Zurückhaltender schätzt dagegen der Reisekonzern FTI die Lage ein. „Noch ist der Anteil an Geimpften in der Bevölkerung viel zu gering, als dass ein Impfpass zum jetzigen Zeitpunkt eine echte Veränderung für die Reisebranche und Urlauber bedeuten würde“, sagte Manager Ralph Schiller.
Update vom 28. Februar, 11.53 Uhr: „Wir sollten schon jetzt mit Hochdruck am europäischen Impfpass arbeiten – am besten digital auf dem Smartphone“: Jetzt schwingt auch Außenminister Heiko Maas (SPD*) auf die Linie von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz ein (siehe vorheriges Update) - und kritisiert gleichzeitig: „Wir haben zu oft in dieser Pandemie wichtige Zeit verloren, weil wir für absehbare Probleme nicht frühzeitig Lösungen vorbereitet haben.“ Das sagte Maas der Bild am Sonntag (BamS).
Den digitalen Impfpass wünsche er sich dem Bericht zufolge zum Sommer - sofern es Gewissheit gebe, dass Geimpfte deutlich weniger ansteckend seien.
„Ich jedenfalls gönne älteren Menschen oder chronisch Kranken, die doch in besonderem Maße unter dieser Pandemie gelitten haben, dass sie ihre Freiheiten schnellstmöglich wieder zurückerlangen“, zitiert die BamS Maas weiter. Und: Diese „Zuerst-Geimpften“ nähmen „Später-Geimpften“ nichts weg.
Update vom 27. Februar, 14.10 Uhr: Die Idee eines europaweiten Corona-Impfausweises stößt nicht überall auf Gegenliebe. Unter deutschen Politikern mehren sich die kritischen Stimmen. Auch der CDU-Vorsitzende Armin Laschet zeigte sich skeptisch.
Wie er der Koblenzer „Rhein-Zeitung“ sagte, hält der NRW-Landeschef den EU-Beschluss zwar grundätzlich für „in Ordnung“. Laschet ergänzte aber: „Auf Dauer dürfen wir die Menschen aber nicht einteilen in Geimpfte und Nicht-Geimpfte.“ Stattdessen sollte man Grundrechtseingriffe zurückzunehmen und „Leben wieder möglich“ machen, befand der Christdemokrat. Das müsse man „nicht nur für die, die geimpft sind“ anstreben.
Erstmeldung vom 27. Februar, 12.09 Uhr: Brüssel - Eine Mehrheit der Deutschen hätte gerne einen Corona-Impfpass so wie Israel*. Das Land gibt bereits Geimpften viele Freiheiten zurück. Bis es hierzulande so weit ist, gibt es allerdings noch viele Hürden - politische und technische.
Beim EU-Gipfel diese Woche setzte sich die Idee zumindest teilweise durch. Der Beschluss war dürr: „Wir rufen dazu auf, dass die Arbeit an einem gemeinsamen Ansatz für Impfzertifikate weiter geht und werden uns damit wieder befassen“, heißt es in der Gipfelerklärung. Offiziell ist das kaum mehr als der Grundsatzbeschluss vom Dezember, dass man so einen Impfpass will.
Der politische Druck von Urlaubsländern wie Österreich*, Griechenland*, Zypern und Spanien* war aber so groß, dass nun zumindest ein Zeitrahmen genannt wird: Drei Monate sollen die technischen Vorbereitungen dauern, also etwa bis Ende Mai. Technisch wäre man damit vor der Sommersaison startklar.
Wie der Impfpass aussieht, könnte in jedem EU-Staat unterschiedlich sein - ob auf Papier oder elektronisch. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU*) plant Folgendes:
Das Europäische am Impfnachweis: Die nationalen Lösungen sollen von vorneherein kompatibel aufgesetzt und verknüpft werden, so dass sie überall in der EU einfach und personenbezogen ausgelesen werden können. Denkbar ist etwa ein personalisierter QR-Code wie bei einem Bahnticket, den man sowohl auf Papier als auch auf dem Smartphone bei sich tragen könnte.
„Wir wollen möglichst schnell wieder zurück zur Normalität, unser altes Leben wiederhaben und ein Maximum an Freiheit“, twitterte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz zu dem Thema. Er und andere wollen ganz klar eine Verknüpfung mit Vorteilen für Corona-Geimpfte: einfacheres Reisen, aber auch Zugang zu Restaurants oder Theatern.
Die eigentlich heikle Frage, was man mit dem Impfpass anfangen kann, blieb beim EU-Gipfel allerdings offen. Deutschland und andere zögern. Bundeskanzlerin Angela Merkel* (CDU) sagte, es sei nicht so, dass künftig nur reisen dürfe, wer einen Impfpass habe. „Darüber sind überhaupt noch keine politischen Entscheidungen getroffen.“ Warum bremst Deutschland? Es gibt drei Argumente:
Das Gegenargument lautet, die Aussicht auf Bewegungsfreiheit könnte Skepsis überwinden helfen.
Selbst wenn Deutschland sich gegen Vorteile für Geimpfte im eigenen Land wenden sollte, könnte zum Beispiel Griechenland entscheiden, Menschen mit Corona-Impfpass die Quarantäne zu erlassen. Zwei Hürden sind aber vorher zu nehmen: Die technische Vorbereitung binnen drei Monaten wäre für EU-Verhältnisse sehr fix - zähe Projekte wie das gemeinsame Formular zur Nachverfolgung von Reisebewegungen oder die Verknüpfung von Tracing-Apps lassen nichts Gutes ahnen.
Der Impfpass sei aber in der Frist technisch machbar, hieß es am Freitag aus der EU-Kommission. Technische Eckpunkte wurden schon Ende Januar vereinbart. Und dann wäre da die Zahl potenzieller Nutzer: Erst nach Massenimpfungen wäre der Ausweis überhaupt relevant. (dpa/frs) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA