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Neue Wut über Erdogans Türkei: Journalist in deutschem Exil soll 27 Jahre in Haft - „Das Urteil war längst getroffen“

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Recep Tayyip Erdogan Türkei Ankara Zeremonie
Lässt die Muskeln spielen: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara. © Uncredited

Can Dündar hatte über Waffenlieferungen der Türkei an syrische Islamisten berichtet. Nun soll der Journalist 27 Jahre in Haft - in der Kritik steht einmal mehr Recep Tayyip Erdogan.

Istanbul/Berlin - Der im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar ist Medienberichten zufolge von einem Istanbuler Gericht in Abwesenheit zu gut 27 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht ordnete die Festnahme des früheren Chefredakteurs der oppositionellen Zeitung Cumhuriyet an.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Dündar bereits in der Vergangenheit als „Agent“ bezeichnet - schon lange gibt es auch Vorwürfe, es handle sich um einen politisch beeinflussten Prozess gegen den Journalisten. Vor wenigen Tagen hatte bereits ein Prozess gegen einen in der Türkei inhaftierten Deutsch-Türken für ebenso skurrile wie haarsträubende Schlagzeilen gesorgt.

Erdogan in der Kritik: Journalist Dündar zu 27 Jahren Haft verurteilt - war das Urteil „längst getroffen“?

Einem Gerichtsprotokoll zufolge wurde Dündar zum einen mit einer Haftstrafe von 18 Jahren und neun Monaten belegt, weil er nach Ansicht der Richter Staatsgeheimnisse mit dem Ziel der militärischen und politischen Spionage erhalten hatte. Das Gericht verurteilte ihn zudem zu acht Jahren und neun Monaten Haft wegen Terrorunterstützung.

Von dem Vorwurf geheime Informationen bekanntgegeben zu haben, wurde er demnach freigesprochen. Die Anwälte Dündars boykottierten aus Protest die Verhandlung. Sie hatten die Entscheidung zuvor damit begründet, dass sie kein Urteil legitimieren wollen, das zuvor bereits politisch entschieden worden sei.

Gleichlautende Vorwürfe in Richtung Erdogan und türkischer Justiz äußerten am Mittwoch auch Politiker und Journalisten. „Erdoğan meinte damals, ‚Ich lasse ihn nicht so einfach gehen‘. Das Urteil war längst getroffen“, twitterte die türkische TV-Moderatorin Banu Güven auf Deutsch. Der SPD-Europabeauftragte Udo Bullmann erklärte in dem Kurznachrichtendienst, Europa müsse sich hinter Dündar und „alle, die ihre Meinung frei äußern“ stellen. Erdogan verfolge eine „Politik der Verfolgung und Unterdrückung“. Die EU befindet sich in einem sich verschärfenden Streit mit der Türkei.

Türkei: Dündar berichtete über Waffenlieferungen an Islamisten - Erdogan wetterte öffentlich gegen „Agenten“

Die Vorwürfe gegen Dündar beziehen sich auf einen brisanten Bericht über geheime Waffenlieferungen der Türkei an Islamisten in Syrien. Wegen dieses Artikels war Dündar bereits im Jahr 2016 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. In der Folge ging er im selben Jahr nach Deutschland ins Exil. Im Oktober beschlagnahmten die türkischen Behörden Dündars Vermögen in der Türkei.

Mit dem Artikel über die Waffenlieferungen hatte Dündar den Zorn Erdogans auf sich gezogen. Erdogan beschuldigte Dündar, ein „Agent“ zu sein, der „Staatsgeheimnisse“ preisgegeben habe. Erinnerungen weckt der Fall auch an den Prozess gegen den deutschen Journalisten Deniz Yücel.

Can Dündar in der Türkei verurteilt: Oberster Gerichtshof hatte früheren Richterspruch aufgehoben

Dündar war für die Veröffentlichungen bereits 2016 zu mehr als fünf Jahren Haft wegen Geheimnisverrats verurteilt, und vom Vorwurf der Spionage freigesprochen worden. Der Oberste Gerichtshof in Ankara hatte das Urteil 2018 aber aufgehoben und erklärt, ein neues Verfahren gegen Dündar müsse um den Straftatbestand der Spionage ausgeweitet werden.

Die Türkei steht international regelmäßig wegen ihrer systematischen Einschränkung der Pressefreiheit in der Kritik. Das Land belegt derzeit den 154. Platz auf der Rangliste der internationalen Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen. (dpa/AFP/fn)

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