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„Mangel an Gemeinschaftsgefühl“: BMW löst eine Welle der Empörung aus - werden Söders Pläne durchkreuzt?

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Die BMW-Konzernführung hält in der Corona-Krise an ihrem Kurs fest. Doch ist der vertretbar, wenn man gleichzeitig staatliche Unterstützung durch Steuergelder einfordert?

München - BMW-Konzernchef Oliver Zipse löste eine Empörungswelle im politischen Berlin aus. Der Autohersteller wird mitten in der Corona-Krise eine Dividende in Höhe von 1,6 Milliarden Euro an die Aktionäre ausschütten. Besonders brisant: Zipse selbst forderte jüngst staatlich finanzierte Kaufanreize für Neuwagen, nannte sie „Innovationsprämie“. Also eine Abwrackprämie 2.0, ähnlich wie nach der Finanzkrise 2009, zur Ankurbelung der Wirtschaft. Währenddessen befinden sich 30.000 der rund 90.000 BMW-Mitarbeiter in Deutschland in Kurzarbeit*. Eine verkehrte Welt? 

BMW schüttet mitten in Corona-Krise Milliarden-Dividende aus - trotz Kurzarbeit und Forderungen

Oliver Zipse, der für das Geschäftsjahr 2019 einen Gewinn von rund fünf Milliarden Euro verkünden konnte, verwies darauf, dass sein Unternehmen zuverlässig handle - auch in der Dividendenpolitik. Zudem, so der Konzernchef auf der 100. Hauptversammlung des Unternehmens, sei die Erfolgsbeteiligung der Mitarbeiter an die Dividende gekoppelt. Die Belegschaft habe somit auch etwas von der Ausschüttung von 2,50 Euro je Stammaktie beziehungsweise 2,52 Euro je Vorzugsaktie. 

Besonders profitieren von der Ausschüttung werden jedoch die Erben der Familie Quandt, die sowieso zu den vermögendsten Deutschen zählen. Stefan Quandt hält 25,8 Prozent der BMW-Anteile und bezieht somit für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Dividende von 425 Millionen Euro. Seine Schwester Susanne Klatten bekommt für ihre 20,9 Prozent 344 Millionen Euro. 

BMW-Chef will staatliche Unterstützung in Corona-Krise - kommt die Abwrackprämie 2.0?

Zwar forderte Zipse auf der Hauptversammlung wörtlich nicht erneut eine Prämie für Neuwagenkäufe, indirekt jedoch pochte er weiter auf staatliche Hilfen. Es brauche ein steuerfinanziertes „Konjunkturpaket für die gesamte Wirtschaft“, die Autoindustrie trage die deutsche Volkswirtschaft und sichere 830.000 Arbeitsplätze im Land, argumentierte der Konzernchef vor. Je schneller die Autobranche somit wieder in Gang komme*, desto besser sei es für die Konjunktur und den Arbeitsmarkt* in Deutschland. 

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Video: Autobranche will neue Kaufprämien für Neuwagen in Coronavirus-Krise

Corona-Krise: Quandt-Erben profitieren von BMW-Ausschüttung - Empörung bleibt nicht aus

Kritik an der Milliarden-Ausschüttung und der gleichzeitigen Einforderung von staatlichen Hilfen wurde umgehend laut. Auch Ministerpräsident Söder traf die Empörung. Über Twitter polterte beispielsweise der Linken-Bundestagsabgeordnete Fabio von de Masi: „BMW lobbyiert für staatliche Kaufprämien für Autos, die Quandts und Klattens überweisen Parteispenden an Union und die Mehrheit schaut in die Röhre! Wer dies zulässt, trägt Mit-Verantwortung für Ohnmacht, Spaltung und Wut in Deutschland!“

Die Greenpeace-Aktivistin Marion Tiemann sieht einen Imageschaden für BMW gegeben, der vergleichbar sei mit dem Shitstorm gegen Adidas, H&M und Deichmann*, die zu Beginn der Corona-Krise im März ankündigten, Mietzahlungen für ihre Geschäfte einfrieren zu wollen. Diese Firmen hätten doch schon vorgemacht „wie so ein Mangel an Gemeinschaftsgefühl ankommt.“

SPD-Generalsekretär über BMW-Dividende in Corona-Zeiten: „Unmoralisch“

Dass Söders Projekt einer Neuwagenprämie, das er zusammen mit den Regierungschefs der „Autoländer“ Baden-Württemberg und Niedersachsen, dem Grünen Winfried Kretschmann sowie dem Sozialdemokraten Stephan Weil, forciert, nun unwahrscheinlicher geworden ist, macht ein Statement des SPD-Generalsekretärs deutlich. Im Interview mit der taz sagte Lars Klingbeil in Bezug auf BMW: „Ich finde es aber unmoralisch, Kurzarbeitergeld zu kassieren und gleichzeitig Dividenden zu zahlen“. Und zu einer möglichen Neuauflage einer Abwrackprämie verkündete der einflussreiche Politiker von Söders Bund-Koalitionspartner SPD: „Wir sollten jetzt der Automobilindustrie klug helfen – aber nicht mit einer Prämie Richtung Vergangenheit.“

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Prämie für Neuwagen: Auf Söder, Weil und Kretschmann wartet viel Überzeugungsarbeit 

Und nicht nur aus dem linken Lager wird Kritik an der Dividendenausschüttung laut. Auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DWS) äußerte ernsthafte Bedenken. "Es stellt sich die Frage, ob selbst eine solche Ausschüttung gerechtfertigt ist, nachdem im Jahr 2020 wohl kein Gewinn erzielt werden kann, die Autoindustrie und auch BMW vom Staat eine Kaufprämie für neuproduzierte PKW fordert und immerhin 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit sind. Muss man in dieser Situation nicht eher sein Pulver trocken halten?", hinterfragte DSW-Vizepräsidentin Daniela Bergdolt laut ARD.

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Es scheint so, als warte nun noch mehr Überzeugungsarbeit in Berlin auf die Ministerpräsidenten Söder, Weil und Kretschmann, um den Weg freizumachen für neue staatliche Hilfe für die Automobilindustrie. Unterdessen gibt es offizielle Zahlen zur Entwicklung der deutschen Wirtschaft in der Corona-Krise - sie zeigen wenig Positives.

In ähnlichen Schwierigkeiten steckt Lufthansa: Wegen Tochterfirmen in sogenannten Steueroasen kommt der Konzern beim Rettungspaket in der Corona-Krise in Bedrängnis. VW hat massive Probleme bei einem Golf-Modell und anderen Marken.

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