1. Startseite
  2. Politik

Eklat bei Videocall? Merkel musste zornigen Laschet bremsen - doch der befeuert den Streit noch weiter

KommentareDrucken

Der Umgang mit der Corona-Krise sorgt offenbar auch hinter den Kulissen für heftigen Streit. Bei einem Video-Call kam es angeblich zum Eklat. Der Zoff ist noch nicht ausgestanden.

Berlin/Düsseldorf - Dass der Umgang mit der Corona-Krise bis auf die höchste Regierungsebene für Kontroversen sorgt, ist mittlerweile bekannt. Ein neuer Bericht zeigt nun aber noch einmal das Level der Gereiztheiten auf - und legt erneut nahe, dass sich im Ringen um den Kurs in Bund und Ländern nicht immer alle an mühsam errungene gemeinsame Absprachen halten. Einmal mehr im Fokus dabei: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).

Coronavirus: Hick-Hack bei den Schutzmaßnahmen - und ein Eklat beim Videocall?

Erst am Mittwoch hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Hamburgs Regierendem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) eine Einigung in Sachen Lockerungen vorgestellt. 

Seither streben die Bundesländer dennoch in erstaunlich unterschiedliche Richtungen. Kein Wunder: Offenbar war es zuvor beim Videocall von Bundesregierung und Länderchefs zu einem Eklat gekommen - davon berichtet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe.

Coronavirus: Zoff im Ringen um Lockerungen - Merkel musste Laschet einbremsen

Stein des Anstoßes war nach Informationen des Nachrichtenmagazins unter anderem die geplante Öffnung für Geschäfte bis 800 Quadratmeter Ladenfläche: Merkel habe eigentlich eine Grenze bei 400 Quadratmetern präferiert, Vizekanzler Olaf Scholz auch Malls öffnen wollen. Den Kompromiss auf halbem Wege habe dann ausgerechnet Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) infrage gestellt und eine Öffnung erst zum 15. Mai ins Gespräch gebracht - zum lautstarken Missfallen Laschets.

Laschet habe gewarnt, dann seien viele der betroffenen Läden gar nicht mehr da - gerade vom Wirtschaftsminister erwarte er mehr Sensibilität. Sogar trotz Unterstützung seines Antipoden bei der Ausgestaltung der Corona-Maßnahmen, Markus Söder, habe Laschet seinen Standpunkt weiter mit „zornigen Gesten“ Ausdruck verliehen, schreibt der Spiegel. Bis schließlich die Kanzlerin einschritt: „Ar­min, alle kön­nen se­hen, wie du dich auf­regst. Pe­ter trägt den Kom­pro­miss ja mit“.

Corona in Deutschland: Laschet bekommt seinen Willen nicht - und geht auf Kurs Alleingang

In dieser Frage bekam Laschet also offenbar seinen Willen. In anderen Fragen bremste die Runde der Spitzenpolitiker den stets um Lockerung bemühten NRW-Landeschef dem Bericht zufolge teils harsch aus. So habe Söder einen Vorstoß zum Neustart für Gottesdienste torpediert - auch eine Öffnungserlaubnis für Möbelhäuser blieb aus.

Laschet scheint das jedoch nicht sonderlich zu tangieren: Die Möbelhäuser zumindest in seinem Land brachte er per NRW-Sonderweg zurück ins Geschäft - für die Gottesdienst-Öffnung plädierte der Anwärter auf die CDU-Kanzlerkandidatur am Sonntag einmal mehr öffentlich. 

„Wenn man Läden öffnet, darf man auch in Kirchen beten“, sagte Laschet am Sonntag im Deutschlandfunk. Dass sich Menschen nicht zu Gottesdiensten treffen dürften, sei eine massive Einschränkung der Grundrechte, die man jeden Tag aufs Neue begründen müsse.

Coronavirus und die Politik: Laschet trommelt für Öffnung - Grüne kritisieren CDU-„Wahlkampf“

Weiter in Richtung Neustart für weitere Lebensbereiche trommelte Laschet am selben Tag auch auf Twitter. Diesmal fasste er das Thema Schulen ins Auge. „Aufstieg durch Bildung war das Versprechen für mehr soziale Gerechtigkeit. Was bedeutet es, Schülern wochenlang den Schulbesuch zu verweigern?“, fragte Laschet rhetorisch.

Unter anderem vonseiten der Grünen setzte es einen harten Konter. Der Europaabgeordnete Erik Marquardt warf Laschet Wahlkampf um die CDU-Spitze ausgerechnet auf dem heiklen Feld der Pandemie-Bekämpfung vor. „Ich wünsche mir, dass die CDU schnell einen neuen Vorsitzenden wählt“, antwortete er auf Laschets Post. „Dieser Wahlkampf in dieser Zeit. Das ist auf Dauer wirklich schwer erträglich.“

Laschet in der Coronakrise: Altmaier warnt vor politischem „Hühnerhaufen“ - doch Wähler urteilen anders

Auch aus der SPD kamen schwere Vorwürfe. Derya Türk-Nachbauer, Mitglied des baden-württembergischen Landesvorstands der Sozialdemokraten, erinnerte an die „Verantwortung“ der Politik. „Die jungen Menschen machen sich Sorgen um ihre Mitmenschen, das hat nichts mit ‚Verweigerung‘ gegenüber der zu erbringenden Leistungen in der Schule zu tun“, ärgerte sie sich.

Einen ersten indirekten Ordnungsruf lieferte am Wochenende ausgerechnet Altmaier. „Wir dürfen nicht durcheinanderlaufen wie ein Hühnerhaufen und uns gegenseitig abwechselnd mit Verschärfungen und Lockerungen überbieten“, mahnte er in der Bild am Sonntag. „Wenn wir jetzt die Nerven behalten, können wir einen zweiten Lockdown vermeiden. Deshalb ist ein gemeinsames Handeln von Bund und Ländern so wichtig.“

Allerdings kommt Laschet mit seinem Öffnungskurs in der Bevölkerung ähnlich gut an wie Söder auf der anderen Seiten des Spektrums: In einer infratest-dimpa-Umfrage im Auftrag des WDR stellten die Bürger NRWs ihm ein gutes Zeugnis aus: 65 Prozent (plus elf Punkte im Vergleich zu November 2019) der Befragten zeigten sich mit der politischen Arbeit des Ministerpräsidenten zufrieden - die CDU insgesamt gewann in der Sonntagsfrage gar acht Prozentpunkte auf nunmehr 40 Prozent.

Am Montag, 20. April, treten die ersten Lockerungen der Maßnahmen gegen die Coronavirus-Pandemie in Kraft. Kanzlerin Angela Merkel sieht dabei aber auch Risiken - und attackiert ihre Kollegen am Telefon außergewöhnlich scharf - dabei macht ihre größte Sorge deutlich.

Nur wenige Tage später scheint der Kanzlerin der Kragen zu platzen. In einer Schaltkonferenz mit dem CDU-Präsidium erteilt Merkel den „Öffnungsdiskussionsorgien“ eine Absage - und provoziert damit einen Aufschrei der Presse.

fn (mit Material von dpa)

*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

Auch interessant

Kommentare