„Viele Politiker (...) können da auch mal ganz schön Druck ausüben und sagen: 'Ich will diese Verantwortung nicht auf meinen Schultern haben, ich möchte die Verantwortung lieber in einem wissenschaftlichen Manuskript sehen'. Um da dann eine Zahl herauszunehmen und zu sagen: 'Das steht doch schwarz auf weiß da geschrieben.“
Dieser Druck sei jedoch äußerst problematisch, wie Drosten an einem Beispiel ausführt: „Dann kommen wir in diesen, wie ich finde, etwas gefährlichen Bereich rein, dass dann – sagen wir mal – einem Institutsdirektor zum Beispiel gesagt wird: 'Du bist doch hier der Chef vom Ganzen. Wir brauchen jetzt Zahlen von deinen Mitarbeitern.'“
Drosten weiter: „Und dann geht der Direktor zu seinen Mitarbeitern und sagt: 'Unsere Tabellen sind zwar erst halbvoll, aber der Minister will jetzt, dass wir etwas veröffentlichen. Jetzt nehmen wir die halben Tabellen und schreiben die schon mal zusammen'“.
Die aus verfrühten Ergebnisse resultierenden Folgen können verheerend ausfallen und würden teils auch dadurch befeuert, dass die Vorauswertung einer Studie oftmals auch von der Pressestelle und nicht von Wissenschaftlern präsentiert werden: „Und schon ist eine Fehlinformation in der Welt.“
Japan vermeldet, die Corona-Krise weitgehend unter Kontrolle zu haben. Könnte das Land Vorbild für Deutschland sein? Das sagt Virologe Christian Drosten dazu.
Der mutmaßlich ausgeübte Druck seitens der Politik ist unterdessen nicht das einzige Ärgernis für Drosten, über das er sich in seinem Podcast Luft macht. Dem 48-Jährigen stört der Umgang mit seiner Person.
„Es geht aktuell in die falsche Richtung. Die Wissenschaft wird in den Medien zu sehr polarisiert. Nicht nur ich als Person. Politiker nennen inzwischen meinen Namen in Talkshows, was ich eine Unverschämtheit finde und eine vollkommene Irreführung der Öffentlichkeit und auch der politischen Meinungsbildung.“
Der Personenkult berge Gefahren, denn „hier wird vom Inhalt abgelenkt auf eine Person, der man alle möglichen Eigenschaften anhängen kann, nur nicht den Inhalt der Diskussion. Und das ist wirklich so langsam gefährlich“, sagt der Professor.
Im Mai nennt Virologe Christian Drosten die ideale Reproduktionszahl - sie ist erstaunlich hoch. Jürgen Klopp steht Drosten nun im Bild-Zoff zur Seite und regt sich fürchterlich über den Umgang mit dem Wissenschafter auf.
as
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