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Das CSU-Drama um Seehofer droht zu eskalieren

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Treffen von CDU und CSU
Viele CSU-Mitglieder bemängeln, Seehofer lebe nur noch in seiner „Jamaika-Welt“. © dpa

Es ist ein denkwürdiges Wochenende in der CSU, ein Drama mit mehreren Schauplätzen: Während Horst Seehofer in Berlin kräftig schimpft, fordert der Parteinachwuchs einen „personellen Neuanfang“.

Erlangen - Für den Bruch des CSU-Nachwuchses mit dem eigenen Parteichef und Ministerpräsidenten reichen ein handgeschriebener Zettel und zwei klare Sätze. „Für einen Erfolg bei der Landtagswahl im kommenden Jahr braucht es einen glaubwürdigen personellen Neuanfang“, steht dort. Und: Horst Seehofer solle „den Weg bahnen für einen geordneten Übergang an der Spitze der Staatsregierung“.

Es ist 10.00 Uhr am Samstag, als der Antrag auf der Landesversammlung der Jungen Union in Erlangen aufgerufen wird. Keine Debatte, es wird sofort abgestimmt. Die Mehrheit ist mehr als eindeutig. Die erste große Parteiorganisation stellt sich damit öffentlich gegen Seehofer, und dann auch noch die für Wahlkämpfe so wichtige Junge Union.

Markus Söder wittert prompt seine Chance

Doch das ist längst nicht der einzige bemerkenswerte Moment an diesem denkwürdigen Wochenende - wenn auch der entscheidende. Auftritt Markus Söder einige Stunden später, kurz nach 21.00 Uhr. Die Delegierten empfangen den aussichtsreichsten Nachfolgekandidaten mit großem Jubel. Und der nutzt den Moment zu einer Ansage, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Während Seehofer später via Zeitungsinterview ein „ununterbrochenes Trommelfeuer“ gegen sich beklagt, lobt Söder ganz offen den Parteinachwuchs. „Ich habe großen Respekt davor, was ihr für Verantwortung zeigt, welchen Mut ihr habt, was ihr euch traut.“ Die JU zeige „Rückgrat“. „Toll gemacht.“

Hätte es eines weiteren Beweises bedurft, dass es in der CSU gerade so etwas wie zwei Welten gibt, er wäre mit diesem Wochenende erbracht: die Jamaika-Welt in Berlin, in der Seehofer und die engste Parteiführung in den Koalitionssondierungen stecken. Und die Welt zu Hause in Bayern, in der die Jamaika-Gespräche gespannt und kritisch begleitet werden - in der aber genauso kritisch das CSU-Fiasko bei der Bundestagswahl analysiert wird. Und in der man sehr wohl schon jetzt über Wege zu einem personellen Neuanfang diskutieren will.

Kommt es an der CSU-Basis womöglich bald zur kollektiven Revolte?

Tatsächlich brodelt es fast in ganz Bayern an der CSU-Basis: Die Bezirksvorstände Oberpfalz, Oberfranken und München haben schon einen geordneten personellen Übergang gefordert, jeweils mit großer Mehrheit. In vielen anderen Bezirksverbänden sei die Stimmung ähnlich, heißt es. Sogar Landtagsabgeordnete aus Seehofers Heimatverband Oberbayern sind schon auf Abstand gegangen.

Seehofer, so raunen sie in der CSU, lebe seit zwei Wochen nur noch in der Jamaika-Welt. Dort erreicht ihn auch die Rückzugsforderung der Jungen Union - während er gerade mit Kanzlerin Angela Merkel und anderen berät. Deshalb hatte er seinen Auftritt bei der Jungen Union ja auch kurzfristig abgesagt. „Wissen Sie, ich bin hier in historisch bedeutsamen Verhandlungen“, sagt der 68-Jährige zur Erklärung.

Allein: Weder sagt er dem wütenden Parteinachwuchs persönlich ab, noch lässt er den rund 300 Delegierten eine Botschaft übermitteln, noch gratuliert er JU-Chef Hans Reichhart zu dessen Wiederwahl. Und anders als Innenminister Joachim Herrmann, der ohne Probleme von Berlin zur Jungen Union findet, kommt er auch später nicht nach Erlangen. Bei der Jungen Union kommt die Botschaft an: Seehofer drückt sich, genauso wie Generalsekretär Andreas Scheuer. Es sei „ein Schlag ins Gesicht für jeden, der sich im Wahlkampf eingebracht hat, dass die beiden nicht hier sind“, schimpft ein JU-Delegierter.

Und so wird in Erlangen deutlich: Die Junge Union plant - wie weite Teile der CSU - längst für die Zeit nach Seehofer. Die Frage ist bei den meisten nur noch: Wer übernimmt? Und wie soll das ablaufen?

Fürs Ministerpräsidentenamt scheint Söder gesetzt. Und Parteichef? Auffällig bei der JU ist, wie CSU-Vize Manfred Weber von vielen Delegierten gelobt wird, aufgefordert wird, einer der „Team-Anführer“ zu sein. Eine Doppelspitze erscheint hier jedenfalls vielen denkbar.

Auffällig ist auch, wie sehr Söder nach seinen klaren Worten am Samstagabend in seiner längeren Rede am Sonntag betont, dass er auf eine gemeinsame Lösung für die personelle Aufstellung der Partei setze („mein Wunsch und meine Hoffnung“): „Politik ist wie Fußball: Du brauchst starke Einzelspieler, aber wenn der Mannschaftsgeist nicht stimmt, wirst du nicht erfolgreich sein.“ Söder greift zudem Worte Webers auf, sagt, man müsse die aktuellen Herausforderungen „mit Anstand“ meistern - aber, betont Söder deutlich, auch „mit Ergebnissen“. Wie diese „Ergebnisse“ aussehen, wird sich nun bald zeigen: zwischen Mitte November und dem Parteitag Mitte Dezember.

dpa

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