Auch der CDU-Vizevorsitzende Thomas Strobl warnte die Sozialdemokraten vor überzogenen Erwartungen. „Für die weiteren Verhandlungen gilt das, was wir in der Sondierung gemeinsam erarbeitet haben“, sagte Strobl den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Es werde „nicht nachgekartet“. Trotz der geplanten Mitgliederbefragung bei den Sozialdemokraten erwarte er, dass die SPD die Koalitionsverhandlungen „nicht hasenfüßig führt“, so Strobl.
Die Linke bezeichnete die Entscheidung der SPD zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union als „historischen Fehler“. „Es droht die endgültige Atomisierung der deutschen Sozialdemokratie“, erklärte Parteichefin Katja Kipping am Sonntag in Berlin.
Der Co-Vorsitzende Bernd Riexinger betonte: „Die SPD begeht Harakiri.“ Kommissionen, Arbeitsgruppen und Halbzeitbilanzen könnten nicht darüber hinweg täuschen, dass sich in der SPD diejenigen durchgesetzt hätten, die um jeden Preis an der Macht bleiben wollten. Noch im Wahlkampf sei soziale Gerechtigkeit die Kernforderung der SPD gewesen. An den elementaren Stellschrauben für eine gerechtere Gesellschaft habe die SPD jedoch nicht drehen wollen.
FDP-Chef Christian Lindner erwartet schwierige - und teure - Koalitionsverhandlungen. „Wenn die gesamte Führung für den Regierungseintritt wirbt, aber nur eine knappe Mehrheit des Parteitags folgt, ist das eine Hypothek“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Das Ergebnis lässt befürchten, dass in den Koalitionsverhandlungen nun Rückschritte zu erwarten sind. Widersprüche zwischen den Koalitionspartnern werden nach „Methode Merkel“ nun vermutlich mit noch mehr Steuergeld zugeschüttet.“
Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt lobte die intensive Parteitagsdebatte der SPD, konstatierte aber auch ihre Regierungsunlust. „@spdde hat hart und fair diskutiert. Respekt“, schrieb sie bei Twitter. „Von Aufbruch, von Leidenschaft, von Lust auf Regieren war wenig zu spüren. Schade.“
Die AfD bezeichnete die SPD-Entscheidung als „würdelos“ und „unglaubwürdig“. Die Sozialdemokraten hätten sich entschieden, ihren „trudelnden Blindflug“ in die Bedeutungslosigkeit fortzusetzen, sagte Parteichef Jörg Meuthen. Das Ziel der AfD, im Bund langfristig zweitstärkste Kraft zu werden, sei dadurch noch ein Stück näher gerückt. Als Parteichef freue er sich zwar über diese selbstzerstörerische Entscheidung der SPD freue, aber: „Dem Land schadet es, wenn wieder nur weitergewurschtelt wird“, sagte der AfD-Chef der Deutschen Presse-Agentur.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) begrüßte die Zustimmung des SPD-Parteitags. „Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung“, unterstrich BDA-Präsident Ingo Kramer. Er forderte, eine große Koalition müsse auch in einem Koalitionsvertrag Antworten auf die Frage geben, wie der Wirtschaftsstandort Deutschland wettbewerbsfähig weiterentwickelt werden solle.
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, sprach von einem durchwachsenen Signal. „Einerseits wächst die Hoffnung, dass in Deutschland die Parteien auch bei einer schwierigen Ausgangslage eine Koalition vereinbaren können. Andererseits enthält der Beschluss inhaltliche Nachforderungen, die die weiteren Verhandlungen belasten.“
Hilde Mattheis, die Vorsitzende des SPD-internen Forums Demokratische Linke, will nun bis zum Mitgliederentscheid die Kampagnenfähigkeit der NoGroKo stärken. Sie gehe davon aus, dass die Mitglieder durch die bisherige Debatte noch mehr sensibilisiert seien, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
In der EU ist die Entscheidung der SPD mit Erleichterung aufgenommen worden. Der französische EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici begrüßte am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter "das Verantwortungsbewusstsein der SPD".
Der Kabinettschef von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Martin Selmayr, sprach von "sehr guten Nachrichten für ein vereinteres, stärkeres und demokratischeres Europa!" Selmayr verwies dabei auf die Debatte zur "Zukunft Europas".
Juncker wie auch der französische Präsident Emmanuel Macron haben bereits umfangreiche Vorschläge für die Reform der EU und der Eurozone vorgelegt. Ohne eine neue deutsche Regierung sind hier aber kaum schnelle Fortschritte zu erwarten.
"Europa braucht eine Sozialdemokratie, die engagiert und konstruktiv ist", schrieb der Sozialist Moscovici weiter.
Nun müsse bei der SPD aber auch noch "die Basis" durch fortschrittliche Vereinbarungen im Koalitionsvertrag mit der Union überzeugt werden.
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dpa/AFP