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Corona-Gipfel-Plan sieht Schulen vor dem Aus bei hoher Inzidenz - Lehrer kritisierten Strategie scharf

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Lehrervertreter sprechen von „Ängsten um Gesundheit“ - die Kultusminister hingegen wünschen, dass Schulen so lange wie möglich offen bleiben.

Update vom 22. März, 7.16 Uhr: Schulen sollen trotz Corona „so lange wie möglich“ offenbleiben (siehe Erstmeldung vom 21. März). Das hat KMK-Präsidentin Britta Ernst (SPD) kurz vor dem Corona-Gipfel mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigt.

„Viele Kinder und Jugendliche leiden unter der Pandemiesituation. Damit die Folgen nicht dauerhaft ihr Leben begleiten, liegt die Priorität der Kultusministerinnen und Kultusminister darauf, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten“, sagte die Bildungsministerin von Brandenburg der Bild-Zeitung.

Der Deutsche Lehrerverband widerspricht. Dessen Präsident Heinz-Peter Meidinger sagte der Rheinischen Post (Montagsausgabe): „Wenn es den Bundesländern ernst damit gewesen wäre, Schulen trotz stark steigender Inzidenzzahlen offenzuhalten, hätte man dafür sorgen müssen, dass jetzt Lehrkräfte geimpft und Schulen mit Schnelltests in ausreichender Zahl ausgestattet sind. Davon sind wir aber an 9 von 10 Schulen noch meilenweit entfernt.“

Kinder sitzen in einer ersten Klasse an einer deutschen Grundschule hinter einem offenen Fenster - wegen Corona sind sie im Wechselunterricht.
Szene aus einer deutschen Grundschule im Februar 2021: Wegen Corona sind die Kinder im Wechselunterricht. © Sebastian Gollnow/dpa

Vor Corona-Gipfel: Beschlussvorlage sieht Schulschließungen ab Inzidenz von 200 vor

Update vom 21. März, 20.48 Uhr: Der Entwurf zu den neuen Beschlüssen des bevorstehenden Bund-Länder-Gipfels ist an die Medien gedrungen. Der Entwurf - der Merkur.de* vorliegt - enthält auch eine Passage, die wegen des exponentiellen Wachstums weitere Verschärfungen („zusätzliche Maßnahmen“) für Landkreise mit mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche vorsieht. Der komplette Passus steht aber in eckigen Klammern, was bedeutet, dass darüber verhandelt werden muss, weil er besonders strittig ist.

Unter anderem ist die Rede von einer nächtlichen Ausgangsbeschränkung bis 05.00 Uhr, „sofern dem nicht gewichtige Gründe entgegenstehen“. Die Anfangsuhrzeit ist hier offen gelassen. Zudem wird ins Gespräch gebracht, Schulen und Kitas zu schließen beziehungsweise gar nicht zu öffnen, sofern Erzieher, Lehrer und Schüler oder betreute Kinder nicht zweimal pro Woche getestet werden könnten. Ab einer Inzidenz von 200 könnte es demnach eine Schließung von Schulen und Kitas geben.

Schüler der 11. Klasse sitzen während der Corona-Pandemie mit Abstand zueinander in der Aula ihres Gymnasiums in Dresden.
Schüler der 11. Klasse sitzen während der Corona-Pandemie in der Aula ihres Gymnasiums in Dresden. © Sebastian Kahnert/dpa

Corona: Waren Schulöffnungen ein Fehler? Streit zwischen Lehrern und Ministern - „Notbremse“ gefordert

Erstmeldung: Berlin - „Wie soll das alles weitergehen?“: Lehrer in Bayern sehen in der Corona-Politik der Staatsregierung „die Grenze der Zumutungen erreicht“. Der Bayerische Philologenverband (BPV) kritisierte ein Testchaos und „ein unausgegorenes und praxisfernes Hauruckverfahren“ - und stellte in einer Mitteilung diese drastische Frage.

Grund ist die Ankündigung, Schüler vor Unterrichtsbeginn einem freiwilligen Corona-Selbsttest zu unterziehen. Die bayerischen Lehrer müssten die Testungen vor Ort organisieren und beaufsichtigen - „und werden nicht nur mit den Ängsten um ihre eigene Gesundheit und die der Schüler alleine gelassen“, hieß es.

„Es gibt keine Altersgruppe, wo der Zuwachs der Fälle derzeit so ausgeprägt ist, wie bei den Kindern und den jungen Erwachsenen“, sagte SPD*-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Freitag. Die immer dominierender werdende britische Mutation* verbreite sich unter ihnen besonders stark - der Aufbau der Schul-Teststrategie müsse deshalb höchste Priorität haben.

Lehrergewerkschaft zu Corona-Politik: „Impfstrategie hat sich als Katastrophe entpuppt“

Die Öffnung der Schulen am 15. März sieht inzwischen auch die Lehrergewerkschaft VBE als großen Fehler. Zwar habe sie die Entscheidung zu Beginn noch getragen, allerdings sei die Zahl der Corona-Neuinfektionen bis zum 15. März deutlich gestiegen. „Da hätte man handeln müssen“, sagte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand (Baden-Württemberg).

„Die Lehrer hätten in einer Umfrage wissen lassen, dass sie Angst haben zu unterrichten“, fügte Brand hinzu. Die Umfrage sei wegen der nicht ausreichenden Zahl an Rückmeldungen zwar nicht repräsentativ, sie spiegele aber eine eindeutige Tendenz wider. Es fehle an den Grundschulen zudem das Personal, um die Klassen zu teilen. Außerdem sollten Lehrkräfte nach Ansicht des VBE nur unterrichten dürfen, wenn sie ausreichend vor dem Coronavirus geschützt sind. „Die Impfstrategie des Landes hat sich als Katastrophe entpuppt.“

In Baden-Württemberg können sich Erziehende sowie Lehrkräfte impfen lassen. Sie erhalten allerdings den Astrazeneca-Impfstoff, der in den vergangenen Tagen vorsorglich nicht gespritzt wurde.

Corona-Lockerungen bei Schulen: „Ringen um jeden Tag der Präsenzbeschulung“

Die Kultusminister der Länder hingegen sehen die Schul-Öffnungen nicht als Fehler. „Wir ringen um jeden Tag der Präsenzbeschulung“, sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Britta Ernst (SPD). Im Bayerischen Rundfunk fügte sie nach der Pressekonferenz am Freitag hinzu: Man tue Kindern „etwas an“, wenn Schulen monatelang geschlossen blieben.

Die Aussage der Kultusminister sei ja nicht, Schulen um jeden Preis offen zu halten. „Aber was nicht geht, ist, dass andere gesellschaftliche Bereiche offen gehalten werden, wie Baumärkte, und die Schulen geschlossen werden“, so die SPD-Politikerin.

Im Vergleich zu allen anderen Lebensbereichen müssten Schulen am längsten geöffnet bleiben, heißt es nun im KMK-Beschluss vom Freitag. Sie forderten in dem Zusammenhang, dass Lehrkräfte im Präsenzunterricht Vorrang bei der Impfkampagne* bekommen. Das ist an Grundschulen zwar bereits der Fall, aber nicht an weiterführenden Schulen.

Schul-Öffnung trotz Corona: Kultusminister stellen 7-Tage-Inzidenz in Frage

Die KMK forderte allerdings auch eine Prüfung, ob bei Schulschließungs-Entscheidungen weiterhin vor allem die 7-Tage-Inzidenz ausschlaggebend sein soll. Die Begründung: Wenn Kinder und Jugendliche nun überall massiv getestet werden, werden automatisch mehr Fälle gefunden - und dadurch steigen auch die Inzidenzwerte. Auch weil die Quote der geimpften Bevölkerung und des pädagogischen Personals steige, müsse der Inzidenzwert anders betrachtet werden.

Die KMK warnte in dem Zusammenhang vor einer Stigmatisierung der Schüler:innen. „Testungen sind ein ganz wichtiger Baustein, um Schulen offen zu halten“, sagte die KMK-Vorsitzende Ernst. Man betrachte das Infektionsgeschehen „mit Sorge“. Kinder und Jugendliche seien jedoch nicht der Motor des Geschehens.

Die Pädagogen-Gewerkschaft VBE plädierte allerdings, die KMK dürfe sich nicht vor Schulschließungen in Gebieten mit sehr hohen Inzidenzen verschließen. „Wir brauchen die klare Definition einer Notbremse für den Schulbereich“, sagte Verbandschef Udo Beckmann. (dpa/AFP/frs) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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