Erstmeldung vom 12. Januar: Berlin - Läden zu, Restaurants zu, Schulen zu – und kaum Hoffnung auf Besserung: Die Politik plant offenbar, den im November begonnenen Lockdown noch viele Wochen durchzuziehen. An eine Lockerung Ende Januar könne derzeit nicht gedacht werden, machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Runde mit Unionspolitikern deutlich. Sie warnte in deutlichen Worten vor einer neuen Gefahr durch die Mutation des Corona-Virus, die auf den britischen Inseln offenbar für stark steigende Infektionszahlen sorgt.
„Wenn wir es nicht schaffen, dieses britische Virus abzuhalten, haben wir bis Ostern eine zehnfache Inzidenz“, wird Merkel von Bild aus der internen Runde der Unions-Innenpolitiker zitiert. Das habe sie so gesagt, bestätigten Teilnehmer unserer Redaktion. „Es bleibt hart bis Ostern“, zitierte zudem die Nachrichtenagentur eine Äußerung Merkels aus dem Treffen. Fraktionskreise bemühten sich demnach, klarzustellen, dass Merkel nicht explizit von einer unveränderten Verlängerung des Lockdowns gesprochen habe.
Die Sorge der Kanzlerin offenbar: Die britische Mutation ist zwar nicht tödlicher als das im Rest Europas dominante Virus, aber viel ansteckender. Das würde im Endeffekt zu deutlich mehr Infektionen und viel stärker belasteten Kliniken führen. Merkels drastische Schlussfolgerung in der einstündigen Videokonferenz am Dienstagvormittag: „Wir brauchen noch acht bis zehn Wochen harte Maßnahmen.“ Eine Entspannung sei dann erst Richtung Ostern möglich, auch mit dem dann wärmeren Wetter.
Merkel hat die Bürger auch auf offiziellem Wege schon auf harte Wochen eingestimmt - zuletzt am Samstag in ihrem wöchentlichen Podcast. Die von Bund und Ländern nun verlängerten und zum Teil verschärften Maßnahmen seien einschneidend, die Einschränkungen hart, aber auch „zwingend erforderlich“, sagte sie. Experten sehen das teils anders: Der Virologe Alexander Kekulé etwa rügte am Montagabend in der ARD eine „Betonplatten“-Politik und warnte gar vor einem Lockdown „bis Juni oder Juli“, wie bei Merkur.de* nachzulesen ist. Er nannte allerdings auch Alternativen.
Ein konkreter Zeithorizont für ein Ende der Einschränkungen ist von der Bundesregierung allerdings bislang nicht genannt worden. Kanzlerin und Ministerpräsidenten wollen am 25. Januar die aktuelle Entwicklung der Pandemie neu bewerten. Am 1. Februar sollen Beschlüsse über das weitere Vorgehen getroffen werden.
Auf eine Verlängerung deuten mehrere Äußerungen der letzten Tage hin. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte deutlich gemacht, im Februar nicht mit einer Entspannung der Lage zu rechnen. Auch er verwies auf die britische Mutation, die in Großbritannien und Irland derzeit zu explodierenden Fallzahlen führt. Das „grundlegende Motto“ der nächsten Zeit müsse „Daheim bleiben“ lauten, erklärte er am Dienstag.
Ebenso ist Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag in den Tenor einer weiteren Verlängerung des Corona-Lockdowns eingestimmt: „Es ist nicht gesagt, dass der verschärfte Lockdown bis Ende Januar Covid-19 so weit zurückgedrängt hat, dass wir wieder lockern können“, sagte Scholz der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Wer das jetzt verspricht, handelt leichtfertig und zerstört Vertrauen.“ Der Vizekanzler verwies ebenfalls auf die „aggressive Mutationen“ des Erregers.
Scholz warnte außerdem eindringlich „vor der irrigen Annahme“, das Virus sei nur für Risikopatienten gefährlich. Niemand sei vor der Corona-Gefahr gefeit. „Erst wenn große Teile der Bevölkerung geimpft sind, haben wir es überstanden.“ Eine Isolation bestimmter „vulnerabler“ Gruppen, führe „in die Irre“, zeigte sich der Vizekanzler überzeugt. Die wenigen Länder, die diesen Weg gegangen seien, hätten „bitter dafür bezahlt und sind inzwischen umgeschwenkt“.
Aus Bayern kam hingegen auch sehr direkte Kritik an Merkels Äußerung: Söders Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) monierte auf Twitter, es brauche „nicht in erster Linie harte Maßnahmen“ für acht bis zehn Wochen, sondern „wirkungsvolle Maßnahmen“. Als Beispiel nannte er die Verwendung von FFP2-Masken „dort, wo Menschen außerhalb der Familie zusammenkommen“ - etwa beim Einkaufen. Genau das hatte Söder kurz zuvor als kommende Pflichtmaßnahme für Bayern verkündet.
Zu den Kritikern zählen FDP-Chef Christian Lindner und Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Bartsch warnte, keine Endlosschleife werden dürfe und forderte eine „transparente Debatte“ im Bundestag. Lindner machte deutlich, dass er eine Perspektive von weiteren zehn Wochen mit den jetzigen Maßnahmen „für nicht verantwortbar“ halte. Jeden Tag stiegen die sozialen und wirtschaftlichen Schäden. Er forderte stattdessen einen Stufenplan, wie das Land Schritt für Schritt regional auch wieder hochgefahren werden könne.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) schloss hingegen härtere Regeln nicht aus. Wenn es notwendig sei, sei er dafür, die Maßnahmen noch mal „anzuschärfen“, sagte Brinkhaus. Niemand könne sagen, ob der Lockdown noch „acht, zehn oder zwölf Wochen“ dauere. (cd/fn) *Merkur.de und msl24.de sind Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.