Mit Vermittlung war bei den Ministerpräsidenten offenbar einiges, aber nicht alles zu erreichen. Das Beherbergungsverbot etwa blieb Zankapfel. Bis es sich - teils mithilfe von Gerichtsentscheiden - selbst zerlegte. Die Kanzlerin biss auf Granit. Und erlebte damit ansatzweise die Neuauflage einer unangenehmen Situation aus dem Corona-Mai.
Zugleich dämmert ein anderes Problem herauf. Wieder just dort, wo Merkel hart sein will: Man sei sich bewusst, dass Merkel mit ihren Appellen weniger deutlich durchdringe, heißt es aus Regierungskreisen, wie der Sender n-tv unter Berufung auf die Agentur Reuters berichtet.
Wohl weniger aufgrund dieser Schwierigkeiten, denn aus Angst übergangen zu werden, wollen nun tatsächlich die Parlamente wieder mehr Macht an sich ziehen. Mehr als ein halbes Jahr nach den ersten Lockdowns fordern praktisch alle Bundestagsparteien mehr Mitsprache - inklusive der Union. Den ersten neuen Lockdown hatte diese Woche übrigens Bayerns Ministerpräsident Markus Söder höchstpersönlich verkündet. Auch daran gab es Kritik.
An grundsätzlichen Bedenken aus der Zivilgesellschaft gegen die aktuelle Situation mangelt es nicht. Der Historiker Paul Nolte sprach in einem Interview mit dem WDR von einem „schleichenden Gift“, das sich in Form von „Verordnungspolitik von oben“ und in „Ministerpräsidentenrunden“ ausbreite. Ein renommierter Politikwissenschaftler rügte kürzlich ein „Regieren durch Angst“.
Die Liberalen wollen die Kanzlerin zudem lieber im Parlament als mit den Ministerpräsidenten offen sprechen hören. Ihr Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf kolportierte Aussagen Merkels bei der letzten Sitzung mit den Ministerpräsidenten: „Wenn von Unheil die Rede ist, hat die Öffentlichkeit ein Recht zu erfahren, was das heißt.“ Dem Bericht zufolge forderte er in einem Schreiben an das Kanzleramt die Regierungserklärung für die nächste Bundestagssitzungswoche. Merkel solle darlegen, wie sie die Lage einschätze, was sich hinter dem Bild des „Unheils“ verberge, welche Maßnahmen sie für nötig halte und welche davon an den Ministerpräsidenten gescheitert seien.
Hat die Bundesregierung auch an dieser Stelle geschlafen? Auch die Einbindung der Parlamente hätte im ruhigen Corona-Sommer durchaus starten können. Stattdessen rudert Merkels Regierung nun aber in eine andere Richtung: Zum Unwillen der Opposition und des Koalitionspartners soll - der mittlerweile selbst an Corona erkrankte - Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit neuen Sonderrechten ausgestattet werden.
Hier immerhin sind Merkel und Spahn vergleichsweise früh dran: Noch bis März 2021 laufen aktuell die Ausnahmebefugnisse des Ministers. Doch just dieser Vorstoß passt offensichtlich nicht mehr in die aktuelle Pandemie-Phase. Die SPD hat bereits verlauten lassen, der Plan werde „so nicht kommen“. Und besonders deutlich wurde die grüne Bundestags-Vizepräsidenten Claudia Roth: „Es kann nicht sein, dass ein Minister unersättlich mehr Ermächtigungen will, dass er eine Art unbefristete Generalermächtigung will“, sagte sie im Deutschlandfunk. (fn) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.