Erstmeldung: Berlin - „Wie soll das alles weitergehen?“: Lehrer in Bayern sehen in der Corona-Politik der Staatsregierung „die Grenze der Zumutungen erreicht“. Der Bayerische Philologenverband (BPV) kritisierte ein Testchaos und „ein unausgegorenes und praxisfernes Hauruckverfahren“ - und stellte in einer Mitteilung diese drastische Frage.
Grund ist die Ankündigung, Schüler vor Unterrichtsbeginn einem freiwilligen Corona-Selbsttest zu unterziehen. Die bayerischen Lehrer müssten die Testungen vor Ort organisieren und beaufsichtigen - „und werden nicht nur mit den Ängsten um ihre eigene Gesundheit und die der Schüler alleine gelassen“, hieß es.
„Es gibt keine Altersgruppe, wo der Zuwachs der Fälle derzeit so ausgeprägt ist, wie bei den Kindern und den jungen Erwachsenen“, sagte SPD*-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Freitag. Die immer dominierender werdende britische Mutation* verbreite sich unter ihnen besonders stark - der Aufbau der Schul-Teststrategie müsse deshalb höchste Priorität haben.
Die Öffnung der Schulen am 15. März sieht inzwischen auch die Lehrergewerkschaft VBE als großen Fehler. Zwar habe sie die Entscheidung zu Beginn noch getragen, allerdings sei die Zahl der Corona-Neuinfektionen bis zum 15. März deutlich gestiegen. „Da hätte man handeln müssen“, sagte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand (Baden-Württemberg).
„Die Lehrer hätten in einer Umfrage wissen lassen, dass sie Angst haben zu unterrichten“, fügte Brand hinzu. Die Umfrage sei wegen der nicht ausreichenden Zahl an Rückmeldungen zwar nicht repräsentativ, sie spiegele aber eine eindeutige Tendenz wider. Es fehle an den Grundschulen zudem das Personal, um die Klassen zu teilen. Außerdem sollten Lehrkräfte nach Ansicht des VBE nur unterrichten dürfen, wenn sie ausreichend vor dem Coronavirus geschützt sind. „Die Impfstrategie des Landes hat sich als Katastrophe entpuppt.“
In Baden-Württemberg können sich Erziehende sowie Lehrkräfte impfen lassen. Sie erhalten allerdings den Astrazeneca-Impfstoff, der in den vergangenen Tagen vorsorglich nicht gespritzt wurde.
Die Kultusminister der Länder hingegen sehen die Schul-Öffnungen nicht als Fehler. „Wir ringen um jeden Tag der Präsenzbeschulung“, sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Britta Ernst (SPD). Im Bayerischen Rundfunk fügte sie nach der Pressekonferenz am Freitag hinzu: Man tue Kindern „etwas an“, wenn Schulen monatelang geschlossen blieben.
Die Aussage der Kultusminister sei ja nicht, Schulen um jeden Preis offen zu halten. „Aber was nicht geht, ist, dass andere gesellschaftliche Bereiche offen gehalten werden, wie Baumärkte, und die Schulen geschlossen werden“, so die SPD-Politikerin.
Im Vergleich zu allen anderen Lebensbereichen müssten Schulen am längsten geöffnet bleiben, heißt es nun im KMK-Beschluss vom Freitag. Sie forderten in dem Zusammenhang, dass Lehrkräfte im Präsenzunterricht Vorrang bei der Impfkampagne* bekommen. Das ist an Grundschulen zwar bereits der Fall, aber nicht an weiterführenden Schulen.
Die KMK forderte allerdings auch eine Prüfung, ob bei Schulschließungs-Entscheidungen weiterhin vor allem die 7-Tage-Inzidenz ausschlaggebend sein soll. Die Begründung: Wenn Kinder und Jugendliche nun überall massiv getestet werden, werden automatisch mehr Fälle gefunden - und dadurch steigen auch die Inzidenzwerte. Auch weil die Quote der geimpften Bevölkerung und des pädagogischen Personals steige, müsse der Inzidenzwert anders betrachtet werden.
Die KMK warnte in dem Zusammenhang vor einer Stigmatisierung der Schüler:innen. „Testungen sind ein ganz wichtiger Baustein, um Schulen offen zu halten“, sagte die KMK-Vorsitzende Ernst. Man betrachte das Infektionsgeschehen „mit Sorge“. Kinder und Jugendliche seien jedoch nicht der Motor des Geschehens.
Die Pädagogen-Gewerkschaft VBE plädierte allerdings, die KMK dürfe sich nicht vor Schulschließungen in Gebieten mit sehr hohen Inzidenzen verschließen. „Wir brauchen die klare Definition einer Notbremse für den Schulbereich“, sagte Verbandschef Udo Beckmann. (dpa/AFP/frs) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA