In einer feierlichen Zeremonie schritten die neun Abgeordneten, ernannt von der Vorsitzenden Nancy Pelosi (Demokraten), dabei schweigend durch die Hallen des US-Kapitols zum Senatsflügel. Sie werden als Ankläger fungieren. Im Senat verlas dann der Vorsitzende der Ankläger, Jamie Raskin, das sogenannte Impeachment. Trump habe "die Integrität des demokratischen Systems bedroht" und "die friedliche Machtübergabe behindert", heißt es darin.
Die 100 Senatoren nehmen in dem Verfahren die Rolle der Geschworenen ein. Für diese Aufgabe sollen sie an diesem Dienstag vereidigt werden. Die Rolle des Verfahrensvorsitzenden nimmt der dienstälteste Senator, der 80-jährige Demokrat Patrick Leahy.
CNN vermeldet indes, das US-Präsident Joe Biden sich bei der Sache wenig Erfolgschancen ausrechnet. Er glaube nicht, dass im Senat ausreichend Republikaner für eine Verurteilung stimmen würden. „Der Senat hat sich verändert, seit ich da war. Aber so sehr hat er sich auch nicht verändert“, sagte er dem US-Sender. Mindestens zwei Drittel der Senatoren-Stimmen wären nötig. 50 von ihnen gehören den US-Demokraten an, sodass sie die Unterstützung von 17 Republikanern bräuchten.
Update vom 25. Januar, 21.36 Uhr: Wie der US-Nachrichtensender CNN von zwei Quellen erfahren haben will, soll nicht der Vorsitzende Richter am Supreme Court das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump leiten, vielmehr soll der demokratische Senator Patrick Leahy diese Aufgabe übernehmen. Nach den Verfahrensregeln leitet eigentlich der Vorsitzende Richter am Supreme Court das Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten im Senat.
Beim ersten Versuch, Donald Trump aus dem Amt zu entheben, leitete noch John Roberts das Verfahren - seines Zeichens Vorsitzender Richter am Supreme Court. Da Trump aber nicht mehr Präsident sei, werde laut CNN Senator Leahy dafür zuständig sein. Am Montagabend (Ortszeit) soll die Anklage des Repräsentantenhauses an den Senat übermittelt werden. Dort soll dann der Vorsitzende des Verfahrens vereidigt werden. Dessen Aufgabe wird es sein, den 100 Senatoren den Eid abzunehmen, die im Amtsenthebungsverfahren als Geschworene fungieren und die endgültige Entscheidung über Donald Trump treffen werden.
Das eigentliche Verfahren gegen den ehemaligen US-Präsidenten soll in der zweiten Februar-Woche beginnen. Wie lange es dauern könnte, ist bisher nicht absehbar. Experten gehen aber davon aus, dass es die 21 Tage des ersten Verfahrens aus dem Jahr 2020 nicht übertreffen wird. Ende Februar könnte demnach mit einem Ergebnis gerechnet werden - eher sogar früher, so US-Experten.
Erstmeldung vom 25. Januar, 15.20 Uhr: Washington, D.C. - Ein Amtsenthebungsverfahren gegen jemanden, der gar nicht mehr im Amt ist? Das klingt erst einmal skurril, doch der US-Senat befasst sich demnächst genau damit. Und das hat einen Grund.
Donald Trump hat zwar schon am 20. Januar das Weiße Haus verlassen. Doch vorerst bleibt möglich, dass er noch einmal dorthin zurückkrehrt. In den USA darf jeder US-Präsident bis zu zwei Amtszeiten absolvieren. Die Gerüchteküche brodelt seit langem: Wird Trump 2024 noch einmal antreten? Gründet er seine eigene Partei? „Wir werden in irgendeiner Form zurückkommen“*, rief er seinen Anhängern vieldeutig zu, bevor er das letzte Mal mit seiner Frau Melania Trump die Air Force One bestieg*.
Für die Demokraten und manche Republikaner im US-Kongress ist dieser Gedanke ein Graus. Mit dem Sturm auf das Kapitol in Washington, D.C. am 6. Januar sahen viele der Abgeordneten im Repräsentantenhaus ihre Chance. „Anstiftung zum Aufruhr“ lautet der Anklagepunkt, dessen Donald Trump im Amtsenthebungsverfahren schuldig gesprochen werden soll. Trump soll mit seinen Reden seine Anhänger dazu verleitet haben, gewaltvoll das Herz der Demokratie in der US-Hauptstadt zu stürmen.
Neben den Demokraten stimmten auch zehn Republikaner im Repräsentantenhaus* für die Eröffnung des Verfahrens. Damals war Donald Trump noch ein paar Tage US-Präsident. Entscheiden darüber, ob er politisch verurteilt wird, muss aber letztendlich der Senat*. Würde das passieren, könnte ein folgenreiche Schritt eintreten: In einer weiteren Abstimmung wäre die Parlamentskammer dazu in der Lage, Trump zu verbieten, noch einmal Präsident werden dürfen. Darauf zielen einige ab.
Für eine erste Verurteilung braucht es jedoch schon eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Senatoren. Nominell steht es 50:50 für die beiden großen Parteien - inklusive unabhängiger Abgeordneter. Mindestens 17 Republikaner müssten also dem Impeachment zustimmen, wenn alle demokratischen Abgeordneten mitziehen und alle anwesend sind. Ob es dazu kommt, ist noch völlig offen.
Ein Argument dabei, das wichtig werden könnte: Gründet Trump tatsächlich noch eine eigne Partei und zieht seine treuen Anhänger von der Republikanischen Partei* ab, würde das einen immenser Schaden für die Republikaner in den USA darstellen. Andere Stimmen wiederum bringen die Erklärung vor, ein Impeachment würde die Nation noch weiter spalten - und sind deshalb dagegen.
Wie die Washington Post berichtet, soll das Republican National Committee (RNC), das nationale Organisationsgremium der Republikanischen Partei, am Wochenende heftig diskutiert haben, wie sie auf die Amtsenthebung reagieren sollen. Der republikanische Senator Mitt Romney, der Trump schon häufiger attackierte, unterstützte ein Impeachment-Verfahren. Es brauche „Wahrheit und Gerechtigkeit“ sagte er Fox News Sunday. Er ließ offen, ob er für oder gegen die Amtsenthebung stimmen wird.
Senator Marco Rubio hingegen sagte in der gleichen Sendung, er halte den Prozess für „dumm“ und schädlich für die USA, selbst wenn Trump „für einige der Ereignisse verantwortlich“ sei. Ein Prozess würde alles wieder aufrühren, stattdessen wünscht sich Rubio: „Wir müssen an einigen wirklich wichtigen Dingen arbeiten.“ Wähler müssten entscheiden, wen sie am Ende wählen.
Es gibt aber auch Republikaner, die weiter an Trump festhalten. Senator Rand Paul etwa forderte im US-Sender ABC die Untersuchung des Wahlbetrugs. „Wir hatten nie eine Präsentation vor Gericht, in der wir uns die Beweise tatsächlich angesehen haben.“
Es sind also umstrittene und strategisch bedeutsame Entscheidungen, die anstehen. Am Montag soll die Anklage zur Einleitung des Amtsenthebungsprozesses eingereicht werden. Das kündigten die Spitzen der Demokraten im Kongress, Chuck Schumer und Nancy Pelosi, am Freitag an. Dann wird die Anklageschrift im Senat verlesen - 19 Uhr Ortszeit, 1 Uhr MEZ am Dienstag. Die heiße Phase der Verhandlungen soll in der zweiten Februarwoche beginnen. Dem neuen US-Präsidenten Joe Biden kommt das entgegen. So kann der Senat zuerst über seine nominierten Minister abstimmen und sich mit wichtigen Vorhaben der Regierung* befassen.
Trump* ist der erste Präsident in der US-Geschichte, der zum zweiten Mal im Mittelpunkt eines Impeachment-Verfahrens steht. Der erste Prozess 2019 wegen der sogenannten Ukraine-Affäre endete mit einem Freispruch. (cibo) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.