Durchaus pikant ist so oder so ein Fall aus dem Herzen des politischen Berlin. In Berlin-Mitte, am Promi-Restaurant Borchardt, ist am Freitag (14. Mai) FDP-Chef Christian Lindner fotografiert worden. An sich kein Problem, in der Hauptstadt dürfen just seit diesem Tag Cafés und Restaurants wieder buchstäblich ihre Pforten öffnen.
Doch die Umstände haben es in sich. Denn auf dem auf Twitter kursierenden Schnappschuss ist Lindner ohne Maske und in enger Umarmung zu sehen - einem Bericht der Berliner B.Z. zufolge ausgerechnet mit Steffen Göpel, dem Honorarkonsul Weißrusslands. Also einem Vertreter jenes Landes, dessen diktatorisch veranlagter Präsident Alexander Lukaschenko die Existenz des Coronavirus in seinem Einflussbereich in teils kurioser Weise leugnete.
Zugleich wurde der Wiedereröffnungsabend im Borchardt unstrittigerweise von der Polizei beendet. Der Besitzer bestätigte der B.Z., das Lokal habe die erlaubte Öffnungszeit um mindestens zehn Minuten überschritten. Die Polizei selbst berichtete, etwas brisanter, von einem Einsatz wegen eines überfüllten Lokals in der Französischen Straße, in der auch das Restaurant beheimatet ist.
Lindner hatte in den Wochen zuvor immer wieder harsche Kritik an laxem und offenkundig tatsächlich fahrlässigem Umgang mit Mundschutz- und Abstandgebot geübt. Mit Blick auf das vieldiskutierte Facebook-Video des Berliner Profifußballer Salomon Kalou forderte Lindner etwa eine strenge Ahndung des „individuellen Fehlverhaltens“, so, „dass es selbst Fußballmillionären richtig weh tut“.
Ob Lindner nun auch selbst schmerzhafte Maßnahmen gegen sich selbst befürwortet, ist nicht bekannt. Ein individuelles Fehlverhalten hat er jedenfalls eingeräumt. „Die spontane Umarmung bei der Verabschiedung am Freitag war ein Fehler, wie er unter Freunden nach einem privaten Abend leider passiert“, twitterte er am Montag - knapp vier Tage nach dem Vorfall und nach dem Erscheinen des B.Z.-Berichts. Es habe sich nicht um Vorsatz, sondern um Unkonzentriertheit gehandelt.
Zugleich nahm der FDP-Chef für sich selbst die Deutung des zutiefst menschlichen für seinen Fehltritt in Anspruch. „Am Ende bleibt man Mensch. Tut mir leid!“
Im Kurznachrichtendienst hagelte es natürlich dennoch Kritik. Der Hashtag „#Lindner“ wurde zum Toptrend auf Twitter. Auch Theorien und Thesen verschiedener Couleur waren zu lesen. „Ins Borchardt gehen Leute, um gesehen zu werden“, verpackte eine Userin einen recht schwerwiegenden Vorwurf in vergleichsweise harmlose Worte.
Gegner der Corona-Schutzregeln wollten Lindner beispringen. „Es gibt keinen Grund sich zu entschuldigen“, postete einer unter Lindners Tweet. „Wir sollten alle wieder unsere Freunde umarmen, wenn uns danach ist.“ Lindner Social-Media-Team bemühte sich, diese Unterstützer einzubremsen: „Nein, das ist falsch“, stellte es klar. „In Zeiten von Corona sollten wir alle auf Abstand achten.“
Allerdings drängte selbst die politische Konkurrenz zur Rückkehr zum Tagesgeschäft. Grünen-Vizechefin Jamila Schäfer etwa bemerkte, Lindner habe sich für seinen Fehler entschuldigt - „können wir uns jetzt bitte wieder inhaltlich mit der FDP auseinandersetzen? Danke.“ SPD-Amtskollege Kevin Kühnert fand sogar Lob für Lindner. Wer nicht „von Politik-Maschinen repräsentiert werden möchte“ müsse Fehler in Kauf nehmen - Lindner habe vorgemacht, wie man souverän mit ebensolchen umgehe.
Das Coronavirus wird für die Liberalen auch im September zu einer Herausforderung werden, wenn unter den besonderen Vorzeichen der Pandemie der FDP-Bundesparteitag 2020* stattfindet. Die Beschlüsse werden live im TV und im Live-Stream übertragen*. Mit dem Treffen wollen sich die Liberalen für das Wahljahr aufstellen.
Außenminister Heiko Maas beantwortet in einer ARD-Sendung Fragen der User - die letzte wird im Internet zerrissen.
fn
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