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„Das ist falsch!“: Virologe greift bei Maischberger Merkels Strategie an - aber sieht zwei „beruhigende Trends“

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Virologe Stefan Willich in der „Maischberger“-Sendung (ARD)
Virologe Stefan Willich in der „Maischberger“-Sendung (ARD) © Screenshot: ARD Mediathek

Wie lange sollen die Ausgangsbeschränkungen der Bundesregierung noch gelten? Bei „Maischberger“ (ARD) hat ein Virologe eine klare Empfehlung für die Shutdown-Debatte.

Berlin - ARD-Moderatorin Sandra Maischberger war sichtlich ungeduldig, wenige Stunden nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Ausgangsbeschränkungen verlängert hatte, diese Frage zu stellen: Nach welcher Maßgabe soll man jetzt bestimmen, wann der Shutdown* beendet werden kann? Was ist das für eine Maßgabe der Bundesregierung? Die möchte erst über Lockerungen der Corona-Maßnahmen* nachdenken, wenn sich die Coronavirus-Infektionen nicht mehr alle fünf, sondern nur noch alle zehn Tage verdoppeln (inzwischen spricht Merkel in der Sache übrigens von „12, 13, 14 Tagen“.)

Corona-Talk bei Maischberger (ARD): Jakob Augstein attackiert Merkel

Die Antwort ihres Talk-Gasts Stefan Willich, Virologe an der Charité Berlin, war niederschmetternd: Diese Zahl, zehn, sei für ihn „nicht belastbar“. Er fuhr fort: „Ich glaube, die wurde in die Welt gestellt, um das Durchhalten zu stimulieren - und ich denke, das ist falsch.“ Die Kritik des 61-Jährigen an Merkel und der Bundesregierung endet hier nicht, auch wenn er zu den Ausgangsbeschränkungen sagt: „Der Epidemiologe in mir sagt, wir sollten noch zwei, drei Wochen warten bis sich die Trends stabilisieren.“

Auch Welt-Journalistin Claudia Kade kritisiert Merkel. In Österreich gilt nun die Atemschutzmaskenpflicht, aber für Merkel seien die „eigentlich nur Virenschleudern“, meint sie - und forderte, dass von der Bundesregierung „fundiert nachgelegt wird“. Außerdem fand sie es „verheerend, dass Angela Merkel den Deckel drauflegen will“. Jakob Augstein vom Freitag pflichtete ihr bei. Dass Merkel noch nicht über eine Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen sprechen wolle, halte er für „echt verantwortungslos“.

Virologe zu Corona-Daten bei Maischberger (ARD): „Sehr, sehr gute Nachrichten“

Für Willich wiederum sind die zirkulierenden Zahlen der Infektionsfälle im Land aktuell noch „völlig spekulativ“ - er legt den Fokus lieber darauf, was über die Sterblichkeit bei der Erkrankung bekannt ist - aus sozialmedizinischer und präventiver Sicht sei eben „ganz wichtig“, zu wissen, wen man besonders schützen müsse. In Italien* liege die Sterblichkeit gerade bei zehn Prozent, sagt Maischberger besorgt.

Willich begegnet ihr mit Optimismus und berichtet aus der Corona-Forschung*: „Für Deutschland wissen wir, dass zwei Drittel der Todesfälle über 80 Jahre alt sind, 30 Prozent sind zwischen 60 und 80 Jahren, und fünf Prozent sind unter 60 Jahren. Das sind erstmal sehr, sehr gute Nachrichten, denn wir wissen, dass für einen ganz großen Teil der Bevölkerung dieser Virus nicht gefährlich ist, zum Beispiel Kinder und Jugendliche. Es gibt keinen einzigen Todesfall, weder in Italien noch in Deutschland.

Kinder und Jugendliche in Corona-Krise: Maischberger (ARD) hakt nach

Das kann Maischberger so gar nicht glauben und erinnert an den 13-Jährigen in London und die 16-Jährige in Frankreich, die jetzt an den Folgen einer Coronavirus-Infektion gestorben sind. „In der Medizin gibt es immer extreme Ausnahmefälle“, kontert Willich. „Aber in Italien reden wir von Tausenden von Toten - mit keinem einzigen jugendlichen Todesfall. In Deutschland immerhin von fast Tausend. Das ist unglaublich beruhigend.“ Man müsse sich nun auf den Schutz der Hochrisiko-Gruppen fokussieren.

Virologe attackiert Angela Merkel (CDU) - und hat auch Lob für Kanzlerin

Willich führt weiter aus, auf welche Zahl man bei der Shutdown-Debatte statt der Infektionsfälle lieber achten sollte: die der Patienten, die auf die Intensivstation kommen. „Viele Modelle sind am Anfang von fünf Prozent ausgegangen“, sagt er. „Für Berlin kann ich im Moment sagen, sind es weniger als ein Prozent.“ Auch das sei „erstmal sehr, sehr beruhigend“. 

Auch im internationalen Kontext sieht Willich seit mehreren Tagen einen „sehr beruhigenden“ Trend: Dass die Fallzahlen in Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich stabil blieben - in diesen Ländern mit strikten Ausgangssperren. Aber „interessanterweise“ eben auch in Holland (noch geöffnete Geschäfte) und in Schweden (noch geöffnete Schulen). „Was heißt das nun?“, fragt Maischberger. „Dass diese restriktiven Maßnahmen nicht der entscheidende Faktor sind“, antwortet Willich. Sondern die persönlichen Schutzmaßnahmen: Händewaschen, Husten in die Armbeuge, Abstandhalten.

Die Schutzmaßnahmen müsse man wegen der Hochrisiko-Gruppen auch nach dem Ende des Shutdowns und des Kontaktverbots* beibehalten. Statt Ausgangsbeschränkungen sei es viel wichtiger und sinnvoller, dass Politiker an „diese Verantwortung appellieren, „und ich glaube, Frau Merkel macht das im internationalen Vergleich ganz gut“

Wie die erneuten positiven Tests von bereits Geheilten aus Südkorea zu bewerten sind, besprach Christian Drosten jetzt mit dem NDR. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht im Talk von Frank Plasberg indes kein baldiges Ende der Krise.

Am 3. Juni findet dann die vorerst letzte Folge vor der Sommerpause von Maischberger* statt. 

frs

Derweil wütet in Tschernobyl ein heftiges Feuer. Radioaktiv besetzte Rauchwolken könnten nun zum Problem werden - auch für Deutschland?

*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwers.

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