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"Flüchtlings-Offizier": Rechte Gesinnung offenbar lange bekannt

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Gießen - In dem Fall des Bundeswehr-Offiziers, der sich monatelang als syrischer Flüchtling ausgegeben hat, sind noch viele Fragen offen. Allerdings hätte man gewarnt sein müssen.

Die extrem rechte Gesinnung von Franco A. sei laut "Spiegel" schon seit Jahren bekannt gewesen. Dessen Masterarbeit sei bereits 2014 während seines Studiums an der französischen Militäruniversität Saint-Cyr als extremistisch eingestuft worden, hieß es. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU) kündigten eine umfassende Aufklärung des Falls an.

Nach den bisherigen Ermittlungen war Franco A. dem "Spiegel"-Bericht zufolge an der französischen Elite-Universität aufgefallen, da er in seiner Arbeit "Politischer Wandel und Subversionsstrategie" stramm völkische und teilweise rechtsextreme Meinungen wiederholte und sich nicht von entsprechenden Denkern oder Philosophen distanzierte. Wörtlich beschrieb ein Professor demnach die Arbeit mit dem Urteil, sie sei nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar.

Dies war laut "Spiegel" auch der Bundeswehr bekannt. Ein Bundeswehrwissenschaftler habe in einer Bewertung geschrieben, die Masterarbeit enthalte eindeutig "völkisches Denken". Trotzdem sei ein zunächst gegen den heutigen Oberleutnant deswegen bestehender Verdacht dann fallengelassen worden, da dieser sich von seiner Arbeit mit dem Hinweis distanziert habe, er habe diese unter Zeitdruck geschrieben.

Bundeswehr hatte Hinweise auf extremistische Einstellung dementiert

Von Seiten der Bundeswehr hatte es dagegen in den vergangenen Tagen geheißen, es habe keine Hinweise auf eine extremistische Einstellung des Soldaten gegeben. Auch bei zwei Sicherheitsüberprüfungen durch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) habe es während der rund achtjährigen Dienstzeit des heute 28-Jährigen keine Auffälligkeiten gegeben. Die neuen Erkenntnisse der Ermittler stammen laut "Spiegel" auch nicht aus Bundeswehr-Akten, sondern von einem anderen Soldaten, der seine Vorgesetzten über die Geschehnisse in Frankreich informiert habe.

Der Oberleutnant war am Mittwoch unter dem Verdacht festgenommen worden, einen Anschlag geplant zu haben. Er hatte sich laut Staatsanwaltschaft offensichtlich monatelang unter falschem Namen als syrischer Flüchtling ausgegeben. Ihm war vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sogar sogenannter subsidiärer Schutz gewährt worden. Aufgeflogen war die Doppelidentität des Offiziers durch den Fund einer Pistole, die er auf dem Wiener Flughafen versteckt hatte. Daraus ergibt sich auch der Verdacht einer möglichen Anschlagsplanung.

Von der Leyen sichert rigorose Aufklärung zu

"Wir klären rigoros auf, was geschehen ist, und ziehen wo nötig harte Konsequenzen", sagte von der Leyen laut Verteidigungsministerium am Samstag - noch vor der Veröffentlichung des "Spiegel" - auf dem Bezirksparteitag der CDU-Nordost-Niedersachsen in Rosengarten-Nenndorf. Sie habe den Generalinspekteur der Bundeswehr angewiesen, mögliche Weiterungen des Falls innerhalb der Streitkräfte zu prüfen. Auch sei zwischen Innen- und Verteidigungsministerium eine gemeinsame Koordinierungsgruppe gebildet worden, "die jetzt intensiv den vielen Fragen und Verästelungen nachgeht".

De Maizière teilte am Samstag in Berlin mit, er habe beim Bamf eine Untersuchungsgruppe eingerichtet, "die sehr rasch Ergebnisse vorlegen soll". Diese werde "jetzt intensiv prüfen, wie der vorliegende Fall passieren konnte und ob es weitere Fälle geben kann", erklärte der Minister. Dabei würden insbesondere weitere Entscheidungen der Dolmetscher und Anhörer unter die Lupe genommen, die beim Bamf an dem Vorgang beteiligt waren.

Behörden stehen in der Kritik

Die SPD hatte zuvor sowohl von der Leyen als auch de Maizière Versagen vorgeworfen. „Herr de Maizière und Frau von der Leyen haben ihre Läden nicht im Griff. Diese Minister sind ein Sicherheitsrisiko für Deutschland“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Der Vorgang werfe ein Schlaglicht darauf, wie Personen durch das Flüchtlingsbundesamt (BAMF) und den Verfassungsschutz überprüft würden.

„Sämtliche Kontrollmechanismen, die bereits geltendes Recht sind, sind offenbar missachtet worden“, sagte Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Er warf dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) Versäumnisse in der Informationspolitik vor. Der MAD habe das Kontrollgremium bewusst in die Irre geführt. Auch die Linkspartei hielt den Behörden schwere Versäumnisse vor. Das BAMF habe „sträflich versagt“, sagte der Abgeordnete André Hahn nach. Der MAD habe viel zu spät gehandelt.

Behörden suchen nach möglichem Netzwerk

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und der Militärische Abschirmdienst (MAD) überprüfen laut einem Zeitungsbericht zwei langjährige Bekannte von Franco A. Sie wollten damit herausfinden, ob A. Teil eines Netzwerkes war, zu dem auch diese beiden gehörten, berichtete die "Frankfurter Rundschau" am Samstagabend in ihrer Online-Ausgabe unter Berufung auf Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages. Die Frage, ob ein solches Netzwerk existiert, ist demnach aber noch nicht abschließend beantwortet.

Bisher waren beide Behörden lediglich darauf gestoßen, dass der 28-jährige Oberleutnant der Bundeswehr, der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte, in Verbindung zu einem 24-jährigen ebenfalls rechtsextremistischen Studenten stand, bei dem zahlreiche Waffen gefunden wurden. Beide stammen aus Offenbach.

Bundestagsabgeordnete wollen laut dem Bericht überdies untersuchen, ob Verbindungen in die rechtsextremistische Szene Österreichs bestehen. Der Oberleutnant war aufgefallen, weil er auf einer Toilette des Wiener Flughafens eine Waffe versteckt und behauptet hatte, diese habe er vorher gefunden.

afp/dpa

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