Der im vergangenen Jahr mit Stimmen der AfD zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählte FDP-Politiker Thomas Kemmerich ist unterdessen nicht mehr Mitglied im Bundesvorstand seiner Partei. Er war bisher Beisitzer, trat aber am Freitag bei den Wahlen auf dem digitalen FDP-Parteitag nicht mehr an. Der 56-Jährige hatte das Amt bereits seit Mai 2020 ruhen lassen. Kemmerich hatte seine Partei in eine Krise gestürzt, als er im Februar 2020 im Thüringer Landtag für das Amt des Ministerpräsidenten kandidierte und überraschend tatsächlich die nötige Stimmenzahl erhielt* - dies war nur durch Unterstützung aus der AfD möglich
Update vom 14. Mai, 16.30 Uhr: FDP-Parteichef Christian Lindner ist auf dem digitalen Parteitag mit 93 Prozent wiedergewählt worden. Damit ist er nun weiterhin Vorsitzender und auch Spitzenkandidat der Liberalen für die Bundestagswahl. Am Freitag stimmten 534 von 576 Delegierten für den 42-Jährigen. Es gab 31 Nein-Stimmen und elf Enthaltungen. Das Ergebnis muss nun noch durch eine Briefwahl bestätigt werden.
Update vom 14. Mai, 13.50 Uhr: FDP-Chef Christian Lindner hat Steuererhöhungen zur Bewältigung der Corona-Krise eine scharfe Absage erteilt. Im Gegenteil wolle seine Partei die Wirtschaft von Hemmnissen befreien und die Gesellschaft bis in die qualifizierte Mitte hinein entlasten, sagte Lindner am Freitag beim Bundesparteitag der FDP. „Es ist die Marktwirtschaft, die die Pflöcke einschlägt, an denen das soziale Netz aufgehangen wird. Es ist die Marktwirtschaft, die die Mittel bereitstellt, die wir danach investieren können in Digitalisierung und Klimaschutz“, sagte er.
Deshalb müsse es erste Priorität haben, nach der Krise an der Erholung der Wirtschaft zu arbeiten. Lindner kritisierte den Ruf nach Steuererhöhungen, der teils wie ein politischer Selbstzweck daherkomme. „Das wird es mit uns Freien Demokraten nicht geben“, sagte Lindner. Bei einem normalen Einkommen müsse es in Deutschland möglich sein, sich Schritt für Schritt eine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erarbeiten und am Ende des Arbeitslebens in einem Eigenheim zu wohnen.
„Ein Hochsteuerland, das ist nicht attraktiv für die klugen Köpfe und für die fleißigen Hände auf der Welt, die wir als alternde Gesellschaft zu uns einladen müssen, um die Stellen zu besetzen, die in der nächsten Zeit frei werden, weil eine starke Generation der Babyboomer in das Ruhestandsalter eintritt“, sagte Lindner.
Den anhaltenden Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen auf Israel kritisierte er als „Akte des Terrors“. Zugleich verurteilte er antisemitische Ausschreitungen in Deutschland. „Es darf auch zukünftig kein Zweifel bestehen, wo Deutschlands Platz ist, nämlich an der Seite der Menschen in Israel, dessen Existenzrecht Teil unserer Staatsraison ist“, betonte Lindner. „Die Hamas indessen ist eine Terrororganisation.“ Und: „Genauso wenig können wir Antisemitismus in welcher Form auch immer in Deutschland tolerieren. Hetze oder Gewalt gegen Einzelne unter uns richtet sich immer gegen die Freiheit dieser Gesellschaft insgesamt“, sagte Lindner.
Update vom 14. Mai, 13 Uhr: FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich beim digitalen Parteitag seiner Partei gewohnt kämpferisch. Angelehnt an das Parteitags-Motto „Nie gab es mehr zu tun“ sagte Lindner: „Soziale Sicherung ist brüchig geworden. Klimaziele stehen im Gesetz, aber ihre Realisierung steht in den Sternen. Staatsorganisation und Infrastruktur sind nicht auf der Höhe der Zeit. Kreativität ist durch Bürokratismus gefesselt.“ Deshalb sei ein „Weiter so“ nun eine große Gefahr für Deutschlands Zukunft.
Ein paar lobende Worte äußerte Lindner für den Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet*. Die beiden kennen sich aus der Zeit der Regierungsbildung in NRW. „Armin Laschet hat schon viel Interessantes und Sympathisches jetzt als Vorsitzender der Union gesagt“, meint Lindner. Fügt aber schnell hinzu: „Dabei handelt es sich meist um Projekte, die in NRW von liberalen Kabinettsmitgliedern verantwortet werden.“ Laschets Stärke sei seine Gabe zu integrieren - „keine unwichtige Tugend in einem Land, das sich gerade auf den Weg macht, aus einer Krise herauszufinden“. Lindners Kalkül dürfte bekannt sein: Mit einer starken Union darf sich die FDP Hoffnungen auf eine Zweierkoalition nach der Wahl machen.
Doch der „große Integrator“, so Lindner über Laschet, sei bereits dabei, Dinge zu installieren, die die Grünen fordern: „Er ist bereits vor der Wahl dabei, das Programm der Grünen zu integrieren.“ Deshalb Lindners Schlussfolgerung: „Es ist klug, Armin Laschet mit den Grünen nicht alleinzulassen. Am Ende fusionieren die noch.“
Für den FDP-Chef entscheiden mittlerweile nicht mehr einzelnen Persönlichkeiten allein. Vielmehr sei es die „Konstellation, die den Charakter einer Kanzlerschaft ausmacht“. So bedeute eine Kanzlerin Annalena Baerbock in einer Koalition mit den Linken etwas anderes als mit der Union als Juniorpartner. Das Ziel der FDP formuliert Lindner deshalb deutlich: „Unser Wahlziel ist es, so stark zweistellig zu werden, dass sowohl schwarz-grüne als auch grün-rot-rote Mehrheitsbildungen ausgeschlossen sind.“ Deutschland müsse weiter aus der Mitte heraus regiert werden.
Zur Corona-Pandemie sagte Lindner: „Wir fühlen mit den Menschen, die um ihre Existenz, ihr Lebenswerk bannen.“ Denn das zentrale Instrument „Wir bleiben zuhause“ fordere einen so hohen Preis, dass die Liberalen stets nach innovativeren Alternativen zu pauschalen Lockdowns suchen würden. Und ihre kritische Haltung zeige auch Wirkung: „Einschränkungen der Grundrechte werden langsam aufgehoben“, hält Lindner unter anderem fest. „Das muss weitergehen!“ Die Bundesnotbremse müsse schon jetzt modifiziert werden, die Regierung sollte nicht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warten. „Jetzt sind Entscheidungen zu treffen, die uns im Herbst ein gesellschaftliches Leben ermöglichen“, etwa durch die Forschung an Mutationen oder die Vorbereitung von Impfangeboten für Kinder und Jugendliche.
Update vom 14. Mai, 11.58 Uhr: Mit deutlicher Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung hat der stellvertretende FDP Vorsitzende Wolfgang Kubicki den Bundesparteitag der Liberalen eröffnet. „Es wurden Grundrechtsbeschränkungen eingeführt, von denen die Bundesregierung selbst nie richtig erklärte, ob diese Beschränkungen überhaupt ihren Zweck erfüllen können“, sagte Kubicki am Freitag in Berlin. „Das Narrativ entstand, härtere Grundrechtseinschränkungen führten zu größeren Erfolgen in der Pandemiebekämpfung.“ Die FDP habe sich anhören müssen, mit ihrer Kritik verantwortungslos zu sein.
„Wenn die Verteidiger der Freiheit und des Rechtsstaats mit Populisten verglichen werden, dann sollte uns das nicht irritieren“, betonte Kubicki. Es sollte für die FDP vielmehr Ansporn sein, um noch mehr für Freiheit und Rechtsstaat zu streiten. „Wenn das Populismus ist, dann will ich Populist sein.“
Kubicki gab als Ziel für die Bundestagswahl am 26. September aus, das Ergebnis der Wahl 2017 von 10,7 Prozent zu übertreffen. „Wir wollen so stark werden, dass es ohne uns keine seriöse Regierungsbildung geben kann“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Bundestags. Sein persönliches Ziel sei es, dass die Freien Demokraten drittstärkste Kraft werden. „An unsere Sportfans: Wir wollen aufs Treppchen.“
Erstmeldung vom 14. Mai: Berlin - Die Bundestagswahl 2021 rückt näher, nach und nach beschließen die Partei ihre Wahlprogramme. Ab Freitag 11 Uhr befasst sich auch die FDP damit - auf einen dreitägigen, digitalen Parteitag. Höhepunkte im Programm sind etwa die Rede von Parteichef Christian Lindner am Freitag, um 12 Uhr. Am Nachmittag stellt er sich anschließend zur Wiederwahl. Lindner will die Freien Demokraten auch als Spitzenkandidat in die Wahl führen will.
Zudem entscheiden die 662 Delegierten über andere Posten im Präsidium und dem Bundesvorstand. Wie bereits etwa beim digitalen Parteitag der CDU müssen die Abstimmungsergebnisse anschließend per Briefwahl bestätigt werden.
Neben den Personalentscheidungen soll es eben auch zur Verabschiedung des Wahlprogramms der FDP kommen. „Nie gab es mehr zu tun“, heißt das Motto und der Entwurf dazu, bestückt mit klassischen Themen der Liberalen, etwa Steuersenkungen und Entbürokratisierung, aber auch gesellschaftlich progressive Forderungen. Zudem setzte die Partei auf ein moderneres Bildungssystem und einen Staat, der digitaler wird.
In der Corona-Pandemie hat die FDP ihre Rolle in der Opposition gefunden und kritisiert seit Monaten scharf die Maßnahmen der Regierung. Vor allem die nächtliche Ausgangssperre und längere Schließungen prangern FDP-Politiker an. Angesichts aktuell sinkender Corona-Fallzahlen hat FDP-Generalsekretär Volker Wissing beispielsweise erneut eine klare Perspektive für die Öffnung von Hotels und Gastronomie angemahnt. In der Neuen Osnabrücker Zeitung forderte er, „ein bundeseinheitliches Signal für Hotels, Ferienwohnungen und Restaurants zu setzen, wann es für sie wieder losgehen kann“. Die Menschen in diesen Branchen bräuchten „endlich eine Perspektive“, sagte er. „Der jetzige Zustand ist eine große Belastung.“
In Umfragen liegt die Partei derzeit meist zwischen zehn und zwölf Prozent. Damit liegen die Liberalen in der Nähe ihres Ergebnisses der Bundestagswahl 2017, als sie 10,7 Prozent der Stimmen erhielten.
Nach den Worten ihres Vorstandsmitglieds Johannes Vogel werde sich die FDP im Bundestagswahlkampf nun nicht auf einen bestimmten Gegner festlegen. „Mein Eindruck ist, dass wir in den vergangenen Wahlkämpfen dann erfolgreich waren, wenn wir uns mit den anderen Parteien nichts geschenkt haben und entschlossen mit allen Mitbewerbern aus dem demokratischen Spektrum um Wechselwählerinnen und Wechselwähler gerungen haben“, sagte Vogel der Deutschen Presse-Agentur. Die FDP sollte daher in den Wettbewerb sowohl mit der CDU wie auch mit Grünen* und SPD* eintreten.
Vogel sagte, die FDP solle die Grünen zum Beispiel in der Sozialpolitik stellen - „wo viele Wählerinnen und Wähler nach meinem Eindruck gar nicht wissen, wie links deren Überzeugungen sind“. Außerdem: „Die CDU* sollten wir stellen bei ihrer bisherigen Ambitionslosigkeit, die haben ja noch nicht einmal ein Wahlprogramm.“ Die SPD habe seit Jahren Verantwortung für die Rente „und nicht einen Vorschlag für ein zukunftsfestes System vorgelegt“.
Ein digitaler Parteitag wegen der Corona-Pandemie bringt immer auch eine gewisse Spannung für alle Beteiligten und Zuschauer mit, denn die Technik kann den Plänen der Partei schnell mal einen Strich durch die Rechnung machen. Das musste vor Kurzem auch die FDP in Rheinland-Pfalz erleben*, als auf ihrem Parteitag das Abstimmungssystem nicht funktionierte. (cibo/dpa/AFP) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.