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Denunziation? Aufregung um Söder, Lauterbach und Corona-Regeln - „Das muss vom Tisch“

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Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, nimmt im Anschluss an die Kabinettssitzung an einer Pressekonferenz teil, wobei er eine Maske trägt.
Corona in Bayern: Ministerpräsident Markus Söder äußert sich auf einer Pressekonferenz. © Peter Kneffel/dpa

Privatpartys sind in Corona-Zeiten tabu. Doch sollte die Politik Nachbarn zur Überwachung einspannen? Die Debatte schlägt hohe Wellen - das böse Wort „Denunziantentum“ macht die Runde.

München/Mainz - In einem Punkt sind sich (fast) alle Parteien einig: Die Corona-Lage in Deutschland ist ernst. Bei der Frage, wie die exponentiell steigenden Infektionszahlen der zweiten Welle* in den Griff bekommen werden sollen, endet der Konsens aber häufig. Aktuell wollen Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten bei der Freizeit der Deutschen zupacken, um Kontakte zu minimieren. Doch wie ist dabei die„Verhältnismäßigkeit“ zu wahren? Gleich mehrere Debatten eskalierten diese Woche - wohl ein Hinweis darauf, wie sensibel das Thema ist.

Corona in Deutschland: Nachbarn gegen Regelbruch? „Dann kommt eben die Polizei“

Neben dem teuren Aus für Gastronomie und Veranstaltung steht vor allem das Privateste der Menschen im Land im Fokus: Ihre Wohnungen. SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat sich an diesem Punkt schon mit einer missverständlichen Aussage in die Nesseln gesetzt. Und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder steht in der Kritik. Die FDP, mit der der CSU-Politiker ohnehin schon im Clinch lag, ist von mindestens einer Formulierung schwer alarmiert - das Wort Denunziation steht im Raum.

Denn Söder sieht bei der Einhaltung der Kontaktbeschränkungen auch die Nachbarn als wichtige Hinweisgeber. Wie bei einer Ruhestörung könnten „die Nachbarn ja entsprechende Hinweise geben“. Dann komme eben die Polizei. In Bayern dürfen aktuell maximal zehn Personen aus zwei Haushalten zusammentreffen - auch in den eigenen vier Wänden.

Corona-Streit zwischen CSU und FDP: Lindners General warnt vor „Denunziantentum“ - Blume entsetzt

Für die Liberalen war diese Formulierung ein No-Go. „Wenn Herr #Söder Nachbarn auffordert, ihre Nachbarn zu kontrollieren, ist das eine Aufforderung zum Denunziantentum“, erklärte FDP-Generalsekretär Volker Wissing am Donnerstagabend in einem Tweet. Seine Frage, ob das wirklich „die Art und Weise“ sei, „wie wir als Demokratie und Rechtsstaat Corona bekämpfen wollen“, durfte getrost als rhetorische verstanden werden.

CSU-Amtskollege Markus Blume konterte in noch heftigeren Worten. Wissing verbreite „Fake News“, erwiderte er. Das sei „Ausdruck von politischer Verwahrlosung“. Ein Posting aus Reihen der Jungen Liberalen brachte Blume sogar noch mehr in Rage. Der verwendete Hashtag „#SöDDR“ veranlasste den CSU*-General dazu, Parteichef Christian Lindner persönlich anzusprechen: „Ist sowas euer Ernst?“, fragte er Richtung FDP-Zentrale. Bereits vergangene Woche waren die beiden früheren Koalitionspartner FDP und CSU angesichts der Corona-Politik heftig aneinandergeraten.

Privatwohnungen plötzlich bei Corona-Regeln im Fokus: Klarstellung aus Söders und Merkels Ämtern

Beide Seiten bemühten sich rasch, die Wogen zu glätten. Aus der Bayerischen Staatskanzlei war noch am Donnerstag der Hinweis gekommen, Söders Worte seien nicht als Aufruf zur Denunziation zu verstehen. Die Polizei dürfe auch die Wohnung nicht betreten, stellte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) klar. „Herr Blume, das sind JuLis. Die schießen mal übers Ziel hinaus“, erklärte FDP-Landtagsfraktionschef Martin Hagen. Nicht ohne den Hinweis: Es sei „beruhigend“, wenn Bericht über einen Aufruf zur Denunziation nicht zuträfen.

Söder selbst bemühte sich am Freitag in seiner Regierungserklärung im bayerischen Landtag genau das zu bestätigen. „Ich darf ausdrücklich sagen, es gibt auch keinen Aufruf, da Hinweise zu geben“, sagte der CSU-Chef. Im öffentlichen Raum werde die Polizei beispielsweise die Maskenpflicht kontrollieren. In der Wohnung „natürlich nicht“. „Da ist auch keine Änderung geplant“, erklärte Söder.

Die Debatte über Kontrollen in privaten Räumen war zuvor durch Äußerungen Lauterbachs entfacht worden. Lauterbach hatte in einem Interview gesagt, die Unverletzbarkeit der Wohnung dürfe kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein. „Wenn private Feiern in Wohnungen und Häusern die öffentliche Gesundheit und damit die Sicherheit gefährden, müssen die Behörden einschreiten können“, hatte Lauterbach in der Rheinischen Post vom Mittwoch gefordert. Später stellte Lauterbach klar, er habe nur gefordert, dass „verbotene private Feiern auch kontrolliert werden“. Der SPD-Politiker klagte in einem Tweet über Mordaufrufe gegen seine Person.

Am Freitag meldete sich auch Angela Merkels Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) zu Wort. Er erklärte im Radiosender Bayern2, „proaktive Kontrollen“ bei Privathaushalten werde es nicht geben. „Das ist ja auch heute so, wenn man Abends eine Party macht, die zu laut ist, dann klingelt möglicherweise mal die Polizei an der Tür - und wenn jetzt hier die Regeln nicht eingehalten werden und es gibt Beschwerden, kann das auch zukünftig der Fall sein.“ NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) stellte am Freitag auch das Vorgehen in seinem Bundesland klar.

Corona-Partys unterbinden: „Das muss - nicht nur in Bayern - sofort vom Tisch“ - Streit um Rolle der Nachbarn

Beendet scheint die Debatte damit aber noch nicht - zumal der rhetorische Grat zwischen Aufruf zur Denunziation und Einhaltung der Regeln schmal wirkt. In den sozialen Netzwerken gehen die Meinungen weit auseinander. „Aufforderung zur Denunziation? Das muss - nicht nur in Bayern - sofort vom Tisch, wenn wir den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nicht dauerhaft beschädigen wollen“, warnte am Freitag der frühere brandenburgische CDU-Minister und bayerische Ministerialmitarbeiter Kurt Schelter in einem Tweet.

Die Reaktionen auf seine Intervention bildeten das Meinungsspektrum ab: „Stimmt, es wäre ja auch das erste Mal, dass Deutsche die Polizei wegen Partylärm anrufen“, lautete ein sarkastischer Kommentar. „Gibt ja irgendwie noch einen Unterschied zwischen um 3 Uhr morgens die Polizei rufen, weil im Mietshaus eine fette Party geht, wenn man am nächsten Tag um 7 raus muss, und die Nachbarn anschwärzen wie zu DDR-Zeiten“, ein anderer.

Und auch Christian Lindner schoss am Freitag in Richtung CSU zurück. Blume werfe seinem Generalsekretär „demokratische Verwahrlosung“ vor, weil dieser um Bürgerrechte fürchte und an das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit erinnere. „Das spricht für sich“, lautete Lindners Fazit. Einschränkungen für private Treffen hatte es übrigens in Bayern auch schon im ersten Lockdown gegeben - ohne Hinweis auf die Polizei. Und ohne großen Streit. (fn) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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