Alle Beteiligten wüssten, dass die Situation ungefähr so sei, wie er sie gerade beschrieben habe, sagte Lauterbach. „Daher wird im Hintergrund fieberhaft daran gearbeitet, ein Konzept zu entwickeln, was zwar Lockerungen schon vorsieht, diese Lockerungen aber in einer Art und Weise gestaltet, dass also die dritte Welle nicht befeuert wird, sondern zumindest gestreckt wird, möglicherweise auch verhindert wird.“
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) forderte vor den Beratungen ein gemeinsames Vorgehen. „Ich bestehe darauf, dass wir hier eine gemeinschaftliche Führungsleistung in Deutschland zustande bringen“, sagte Scholz dem Deutschlandfunk in einem Interview, das am Sonntag ausgestrahlt werden soll. Es müsse auch die Bereitschaft geben, dass bei steigenden Infektionszahlen vor Ort schnell gehandelt werde, damit es nicht wieder eine Ausbreitung des Virus auf ein ganzes Bundesland oder Deutschland gebe.
Es sei bekannt, dass etwa der Einzelhandel in einer ganz schwierigen Lage sei. „Aber niemand hat etwas davon, wenn wir Geschäfte öffnen und kurz danach wieder schließen“, erklärte er. „Deshalb sage ich, ich bin dafür, dass es nicht bei vagen Aussagen bleibt, sondern dass wir sehr klare, präzise Festlegungen treffen, dass sie zwischen den Ländern und mit der Bundesregierung besprochen werden und dass wir dann uns auch gemeinsam vorwärts bewegen.“ Es müsse einen Plan geben, den alle gut verstehen könnten - in Kombination mit dem großflächigen Testen auf das Virus. „Das muss eine Lösung aus einem Guss sein.“
Update vom 27. Februar, 12.55 Uhr: Die strengen Einreiseregeln für Gebiete mit einer starken Verbreitung hoch ansteckender Coronavirus-Varianten sollen einem Medienbericht zufolge verlängert werden. Ein Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium sehe eine Fristverlängerung um zwei Wochen bis zum 17. März vor, berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe online. „Mit einem deutlich verringerten Eintrag von Virusvarianten sollen weitere Infektionen möglichst verhindert werden“, heißt es demnach in dem Papier.
Die Einreisevorschriften beinhalten im Wesentlichen ein Beförderungsverbot. Wenn ein Land als Mutationsgebiet eingestuft ist, dürfen Ausländer ohne Wohnsitz in Deutschland in der Regel nicht mehr in die Bundesrepublik befördert werden. Als sogenannte Virusvariantengebiete sind unter anderem Großbritannien, Südafrika und Brasilien eingestuft, aber auch das Nachbarland Tschechien und das an Bayern angrenzende österreichische Bundesland Tirol.
An den Grenzen zu Tirol und Tschechien gibt es derzeit verschärfte Grenzkontrollen. Wie die Funke-Zeitungen am Samstag weiter berichteten, soll das Corona-Kabinett der Bundesregierung am Montag darüber beraten, inwieweit diese Kontrollen fortgesetzt werden.
Update vom 26. Februar, 17.00 Uhr: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hält eine Öffnung der Außengastronomie in Deutschland um Ostern herum für möglich. Voraussetzung sei die Einhaltung von Hygienevorschriften. Die Verfügbarkeit von Schnelltests könne eine Öffnung der Außengastronomie noch sicherer machen.
Nach Beratungen mit Wirtschaftsverbänden und Kollegen in den Bundesländern hat Altmaier ein Öffnungskonzept angekündigt. Am Wochenende werde er Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länder-Chefs darüber informieren, sagte Altmaier am Freitag in Berlin. Eine „unveränderte Fortführung“ der Corona-Beschränkungen könne Deutschland sich nicht leisten, so Altmaier. Dabei gehe es nicht um die staatlichen Hilfsmittel, „hier geht es um die Substanz unserer Wirtschaft“.
Die Wirtschaft wünsche sich als Ergebnis der Bund-Länder-Beratungen kommende Woche „klare gemeinsame Kriterien auf Bundesebene“, sagte Altmaier. Die Umsetzung dieser Kriterien könne aber lokal und regional unterschiedlich ausfallen. Ein Öffnungskonzept müsse mehrere Kriterien berücksichtigen, neben der Zahl der Neuinfektionen und der Sieben-Tage-Inzidenz etwa auch die Arbeitsfähigkeit der Gesundheitsämter oder die Auslastung der Intensivbetten. Altmaier kündigte staatliche Hilfen auch nach Juni an, wenn die derzeitigen Überbrückungshilfen auslaufen. Staatliche Hilfsangebote würden auch nach „Abklingen des Lockdowns eine Weile noch notwendig sein“. Er sei sich sicher, dass er und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hier „bis Juni eine gute Lösung finden“.
Erstmeldung vom 26. Februar, 13 Uhr: Berlin - Die Deutschen warten. Mit diesem Satz kann man den Inhalt eines Artikels der New York Times ganz gut zusammenfassen. Darin heißt es, die Menschen in Deutschland hätten es satt, „auf Impfstoffe, ihre staatliche Entschädigung oder die Rückkehr zur Normalität zu warten“.
Nach der ersten Corona-Welle war Deutschland noch für seine Strategien gelobt worden, die Bundesrepublik war vergleichsweise gut durch das Frühjahr 2020 gekommen. Jetzt sieht das anders aus. Das Impfen geht in anderen Ländern schneller. Teststrategien werden dort bereits eingesetzt, während Deutschland noch auf Zulassungen wartet. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Corona-Pandemie weiterhin weltweit ihr Unwesen treibt, weltweit täglich Tausende Menschen im Zusammenhang mit dem Virus sterben. So richtig dauerhaft im Griff hat die Pandemie wohl kaum ein Land.
Obwohl die Corona-Lage noch ziemlich unsicher wirkt und der Präsident des Robert Koch-Instituts weiter dringend zur Vorsicht mahnt sowie vor einer dritten Welle warnt, diskutiert die deutsche Politik über Lockerungen. Dafür gibt es auch gute Gründe, denn mehrere Monate im Corona-Lockdown hinterlassen ihre Spuren in der Gesellschaft und in den Orten des Landes.
Nach dem letzten Corona-Gipfel war die Marschrichtung: Sieben-Tage-Inzidenz von 35 - dann kommen weitere Öffnungen. Mit einem aktuellen Wert von 62,6 ist man davon weit entfernt, so schnell scheint die Zahl auch nicht erreichbar. Aber einige Politiker sehen einen Ausweg aus diesem Dilemma: Schnell- und Selbsttests*.
Kanzlerin Angela Merkel* (CDU) machte am Donnerstag klar: Ganz so einfach geht es ihrer Meinung nach nicht. Es müsse zunächst bewertet werden, welche Wirkung ein vermehrtes Testen habe, sagte sie nach dem ersten EU-Gipfel-Tag. „Und dann kann man überlegen, ob wir damit eben auch etwas mehr Freiraum zum Öffnen haben.“ Nicht möglich sei, „dass wir erst die Öffnung definieren und anschließend mal gucken, ob das Testen uns hilft“, sagte die Kanzlerin. „Das wäre aus meiner Sicht zu gefährlich.“ Doch schlussendlich entscheiden die Länder, wie sie die Maßnahmen fortführen.
Ein paar Bundesländer öffnen jedenfalls auch ohne fertige Teststrategie demnächst mehr als bisher zwischen Bund und Ländern abgestimmt. Der nächste Corona-Gipfel findet erst am 3. März statt, das dauerte scheinbar einigen Landes-Chefs zu lang. Gartencenter öffnen etwa ab Montag in Baden-Württemberg und Bayern, in Sachsen-Anhalt können zudem Fahrschulen wieder loslegen. In Rheinland-Pfalz wiederum werden kurz vor der Landtagswahl* Einzeltermine zum Shopping erlaubt.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mahnt dennoch weiter zur Vorsicht bei möglichen Lockerungen der Corona-Beschränkungen. „Wir wollen schrittweise öffnen, aber mit Vernunft und Vorsicht. Wir dürfen angesichts der Mutationen keinen Blindflug starten“, sagte Söder dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die Politik darf jetzt nicht die Nerven verlieren. Öffnen ja, aber klug und umsichtig“, betonte der CSU-Chef.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der ebenfalls kurz vor der Landtagswahl steht*, kann Öffnungen in Begleitung mit Tests etwas abgewinnen - wenn die Tests massenhaft zur Verfügung stehen. Dann sollen viele Geschäfte, Restaurants und Museen wieder öffnen dürfen, schlug das Staatsministerium am Donnerstag vor. Lange war Kretschmann zuvor skeptisch: Man könne das Virus nicht wegtesten.
Es sei klar, dass man weiter Maske tragen, Abstand halten und Hygienekonzepte beachten müsse. Dennoch eröffne sich mit Impfen, Testen und Schutzmaßnahmen wieder deutlich mehr Spielraum, findet auch Stephan Weil (SPD), Regierungschef in Niedersachsen. „Das bloße Warten auf Inzidenzwerte unter 35 bringt uns nicht voran“, sagte er der Braunschweiger Zeitung. Mit Hilfe der Corona-Warn-App könnten Impfung und Schnelltests gebündelt und angezeigt werden, schlägt er vor. „Wir wollen in Niedersachsen sehr schnell in den Schulen und Kitas mit dem Testen beginnen. So können wir dann sukzessive Kitas und Schulen weiter öffnen“, sagte der Politiker. „Aber wenn wir mehr testen, müssen wir uns auch auf höhere Infektionszahlen einstellen. Wer mehr sucht, findet mehr.“
„Die Stimmung hat sich weiter verschlechtert, als die Deutschen beobachteten, wie andere Länder, insbesondere Großbritannien, ihre Impfkampagnen mit dem Pfizer-Biontech-Impfstoff verstärken, der mit Hilfe der deutschen Steuerzahler entwickelt wurde, während sie auf das Eintreffen von Dosen warten mussten“, heißt es in dem eingangs erwähnten Artikel der New York Times. Fakt ist, dass die Corona-Maßnahmen von der Bevölkerung in Deutschland sehr lange mitgetragen wurden. Doch immer häufiger ist zu hören, die Politik um Kanzlerin* Merkel müsse ihre Maßnahmen besser erklären und begründen, damit die Akzeptanz hoch bleibt.
Eine aktuelle Umfrage des ZDF-Politbarometers gibt Auskunft über die derzeitige Stimmungslage. Demnach halten 55 Prozent die aktuell geltenden Corona-Maßnahmen für gerade richtig, 23 Prozent für übertrieben (eine Zunahme von neun Prozentpunkten im Vergleich zu Ende Januar) und 18 Prozent sagen, die Regeln müssten härter sein (zehn Prozentpunkte weniger).
Eine weitere Frage richtete den Blick in Zukunft: „Sollte es jetzt zu Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen kommen?“ 56 Prozent antworteten mit ja, 41 Prozent mit nein. Den Befragten nach sollte es am ehesten zu Lockerungen bei Läden und Geschäften kommen. Die Umfrage ist repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland und wurde von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen durchgeführt. (cibo/dpa) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.