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Corona-Impfstoff: Biontech-Chef Sahin wehrt sich gegen Vorwürfe wegen zu hoher Preise - „große Reihe von Unbekannten“

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Ugur Sahin von dem Mainzer Unternehmen Biontech.
Ugur Sahin von dem Mainzer Unternehmen Biontech. © Florian Gaertner/imago

Berichte zu überzogenen Preisforderungen für den Biontech/Pfizer-Impfstoff kamen zuletzt auf. Jetzt reagiert Gründer Ugur Sahin. Und weist die Vorwürfe zurück.

Update vom 20. Februar, 9.30 Uhr: Ugur Sahin von Biontech hat auf die Berichte zu überzogenen Preisforderungen für den mit dem US-Hersteller Pfizer entwickelten Corona-Impfstoff (siehe Erstmeldung) reagiert. Der Gründer des Mainzer Unternehmens wies die Vorwürfe zurück. Für die Industriestaaten sei im Juli ein Preismodell berechnet worden, sagte Sahin der Bild. „Die Preise lagen je nach Bestellmenge zwischen 30 und 15 Euro“, gab er an. „Am 22. Juli haben wir den USA-Vertrag auf Basis der neuen Parameter unterschrieben, aus dem die 19,50 Dollar ersichtlich waren. Dieses Preismodell haben dann alle Industriestaaten erhalten.“

Es habe bei der Preisfindung eine große „Reihe von Unbekannten“ gegeben, argumentiert Sahin. Der Corona-Impfstoff sei zu Beginn nur in kleinen Mengen Dosen für klinischen Studien hergestellt worden. Für 2000 Dosen seien zu dem Zeitpunkt Kosten von 1,5 Millionen Euro angefallen. „Die Infrastruktur für die Massenproduktion gab es nicht. Wir wussten zum damaligen Zeitpunkt schlicht noch nicht, wie sich die Produktion genau skalieren lässt, was genau die Studien bezüglich der mRNA-Dosierung ergeben und wie die Produktionsabläufe und Kosten genau sein werden.“ Eine „große Produktion wie das Marburger Werk war auch nicht in Sicht“, so Sahin. „Als wir wussten, wie wir Kosten senken und die Skalierung aufbauen können, haben wir in kürzester Zeit - keine drei Wochen später - ein neues Angebot zusammen mit Pfizer erstellt.“

Biontech/Pfizer: Corona-Impfstoff soll Berichten zufolge ursprünglich deutlich teurer gewesen sein

Erstmeldung vom 19. Februar, 22.40 Uhr:

Mainz - Eine Dosis des Coronavirus-Impfstoffs der Hersteller Pfizer/Biontech hätte ursprünglich 54,08 Euro kosten sollen. So war es Informationen des NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung zufolge dem ersten Angebot der Pharmafirmen an die EU zu entnehmen. Der Preis wäre damit mehr als zwanzigmal so teuer gewesen wie eine Dosis des AstraZeneca-Impfstoffs. Der endgültige Preis soll nach intensiven Verhandlungen schließlich noch 15,50 Euro pro Dosis betragen haben.

Schon im Dezember hatte eine belgische Politikerin in einem Tweet versehentlich die Preise für verschiedene Impfstoffe verraten. Demnach habe der Biontech-Impfstoff jedoch nur zwölf Euro pro Dosis gekostet. Curevac aus Tübingen habe zehn Euro verlangt, Sanofi aus Frankreich 7,56 Euro und AstraZeneca, der Impfstoff, der aktuell aufgrund potenzieller Nebenwirkungen Schlagzeilen macht, lediglich 1,78 Euro pro Dosis. Für das Medikament des US-Unternehmens Moderna war mit 18 Dollar der insgesamt höchste Preis angegeben, für den US-Konzern Johnson & Johnson 8,50 Dollar.

Coronavirus-Impfung: Biontech rechtfertigte den Preis anhand des Nutzens

Biontech hatte das Angebot dennoch als besonders großzügig beworben. Keinem anderen Industrieland weltweit habe man einen höheren prozentualen Rabatt angeboten. Zudem rechtfertigte Biontech den Preis insofern, als er nicht darauf basiere, wie viel man für Forschung und Entwicklung ausgegeben hätte, sondern wie nötig und nützlich ein neues Medikament aus medizinischer sicht ist.

Diese Argumentation ist durchaus üblich für Pharmaunternehmen. Denke man diese Rechnung bis zum Ende durch, so wäre man auf einen sogar noch höheren Preis gekommen, der „unangemessen wäre während einer globalen Pandemie*“, wie die Medien das Angebot zitiert.

Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Wolf Dieter Ludwig, sagte den Medien zufolge über das Angebot: „Ich halte den Preis für unseriös.“ Er sehe darin ein Profitstreben, das während der Coronakrise in keiner Weise gerechtfertigt ist. Dass so manche EU-Länder gegenüber dem Biontech-Impfstoff eher zurückhaltend waren, erscheint nun nachvollziehbar. Im Hinblick auf die EU meint Ludwig: „Ich denke, sie hat mit Recht gezögert bei einem derartig hohen Preis.“

Coronavirus-Impfstoff-Entwicklung wurde staatlich gefördert.

Zudem überraschte der hohe Preis vor dem Hintergrund der staatlichen Förderungen über mehrere hundert Millionen Euro, die die Firma Biontech seit ihrer Gründung zum Aufbau des Unternehmens erhalten hatte. Im Sommer 2020 folgten weitere 375 Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium konkret für die mRNA-basierte Impfstoff*-Entwicklung. Auch die anderen Hersteller von Coronavirus-Impfstoffen* waren mit Millionen- und Milliardenbeträgen Unterstützung aus verschiedenen Quellen erhalten.

Eine Interviewanfrage habe Biontech-Chef Ugur Sahin nicht beantwortet. Eine Firmensprecherin habe lediglich erklärt, dass Impfstoffpreise „von verschiedenen Faktoren abhängig“ seien. Er liege „in einer gewissen Spanne für alle Länder mit höherem Einkommen“. Bisher habe das Unternehmen jedoch keine Gewinne gemacht. Wenn man aber Gewinne aus dem Vertrieb des Covid-19-Impfstoffs mache, wolle man diese „in die Weiterentwicklung dieser Technologie reinvestieren“. Pfizer habe sich auf vertrauliche Vereinbarungen und Gespräche mit Regierungen berufen. Auch die EU-Kommission habe keine Anhaben machen wollen. *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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