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Wegen der "Ehe für alle": Alle sind sauer auf Merkel

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Wegen der "Ehe für alle": Alle sind sauer auf Merkel
Angela Merkel hat sich in den Regierungsfraktionen jede Menge Unmut zugezogen © AFP

Angela Merkel hat die Tür für die "Ehe für alle" geöffnet. Der SPD kommt so ein Wahlkampfthema abhanden. Die aber kontert - und die Union hat von der Kanzlerin "die Nase voll".

Berlin - Angela Merkel (CDU) gilt nicht nur in Wahljahren als Meisterin der "asymmetrischen Demobilisierung" - also auch darin, gezielt einzulenken und dem politischen Gegner die Aufreger-Themen zu nehmen. Diesmal könnte sich die Kanzlerin aber verkalkuliert haben. Ausnahmsweise. Denn drei Monate vor der Bundestagstagswahl treibt die SPD auf einmal die Union im Konflikt um die Ehe für Homosexuelle in die Enge.

Merkel war am Montag überraschend beim Talk mit einem Frauen-Magazin vom klaren Nein der CDU in dieser Frage abgerückt und hatte von einer "Gewissensentscheidung" gesprochen. Der SPD schien damit vor der Wahl eines der wenigen polarisierenden Themen genommen. Aber die Sozialdemokraten drehten den Spieß um und gehen die Offensive. Sie wollen nun die vollständige Gleichstellung homosexueller Paare gegen den Willen des Koalitionspartners noch in dieser Woche im Bundestag beschließen lassen.

Damit nicht genug: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kündigte zudem an, bei der anstehenden Entscheidung im Bundestag eine namentliche Abstimmung zu beantragen. Damit wüssten die Wähler dann auch, welche Abgeordneten hinter der Ehe für alle stünden, sagte Oppermann am Dienstagabend im ZDF. «Für die Union ist das ein Riesenproblem.» Er rechne mit vielen Gegenstimmen aus der CDU/CSU-Fraktion.

Merkels eigene Fraktion grollt: "Haben die Nase voll"

Rachegelüste hegt nach Merkels Schachzug nicht nur der Koalitionspartner. Nach Informationen der Passauer Neuen Presse gab es deshalb am Dienstag auch in der Spitze der Unionsfraktion heftige Kritik an der Kanzlerin. In einer Sitzung des Fraktionsvorstandes hätten mehrere Mitglieder in Abwesenheit Merkels ihren Unmut darüber geäußert, dass die CDU-Chefin die Fraktion vor vollendete Tatsachen gestellt habe, meldet das Blatt. «Wir haben die Nase voll», hieß es demnach laut Teilnehmern.

Die Union ist gegen eine Abstimmung noch vor der Bundestagswahl, sie möchte das in CDU und CSU umstrittene Thema erst ausführlich diskutieren. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wirft der SPD wegen ihres Vorstoßes «Vertrauensbruch» vor. Er kündigte ein Nein in der Abstimmung an. Merkel selbst kritisierte das Vorgehen der SPD in der Unionsfraktion laut Teilnehmerkreisen als «überfallartig».

SPD nutzt die rot-rot-grüne Mehrheit - ein Affront?

Die Abstimmung soll voraussichtlich am Freitag stattfinden. Eine Mehrheit gilt als sicher, weil auch Linke und Grüne die Ehe für alle fordern. Die CDU/CSU-Fraktion erklärte die Entscheidung am Dienstag zur Gewissensfrage. Damit entfällt der sogenannte Fraktionszwang, der Abgeordnete an eine vorgegebene Linie binden soll.

Der Rechtsausschuss des Bundestages berät heute über den seit langem vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesrates zur gleichgeschlechtlichen Ehe. In der Unionsfraktion geht man davon aus, dass die SPD die Beschlussempfehlung zusammen mit Linken und Grünen billigt. Ein solches rot-rot-grünes Votum wäre ein höchst ungewöhnlicher Vorgang zwischen den Regierungspartnern.

"Koalitionsbruch" der SPD - oder doch eher Merkels "Wahltaktik"?

Der CDU-Rechtspolitiker Patrick Sensburg hielt der SPD einen «Koalitionsbruch aus Kalkül» vor. In den Zeitungen der Funke Mediengruppe beschuldigte er den Koalitionspartner, die Lage der Union auszunutzen. «Was sollen wir machen in der letzten Parlamentswoche? Die Koalition aufkündigen, die Regierung platzen lassen? Der Köcher der Möglichkeiten ist leer.»

Oppermann verteidigte den Vorstoß der SPD. «Wenn alle der Meinung sind, dass das eine Gewissenentscheidung ist, dann ist das auch kein Koalitionsbruch», sagte der SPD-Fraktionschef im ZDF-«heute-journal». «Für Frau Merkel war das eine wahltaktische Frage. Für uns ist die Ehe für alle aber eine Grundüberzeugung.» Familienministerin Katarina Barley (SPD) vertrat in den «Ruhr Nachrichten» die Ansicht, Merkel habe sich selbst ein Bein gestellt.

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), machte erneut verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Öffnung der Ehe für Homosexuelle geltend. «Das Innen- und Justizministerium haben immer die Meinung vertreten, die Ehe für alle geht nicht ohne eine Verfassungsänderung», sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post. «Es spricht daher einiges dafür, dass die vorgeschlagene Gesetzesänderung das Ehegrundrecht verletzt.»`

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dpa/fn

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