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Coronavirus-Zahlen steigen: Pikante Recherche offenbart ein Problem, das RKI nicht auf dem Schirm hat

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Das unterschiedliche Vorgehen der Bundesländer spielt wohl eine Rolle für den Anstieg der Corona-Zahlen. Als weitere Schwachstelle erscheint die Nachverfolgung von Kontaktpersonen.

Berlin - Die Entwicklung der Corona-Infektionen in Deutschland bereitet der Bundesregierung Sorgen. Daher steht das Bundeskanzleramt in Berlin im engen Austausch mit den Bundesländern, um eine gemeinsame Linie bei den Maßnahmen im Kampf gegen das Virus Sars-CoV-2 voranzutreiben.

In einem Gespräch zwischen Kanzleramtschef Helge Braun und den Staatssekretären warnte der Vertraute der Kanzlerin offenbar, dass der Anstieg von Corona-Fallzahlen auch an den unterschiedlichen Vorgehensweisen innerhalb der Republik liegen könne. Eine Auswertung der deutschen Gesundheitsämter verdeutlicht weitere Umstände, die für den erneuten Anstieg der Corona-Zahlen womöglich mitverantwortlich sind.

Corona in Deutschland: Auffällige Unterschiede bei Zahlen der Gesundheitsämter

Aus einer Untersuchung der Süddeutschen Zeitung, WDR und NDR geht hervor, dass es zwischen den Bundesländern auffällige Unterschiede bezüglich der ermittelten Kontaktpersonen von Infizierten gibt. Offiziell gibt es demnach keine Stelle, die von den Gesundheitsämtern ermittelte Daten bündelt und auswertet. Ebenfalls keine Klarheit herrsche darüber, wie gut es diesen letztlich gelingt, Infektionsketten ausfindig zu machen.

SZ sowie die beiden öffentlichen TV-Anstalten fragten selbst nach, bei allen 380 Gesundheitsämtern in Deutschland. Auskunft gegeben wurde über den Monat August 2020 jedoch nur von 152 Ämtern und damit nicht mal der Hälfte. Corona-Infizierte hatten demnach durchschnittlich „engen" Kontakt mit 4,9 Personen. Was das bedeutet? Enge Kontaktpersonen sind nach den Kriterien des Robert Koch-Instituts (RKI) Menschen, die in den Tagen der Ansteckungsgefahr mindestens 15 Minuten lang näher als 1,5 Meter gekommen sind. 

Das Problem liegt letztlich wiederum an großen regionalen Unterschieden: Denn wie unter anderem Tagesschau.de berichtet, gibt es enorme Abweichungen, die unrealistisch erscheinen: wie zum Beispiel Sachsen (9,8 Kontaktpersonen) und Bayern (1,7). Noch größer seien die Unterschiede auf Landkreisebene. Auch die Gesundheitsämter wissen dem Bericht nach nicht, woher diese zum Teil deutliche Diskrepanz kommt. Tübingen (Baden-Württemberg) ermittelte lediglich 1,7 Kontaktpersonen, Leipzig 25 pro Corona-Infiziertem. Bedeutet das, dass in einigen Bundesländern hartnäckiger nachverfolgt wird, als in anderen?

Corona-Infektionszahlen in Deutschland: Ein großes Problem der Nachverfolgung von Kontaktpersonen

Ein Grund für die großen Abweichungen könnte somit sein, dass keine zentrale Stelle die Zahlen der Gesundheitsämter analysiert und vergleicht. Wäre diese Maßnahme nicht etwas für das Robert-Koch-Institut? Das RKI teilte mit, dass es hierzu keine Erkenntnisse habe und keine Daten vorlägen.

Ein weiteres Problem - und das ist länger bekannt - ist das verbreitete Verhalten, auf Gästelisten von Bars und Restaurants falsche Namen anzugeben. Gastronomen sind darauf angewiesen, dass die Zettel richtig ausgefüllt sind. Doch die Fälschungsquote ist beträchtlich, es werden munter falsche Namen oder Telefonnummern eingetragen. Auch dieses Verhalten torpediert eine sorgfältige Nachverfolgung von Kontaktpersonen bei einer Corona-Infektion*.

Diese Eigenart kommt übrigens auch häufig beim Ausfüllen von Aussteigekarten bei Flugreisen vor, wie Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst, den Autoren mitteilte. Doch hier scheint Besserung in Sicht: Demnach sollen künftig Bundespolizisten die Namen auf der Karte mit dem Pass abgleichen.

Corona-Pandemie: Kritik an Bayern wegen vermeintlichem "Maulkorb" für Gesundheitsämter

Ein anders gelagertes Hindernis gibt es dem Bericht zufolge in Bayern*, wo pro Einwohner die meisten Corona-Todesfälle zu verzeichnen seien: So verpasse die bayerische Staatsregierung ihren Gesundheitsämtern einen „Maulkorb“ für Presseanfragen. Dies soll laut SZ sowie NDR und WDR bereits im März geschehen sein und sei ein Grund, warum die Ämter in Bayern nur zäh über ihre Daten zur Ermittlung von Kontaktpersonen informieren. Oft wurde dann auf die bayerische Landesregierung verwiesen, die habe sich jedoch auf neuerliche Nachfrage geweigert, Daten herauszugeben.

So bleibt der Freistaat laut der Autoren eine „Black Box“ (Sueddeutsche Zeitung) im Hinblick auf die Ergebnisse der Gesundheitsämter: Weder sei klar, wie viele Kontaktpersonen die Ämter ermitteln, noch wie effektiv die Schutzmaßnahmen sind. Zwei Gesundheitsämter hatten die Anfrage beantwortet: Neu-Ulm und das Berchtesgadener Land, die eine erstaunlich niedrige Anzahl von Kontaktpersonen pro Infiziertem (1,6 im Schnitt) aufweisen.

Virologe Christian Drosten sagte nun, das Coronavirus wird auch Deutschland noch für lange Zeit beschäftigen. Er bezeichnet die Pandemie nicht als wissenschaftliches Phänomen, sondern als Naturkatastrophe:

Doch auch eine Mutation könnte zur rasanteren Verbreitung des Virus führen. (PF) *Merkur.de ist ein Angebot des Ippen-Digital-Netzwerks

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