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CDU-Eklat um Brinkhaus: „Sie haben offensichtlich keine Ahnung“ - Plötzlich auch Merkel in der Schusslinie

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Es geht ums Geld - und plötzlich kriegt sich die Kanzlerpartei in der Corona-Krise mächtig in die Wolle. In einer Sitzung kracht es, Kanzlerin und Fraktionschef stehen in der Kritik.

Berlin/Magdeburg - Nach dem großen Corona-Gipfel wäre eigentlich der Zeitpunkt für demonstrative Geschlossenheit gewesen - doch ausgerechnet die Kanzler-Partei CDU reibt sich aktuell in heftigen Streits um den Krisen-Kurs auf. Am Montag ist es im CDU-Präsidium sogar zu einem handfesten Eklat gekommen. Und der Streit könnte am Mittwoch sogar indirekt seine Fortsetzung finden. Erneut unter den Augen von Angela Merkel. Die Kanzlerin geriet auch selbst in der CDU in die Kritik. Bei dem regulären Bund-Länder-Treffen am Mittwoch könnte auch die Kosten-Verteilung der Corona-Hilfen eine Rolle spielen.

Corona-Streit in der CDU: Bouffier fährt in Sitzung aus der Haut - „Sie haben offensichtlich keine Ahnung“

Anlass für die Zwistigkeiten sind nicht etwa Corona-Maßnahmen oder -Einschränkungen - wenngleich am Rande auch über Hotelöffnungen gestritten wird. Die Konservativen sind sich über die Kostenverteilung in der Krise in die Haare geraten. Eine ungewöhnlich kontroverse Rolle spielt dabei Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Er attackierte nicht nur im Bundestag den Gipfel-Kompromiss von Bund und Ländern, sondern fordert seit einigen Tagen auch offensiv mehr finanzielle Verantwortung der Länder ein.

Kanzlerin Angela Merkel und Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus bei einer Fraktionssitzung (Archiv).
Plötzlich im Zentrum eines CDU-Streits: Kanzlerin Angela Merkel und Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (Archivfoto). © Emmanuele Contini/imago

Berichten zufolge brachte genau das Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier in Rage. „Ich sage es Ihnen in aller Klarheit, wir sind nicht länger bereit, Ihrem Treiben zuzusehen!“, erklärte er angeblich im CDU-Präsidium. „Sie haben ganz offensichtlich keine Ahnung von dem Krisenmanagement der Länder“, fügte Bouffier hinzu, wie zu lesen ist.

Brinkhaus hat sich mit seinen offen kritischen Auftritten verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit geschoben. Er gilt mittlerweile sogar als möglicher Anwärter auf den Parteivorsitz. Offenbar spricht er aber Teilen seiner Fraktion tatsächlich aus dem Herzen.

Corona-Krise: CDU plötzlich im Finanzclinch - Ziemiak gibt brisanten Einblick in Talkrunde

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak deutete am Montag im n-tv-Talk „Timeline“ an, dass es im Finanzstreit tatsächlich einen Riss zwischen der Union im Bundestag und in den Ländern geben könnte. „Fest steht, dass er einen Punkt aus der Fraktion klargemacht hat – und zwar dass wir so viele Schulden aufnehmen, dass wir fragen müssen, wie geht das eigentlich in den nächsten Jahren weiter“, erklärte Ziemiak mit Blick auf Brinkhaus‘ Rede im Parlament. Zugleich fügte er diplomatisch hinzu: „Ich weiß aber auch, was die Bundesländer leisten.“

Bekannt wurde im Nachgang der CDU-Sitzung zudem, dass es im Parteipräsidium auch Unterstützung für Brinkhaus gab. Im Anschluss an die Bouffier-Äußerung sei Brinkhaus in der Runde auch verteidigt worden, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Es sei Aufgabe des Fraktionschefs, auch Dinge anzusprechen, die bei der Corona-Hilfe nicht gut liefen. 

Zuspruch erhielt Brinkhaus auch vom Bund der Steuerzahler und vom CDU-Wirtschaftsrat. Auch Merkel geriet plötzlich in der CDU in die Kritik. Der Vorsitzende des Unions-Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, rügte nicht nur das „Selbstverständnis der Ministerpräsidenten“ in der Finanzierungsfrage, sondern auch den Modus der Entscheidungsfindung in der Corona-Krise. „Ich habe zum einen die Ministerpräsidentenrunde mit der Bundeskanzlerin nirgendwo im Grundgesetz als Beschlussorgan gefunden und zum anderen schon gar nicht, dass dann der Bund auch noch weitgehend allein für dort gefasste Beschlüsse zahlt“, sagte er.

Corona: Kanzlerin und Ministerpräsidenten tagen am Mittwoch - nächster Eklat könnte folgen

Das Thema dürfte auch bei der nächsten Schaltkonferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin an diesem Mittwoch eine Rolle spielen. Bei der traditionellen Herbst-Ministerpräsidentenkonferenz wird es neben anderen Punkten auch wieder um Corona gehen.

Dabei könnte es gewaltig knirschen. Denn Widerstand gegen die Brinkhaus-Forderung kam unter anderem aus den unionsgeführten Ländern Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie aus Thüringen, wo es mit Bodo Ramelow einen Ministerpräsidenten der Linkspartei gibt. „Reiche Länder könnten sich dann mehr Schutz und mehr Entschädigung leisten als arme. Das kann niemand ernsthaft wünschen“, sagte etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) - der in dieser Woche allerdings mit der Debatte über den Rundfunkbeitrag in seinem Land auch noch vor ganz anderen Problemen steht.

Merkel lässt Seibert Gesprächsbedarf ausrichten - Experte sieht Debatte gelassen: „Halte ich für uninteressant“

Kanzlerin Angela Merkel ließ über Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten, Bund, Länder und Kommunen müssten konstruktiv zusammenarbeiten, um die Pandemie und ihre Folgen bestmöglich zu meistern. „Und sie müssen sicher immer wieder auf der Strecke, die eben noch vor uns liegt in dieser Pandemie, auch über die Aufteilung bestimmter Kosten reden.“

Es gibt allerdings auch Stimmen, die den ganzen Streit für vernachlässigbar halten. „Ob Bund oder Länder, diese Frage halte ich für uninteressant“, sagte etwa der VWL-Professor Jens Südekum der taz. „In letzter Konsequenz steht der Bund eh ein.“ (fn/dpa)

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