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Corona-Virologe Drosten platzt vor Merkel-Gipfel der Kragen: „Eine Unverschämtheit“

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Christian Drosten stört das derzeitige Agieren der Politik.
Christian Drosten stört das derzeitige Agieren der Politik. © dpa / Bernd von Jutrczenka

Derzeit schaut jeder auf Politik und Wissenschaft. Dass beide Parteien dabei nicht immer Hand in Hand agieren, stört Christian Drosten. Der Virologe ärgert sich.

Hamburg - Er gilt als führender Virologe in Deutschland und ist in der momentanen Krisenzeiten einer der gefragtesten Menschen des Landes - Christian Drosten. In der neu gewonnenen Popularität sieht der Leiter der Virologie an der Berliner Charité jedoch nicht nur Vorteile. Vor allem der Umgang aus der Politik mit seiner Person stößt dem 48-Jährigen negativ auf. 

Corona in Deutschland: Christian Drosten über Druck der Politik - Negativbeispiel aus Australien

In seinem NDR-Podcast „Coronavirus Update“ sprach Drosten über den derzeitigen Druck auf Virologen und Experten. Der gebürtige Emsländer kritisiert vor allem die mangelnde Geduld aus der Politik. Zu schnell würden von der Wissenschaft* Ergebnisse gefordert werden. 

Drosten erklärt dies mit einer Studie aus Australien. An 15 ausgewählten Schulen hätten sich insgesamt nur jeweils neun Schüler und Lehrkräfte infiziert - eine extrem positive Statistik. Das Problem: Die Zahlen entsprachen lediglich einer Vorauswertung der Studie, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal zur Hälfte ausgewertet war. 

Corona in Deutschland: „Ein Beispiel dafür, wie die Wissenschaft im Moment politisch unter Druck steht“

Die Ergebnisse waren dennoch veröffentlicht worden. Die New York Times hatte darüber berichtet und die kanadische Regierung die Studie in ihre Schulöffnungspläne mit aufgenommen. Ein Ärgernis laut Drosten, der die Publikation verfrühter Ergebnisse auf die Ungeduld der Politik zurückführt: „Das ist ein Beispiel dafür, wie die Wissenschaft im Moment politisch unter Druck steht.“ 

Untersuchungen zum Coronavirus in der Charite Berlin
Vonseiten der Politik würden aktuell zu schnell Ergebnisse gefordert werden. Christian Drosten fordert mehr Geduld © dpa / Christophe Gateau

Drosten äußert zwar Verständnis dafür, dass die Politik auf baldige Entscheidungen angewiesen sei, er könne dies „als Privatperson verstehen“, bittet jedoch insgesamt um mehr Geduld.

Corona in Deutschland: Zu schnelle Veröffentlichungen gefordert? Druck auf die Wissenschaft

„Viele Politiker (...) können da auch mal ganz schön Druck ausüben und sagen: 'Ich will diese Verantwortung nicht auf meinen Schultern haben, ich möchte die Verantwortung lieber in einem wissenschaftlichen Manuskript sehen'. Um da dann eine Zahl herauszunehmen und zu sagen: 'Das steht doch schwarz auf weiß da geschrieben.“

Dieser Druck sei jedoch äußerst problematisch, wie Drosten an einem Beispiel ausführt: „Dann kommen wir in diesen, wie ich finde, etwas gefährlichen Bereich rein, dass dann – sagen wir mal – einem Institutsdirektor zum Beispiel gesagt wird: 'Du bist doch hier der Chef vom Ganzen. Wir brauchen jetzt Zahlen von deinen Mitarbeitern.'“

Christian Drosten: „Und schon ist eine Fehlinformation in der Welt“

Drosten weiter: „Und dann geht der Direktor zu seinen Mitarbeitern und sagt: 'Unsere Tabellen sind zwar erst halbvoll, aber der Minister will jetzt, dass wir etwas veröffentlichen. Jetzt nehmen wir die halben Tabellen und schreiben die schon mal zusammen'“.

Die aus verfrühten Ergebnisse resultierenden Folgen können verheerend ausfallen und würden teils auch dadurch befeuert, dass die Vorauswertung einer Studie oftmals auch von der Pressestelle und nicht von Wissenschaftlern präsentiert werden: „Und schon ist eine Fehlinformation in der Welt.“

Japan vermeldet, die Corona-Krise weitgehend unter Kontrolle zu haben. Könnte das Land Vorbild für Deutschland sein? Das sagt Virologe Christian Drosten dazu. 

Coronavirus Christian Drosten ärgert sich über die Politik: „Eine Unverschämtheit“ 

Der mutmaßlich ausgeübte Druck seitens der Politik ist unterdessen nicht das einzige Ärgernis für Drosten, über das er sich in seinem Podcast Luft macht. Dem 48-Jährigen stört der Umgang mit seiner Person.

„Es geht aktuell in die falsche Richtung. Die Wissenschaft wird in den Medien zu sehr polarisiert. Nicht nur ich als Person. Politiker nennen inzwischen meinen Namen in Talkshows, was ich eine Unverschämtheit finde und eine vollkommene Irreführung der Öffentlichkeit und auch der politischen Meinungsbildung.“ 

Der Personenkult berge Gefahren, denn „hier wird vom Inhalt abgelenkt auf eine Person, der man alle möglichen Eigenschaften anhängen kann, nur nicht den Inhalt der Diskussion. Und das ist wirklich so langsam gefährlich“, sagt der Professor.

Video: Virologe Christian Drosten erhielt Morddrohungen

Im Mai nennt Virologe Christian Drosten die ideale Reproduktionszahl - sie ist erstaunlich hoch. Jürgen Klopp steht Drosten nun im Bild-Zoff zur Seite und regt sich fürchterlich über den Umgang mit dem Wissenschafter auf. 

as

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