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Kindesmissbrauch bei Heirat in der Türkei bald straffrei? Erdogans AKP schockt Frauenrechtler

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Die türkische Regierung unter Erdogan will ein umstrittenes Gesetz zum Thema Kindesmissbrauch durchsetzen.
Die türkische Regierung unter Erdogan will ein umstrittenes Gesetz zum Thema Kindesmissbrauch durchsetzen. © AFP / ADEM ALTAN

Durch ein neues Gesetz will Erdogan Kindesmissbrauch unter bestimmten Bedingungen für straffrei erklären. Frauenrechtler befürchten Vorteile für Vergewaltiger.

Ankara -  Große Beunruhigung bei Frauenrechtlern löst derzeit ein Gesetzesentwurf von Recep Tayyip Erdogans Regierungspartei AKP in der Türkei aus. Bereits zum zweiten Mal macht die konservative Partei einen Vorstoß, der Männer schützen soll, die Minderjährige vergewaltigt haben.

Türkei: Straffreiheit für Vergewaltiger? AKP legt Gesetzesentwurf vor

Die AKP hatte bereits im Jahr 2016 einen ähnlichen Gesetzesentwurf vorgelegt, wie die Bild berichtet. Nach massiven Protesten hatte die Partei ihren Plan jedoch wieder verworfen. Auch Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich damals gegen einen solchen Entwurf ausgesprochen. 

Konkret sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Vergewaltiger nicht bestraft werden, wenn sie ihre minderjährigen Opfer heiraten. Die Ehe muss dabei einvernehmlich geschlossen werden. Auch bereits verurteilte Männer, die für ihre Tat im Gefängnis sitzen, könnten durch ein solches Gesetz wieder freigelassen werden - sofern sie eine Ehe mit ihren Opfern eingehen. Die Regelung könnten offenbar bis zu 4000 Täter betreffen. Die derzeitige Gesetzeslage in der Türkei sieht vor, dass einem Mann, der eine Minderjährige unter 15 Jahren vergewaltigt, bis zu drei Jahren Gefängnis drohen. 

Video: Nicht nur in der Türkei zerstören Kinderehen Menschenleben 

Gesetzesentwurf in der Türkei: Straffreiheit für Vergewaltiger? Frauenrechtler sind entsetzt

Paradoxerweise will die AKP so Probleme um in der Türkei geschlossene Kinderehen lösen, berichtet die Bild weiter. Die verantwortlichen Politiker verteidigen den Gesetzesentwurf als notwendige Reaktion auf eine soziale Realität in einem Land, in dem Ehemänner tausender minderjähriger Mädchen hinter Gittern sitzen, heißt es beim Tagesspiegel. 

Obwohl das heiratsfähige Alter auch in der Türkei offiziell bei 18 Jahren liegt, werden vor allem in ländlichen Regionen oft minderjährige Mädchen in „Imam-Ehen“ verheiratet. Dabei handelt es sich um religiöse Eheschließungen, die keine rechtliche Gültigkeit besitzen. Sofern der Ehemann volljährig ist, macht er sich dadurch des Kindesmissbrauchs schuldig. Das kommt aber oftmals erst ans Licht, wenn das Mädchen in ein staatliches Krankenhaus eingeliefert wird, um ein Kind zu entbinden. 

In den rund 4000 betroffenen Familien würden Väter deshalb im Gefängnis sitzen, während die junge Mutter mit den Kindern oft allein und mittellos sei, sagt die Regierung. Die Frauenrechtsanwältin Selin Nakipoglu und andere Frauenrechtler halten die vermeintliche Rücksichtnahme auf Opfer jedoch für einen Vorwand der Regierung, um erzkonservative Vorstellungen des Familienlebens im Gesetz zu verankern. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte Nakipoglu, in der AKP werde gemunkelt, die Forderung nach dem neuen Gesetzespaket gehe von islamistischen Gruppen aus.

Erdogans AKP entsetzt Frauenrechtler mit „Heirate deinen Vergewaltiger“-Gesetz

Welche Reaktionen der Entwurf im türkischen Parlament hervorrufen wird, wird sich zeigen. Frauenrechtler laufen jedoch bereits Sturm. Die Moderatorin Aleena Farooq Shayk äußerte sich auf Twitter bestürzt. 

Sie bezeichnete den Entwurf als „Marry-Your-Rapist-Bill“ - zu Deutsch: „Heirate deinen Vergewaltiger“-Gesetz. „Abseits der Tatsache, dass damit Vergewaltigung legalisiert wird, wird das Opfer gezwungen, seinen schlimmsten Alptraum jeden Tag wieder für den Rest seines Lebens zu erleben“, schreibt sie auf Twitter.

„Dieser Entwurf wird nicht Gesetz werden, und das darf er auch nicht“, sagte Nakipoglu dem Tagesspiegel zufolge. Noch zögert die AKP, das Gesetzespaket ins Parlament einzubringen. Gespräche gibt es darüber schon seit Monaten. Nun soll es dazu frühestens in der zweiten Februarwoche kommen, doch auch das ist bislang unsicher. Die AKP-Regierung scheint angesichts des beachtlichen Gegenwinds verunsichert zu sein.  

nema

Türkei: Auch andere Entwicklungen werden im Ausland mit Sorge betrachtet

Auch weitere Entwicklungen in der Türkei werden derzeit im Ausland mit Sorge betrachtet. Wegen bestimmter Vorfälle hat die EU Zahlungen in das Land von Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter gekürzt. 

Kürzlich war außerdem Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch in der Türkei bei Präsident Recep Tayyip Erdogan. Kurz vor ihrem Eintreffen wurde ein „Geheimdokument“ öffentlich. 

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