Lesen Sie auch bei fr.de*: Sascha Lobo bei Markus Lanz: Merkel „hat digitales Trümmerfeld“ hinterlassen
Gerade Konservative und der Wirtschaftsflügel setzen also auf die von Merz ausgelöste Euphoriewelle. Ein CDU-Bundestagsabgeordneter anonym: „Ganz ehrlich? In der Partei spricht kaum einer mehr über Merkels baldigen Rückzug. Alle sind euphorisiert wegen Merz. Wir standen Mal bei über 40 Prozent, jetzt bei 24. Er wird den Menschen in der Partei und den CDU-Stammwählern Stolz und Würde zurückgeben und hat eine eindeutige Vision.“
Ein weiterer Politiker der CDU sieht das kritischer, will jedoch in diesem Zusammenhang nicht namentlich genannt werden. Dass nun der 62-jährige Merz als Hoffnungsträger gelte, passe wieder einmal ins Bild der Partei, meint er. Man solle sich einmal ganz genau ansehen, was Merz zuletzt beruflich gemacht habe.
Was er damit meint? Tatsächlich steht hinter seiner Tätigkeit als Aufsichtsrat der immer mal wieder in der Kritik stehenden Investmentgesellschaft BlackRock ein Fragezeichen. Der eine oder andere dürfte in den kommenden Tagen und Wochen nachhaken, was Merz da eigentlich gemacht hat.
Die Bürger kümmert das offenbar (noch) wenig: Merz gilt als Favorit der Deutschen für den Posten des CDU-Chefs. Das zeigt die Umfrage des Instituts Civey im Auftrag von Spiegel online. In anderen Erhebungen ist die Lage nicht ganz so klar. Auch Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer werden gute Chancen eingeräumt. Unerfreulich bleibt das Meinungsbild aber stets für Jens Spahn.
Der vom konservativen Flügel stets präferierte Spahn hat nun ein Problem: Seine Positionen und die von Merz könnten sich zu sehr ähneln. Das würde einen Stimmen auf dem Parteitag kosten. Schlägt das Pendel - was derzeit als sicher erscheint - in Richtung Merz aus, stünde Hoffnungsträger Spahn vor der Entscheidung, von seiner Kandidatur zurückzutreten. In Berlin munkelt man dies bereits. Von Stetten meint zwar: „Für Spahn, den ich sehr schätze, muss das gar nichts heißen. Aber ich bin sicher, dass sich an der Aufstellung der Kandidaten noch etwas ändern wird bis zum Parteitag.“ Mitsch deutet vielsagend an: „Ein Rückzug zugunsten Merz würde Spahn sicherlich hoch angerechnet werden. Er ist noch jung, hat Zeit. Uns geht es hauptsächlich um die politischen Inhalte. Sie bestimmen die endgültige Entscheidung.“
Lesen Sie auch: „Unhaltbare Zustände in Union wurden unerträglich“: Stimmen zu Merkel-Beben
Zeit hat Merz nicht mehr. Wenn nicht jetzt, dann wohl nie mehr. Doch dazu müsste er sich wohl noch drei Jahre die CDU-Spitze mit Merkel teilen. Bis 2021 will sie schließlich noch Kanzlerin bleiben. „Es wäre nicht gerecht von außen darüber zu urteilen, ob beide miteinander gut auskommen würden. Außerdem ist das alles zu viel Spekulation. Definitiv hat derjenige, der sich im Dezember durchsetzt das Vorrecht auf die Kanzlerkandidatur 2021“, so von Stetten. Ein Kollege findet klarere Worte: „Merz und Merkel werden es nicht allzu lange miteinander aushalten müssen. Im Fall der Fälle sollten beide einen geordneten Übergang schon vor der Bundestagswahl 2021 anstreben“, fordert er. Heißt: Merz oder ein anderer Nachfolger als CDU-Vorsitzender, der im Dezember ins Amt gewählt wird, sollte auch bald schon ins Kanzleramt einziehen.
Bosbach zeigt sich in der Augsburger Allgemeinen zuversichtlich, dass Merkel als Kanzlerin mit ihrem einstigen Widersacher Merz als Parteichef zusammenarbeiten könnte. „Beide Beteiligten wissen doch, dass die Union nur dann wieder in die Erfolgsspur zurückkehrt, wenn sie vertrauensvoll zusammenarbeiten“, sagte Bosbach. „Sollten sie gegeneinander in Stellung gehen, würden am Ende beide verlieren, und die Union auch.“
Lesen Sie auch: Neues Rücktritts-Beben? Seehofer-Fahrplan steht wohl - unter einer Voraussetzung
Hintergrund: Merz übernahm 2000 den Fraktionsvorsitz von Wolfgang Schäuble. Wortgewaltig bot der Finanzexperte mit dem angriffslustigen Blick der rot-grünen Koalition die Stirn. Doch nach der Bundestagswahl 2002 kam der Absturz: Parteichefin Merkel griff nach der ganzen Macht und übernahm auch den Fraktionsvorsitz. Wenig später zog er sich aus der Politik zurück. Merkel und Merz verblieben, nach allem was bekannt ist, in inniger Abneigung.
Bleibt die Frage nach der politischen Richtung Merz‘. Er würde die Union wohl wieder weiter in die Mitte führen, steht außerdem für ein starkes Europa. Eine damit verbundene Hoffnung der CDU ist, dass er Wähler von der AfD zurückholen könnte. Das könnte wiederum der SPD helfen. Ob man es nun glauben mag oder nicht, die Genossen könnten von einer „Ent-sozialdemokratisierung“ der CDU profitieren und die eigenen Positionen dem Bürger wieder kenntlicher machen. Der Vize-Vorsitzende Ralf Stegner dazu: „Die SPD muss sich schon selbst helfen, aber es ist insgesamt gut für die Demokratie und den Kampf gegen rechte Populisten, wenn sich die Volksparteien CDU und SPD wieder deutlich stärker unterscheiden als bisher.“
Vieles deutet also auf einen Fünfkampf im Dezember hin. Einerseits zwischen den prominenteren Köpfen Annegret Kramp-Karrenbauer - wohl von Merkel präferiert - und auf der anderen Seite Friedrich Merz. Es ist dann auch eine Art Richtungswahl, in die auch die drei Kandidaten eingreifen wollen, die sich bereits aus der Deckung wagten, als Merkel noch nichts von Rückzug wissen wollte: Unternehmer Andreas Ritzenhoff, Jura-Student Jan-Philipp Knoop und der Bonner Professor Matthias Herdegen. Ihnen werden allerdings keine großen Chancen zugerechnet. Die Kanzlerin selbst will sich nicht einmischen. Sie habe gelernt, „dass man sich in die Frage der Nachfolgen nicht einmischen sollte, weil das noch nie geklappt hat“.
Alles zu Donald Trump im Ticker
Beben nach Hessen-Wahl: Merkel kündigt Politik-Aus an
So verbrachte Merkel ihren Sommerurlaub
Merkel rechnet mit GroKo ab - So reagiert Seehofer auf ihre Rückzugs-Pläne
ARD-Mann rechnet nach Maaßen-Deal ab - und hat Merkel und Seehofer im Visier
„Bis zur Bewusstlosigkeit“: Chemnitz-Opfer schockieren mit schlimmen Aussagen in ZDF-Sendung
AfD-Funktionär soll Programm erklären - da wird Lanz persönlich
„Debatte ist total sinnlos“: Bosbach zur Nachfolge von Angela Merkel
Drama im NRW-Landtag: Referent bricht zusammen - SPD-Mann rettet ihm das Leben
„Wie irre muss man sein?“ Flüchtlingszoff bei Illner-Talk um Merkels Erbe
Merkel-Nachfolge tobt: Spahn attackiert Merz und rechnet mit Kramp-Karrenbauer ab
Schäuble-Vorstoß: Entscheidet er damit das Duell Merz gegen AKK?
Die Klimapolitik war die Kernthematik der Europawahl - die CDU erlebte ein Wahldesaster. Friedrich Merz kritisiert die Kanzlerin und ihre Klimapolitik scharf.
fr.de* ist Teil der Ippen-Digital-Zentralredaktion