelle und finanzielle Ressourcen verschlingen", kritisierte der Grünen-Sicherheitspolitiker Tobias Lindner. Die Grünen hatten sich zuletzt verstärkt um Sicherheitsthemen bemüht - mit geteiltem Echo.

FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae äußerte die Befürchtung, "dass die Wiedereinführung der Wehrpflicht nur der Türöffner für eine allgemeine Dienstpflicht werden wird". Diese wäre laut Thomae nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. (AFP/fn/dpa) *Merkur.de, tz.de und fr.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Netzwerks.

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