Obwohl das heiratsfähige Alter auch in der Türkei offiziell bei 18 Jahren liegt, werden vor allem in ländlichen Regionen oft minderjährige Mädchen in „Imam-Ehen“ verheiratet. Dabei handelt es sich um religiöse Eheschließungen, die keine rechtliche Gültigkeit besitzen. Sofern der Ehemann volljährig ist, macht er sich dadurch des Kindesmissbrauchs schuldig. Das kommt aber oftmals erst ans Licht, wenn das Mädchen in ein staatliches Krankenhaus eingeliefert wird, um ein Kind zu entbinden.
In den rund 4000 betroffenen Familien würden Väter deshalb im Gefängnis sitzen, während die junge Mutter mit den Kindern oft allein und mittellos sei, sagt die Regierung. Die Frauenrechtsanwältin Selin Nakipoglu und andere Frauenrechtler halten die vermeintliche Rücksichtnahme auf Opfer jedoch für einen Vorwand der Regierung, um erzkonservative Vorstellungen des Familienlebens im Gesetz zu verankern. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte Nakipoglu, in der AKP werde gemunkelt, die Forderung nach dem neuen Gesetzespaket gehe von islamistischen Gruppen aus.
Welche Reaktionen der Entwurf im türkischen Parlament hervorrufen wird, wird sich zeigen. Frauenrechtler laufen jedoch bereits Sturm. Die Moderatorin Aleena Farooq Shayk äußerte sich auf Twitter bestürzt.
Sie bezeichnete den Entwurf als „Marry-Your-Rapist-Bill“ - zu Deutsch: „Heirate deinen Vergewaltiger“-Gesetz. „Abseits der Tatsache, dass damit Vergewaltigung legalisiert wird, wird das Opfer gezwungen, seinen schlimmsten Alptraum jeden Tag wieder für den Rest seines Lebens zu erleben“, schreibt sie auf Twitter.
„Dieser Entwurf wird nicht Gesetz werden, und das darf er auch nicht“, sagte Nakipoglu dem Tagesspiegel zufolge. Noch zögert die AKP, das Gesetzespaket ins Parlament einzubringen. Gespräche gibt es darüber schon seit Monaten. Nun soll es dazu frühestens in der zweiten Februarwoche kommen, doch auch das ist bislang unsicher. Die AKP-Regierung scheint angesichts des beachtlichen Gegenwinds verunsichert zu sein.
nema
Auch weitere Entwicklungen in der Türkei werden derzeit im Ausland mit Sorge betrachtet. Wegen bestimmter Vorfälle hat die EU Zahlungen in das Land von Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter gekürzt.
Kürzlich war außerdem Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch in der Türkei bei Präsident Recep Tayyip Erdogan. Kurz vor ihrem Eintreffen wurde ein „Geheimdokument“ öffentlich.