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Deutschland 2018 mit am stärkten von Extremwetter betroffen

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Starkregen hat eine Straße im niedersächsischen Bad Gandersheim überflutet. Foto: Konstantin Mennecke/dpa
Starkregen hat eine Straße im niedersächsischen Bad Gandersheim überflutet. Foto: Konstantin Mennecke/dpa © Konstantin Mennecke

Verdorrte Felder, Niedrigwasser, Stürme - der Sommer 2018 hat das Thema Klimawandel ganz nach oben auf die Agenda der Deutschen gebracht. Beim Klimagipfel in Madrid machen die Experten nun klar: Die Folgen der Erderwärmung sind für Deutschland eine reale Gefahr.

Madrid (dpa) - Klimawandel - eine abstrakte Bedrohung? Bei der UN-Klimakonferenz in Madrid haben Klimaschützer aufgezeigt, dass auch Deutschland die Folgen der Erderhitzung schon massiv zu spüren bekommt.

Hitzewellen, Dürren und Stürme des Jahres 2018 brachten die Bundesrepublik erstmals auf Platz drei im Klima-Risiko-Index der Entwicklungsorganisation Germanwatch. Nur Japan und die Philippinen wurden im vergangenen Jahr demnach noch stärker direkt von Extremwetter getroffen. Die Autoren mahnten aber auch, dass andere Länder insgesamt viel stärker unter der Erderhitzung litten - und viele, teils dramatische Folgen darin nicht abgebildet würden.

Betrachte man die Jahre 1999 bis 2018, seien Puerto Rico, Myanmar und Haiti am stärksten von Stürmen, Überflutungen und Dürren betroffen gewesen, heißt es in dem Ländervergleich. Er basiert auf einer Datenbank des Rückversicherers Munich Re und Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Index vergleicht jährlich die durch Extremwetter verursachten Todeszahlen und Sachschäden nach Kaufkraftparitäten, und zwar sowohl die absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl und zum Bruttoinlandsprodukt.

Die weltweite Erderwärmung lässt Extremwetter-Ereignisse wie Trockenphasen und Stürme häufiger und stärker werden. In den vergangenen 20 Jahren hätten insgesamt mehr als 12.000 solcher Ereignisse knapp eine halbe Million Menschen das Leben gekostet und kaufkraftbereinigt rund 3,5 Billionen US-Dollar Schäden verursacht, teilte Germanwatch am Mittwoch in Madrid mit, wo seit Montag knapp 200 Länder verhandeln, wie es im Klimaschutz weitergeht. Auch die Finanzierung von Klimaschäden ist ein wichtiges Thema dort.

Die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will auch in der EU selbst mehr tun und möchte für ihre Klimapolitik zwischen 2021 und 2027 eine Summe von 100 Milliarden Euro mobilisieren. Das Geld solle aus dem EU-Budget, von den EU-Staaten, aus dem Privatsektor sowie von der Europäischen Investitionsbank kommen und in einen Übergangsfonds fließen, sagte sie am Mittwoch in Brüssel. «Wir sollten uns immer darüber bewusst sein, was die Kosten des Nicht-Handels sein würden - und es gibt bereits Kosten.»

In Madrid soll eine Großdemo den Unterhändlern der Klimakonferenz am kommenden Freitag Dampf machen: Hunderttausende Demonstranten werden zu einem Klimamarsch in der spanischen Hauptstadt erwartet. Die schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg und der spanische Schauspieler Javier Bardem wollen zur Kundgebung kommen, wie die Veranstalter mitteilten.

Auch Papst Franziskus schickte den Unterhändlern in Madrid eine Mahnung: Vier Jahre nach dem Pariser Klimaschutzabkommen sei das Bewusstsein über die Dringlichkeit des Themas immer noch «ziemlich schwach» und der Notlage nicht angemessen, schrieb er. Die Welt stünde vor einer «Herausforderung der Zivilisation».

Dass die Klimakrise weltweit die Zahl der Hilfsbedürftigen steigen lässt, machten die Vereinten Nationen am Mittwoch deutlich. Sie schätzen die Zahl auf 168 Millionen - das ist etwa jeder 45. Mensch auf der Welt. In diesem Jahr waren nach Angaben des UN-Nothilfebüros (Ocha) 146 Millionen Menschen betroffen. Humanitäre Hilfe umfasst etwa Lebensmittel, Unterkünfte, ärztliche Behandlung oder Notschulen. «Die Lage wird sich noch verschlimmern, wenn wir uns nicht besser um die Folgen des Klimawandels und die Ursachen von Konflikten kümmern», sagte Nothilfekoordinator Mark Lowcock in Genf.

Die ärmsten Staaten der Welt seien beim Klimawandel den größten Risiken ausgesetzt, auch wenn Industriestaaten öfter getroffen würden, sagte Maik Winges, der am Klima-Risiko-Index von Germanwatch mitgearbeitet hat. Sie bekämen bisher kaum Hilfe für Schäden und Verluste. Teils fehlten auch Daten, weswegen die Schäden in diesen Ländern eher unterschätzt würden. Wenn nach Dürren etwa Nahrungsmittel knapp seien, werde das nicht abgebildet.

Die internationale Klimafinanzierung soll ärmeren Ländern helfen, ihren Treibhausgas-Ausstoß zu senken und sich an den Klimawandel anzupassen - die Finanzierung von Schäden und Verlusten ist komplizierter. Der Klimawandel steigert das Risiko für Extremwetter, aber nicht jeder Sturm oder jede Dürre ist damit auch eine Folge des Klimawandels. Es ist also schwierig, etwa den Industriestaaten Verantwortung zuzuweisen.

Wie bereits auch Menschen, Natur und Wirtschaft in Deutschland unter dem Klimawandel zu leiden haben, hatte Ende November ein gut 270 Seiten dicker Bericht der Bundesregierung dargelegt. Für Bauern und Waldbesitzer steigt das Risiko von Missernten und Schäden, Starkregen und Dürrephasen setzen der Infrastruktur zu. Allergiker müssen mit mehr und neuen Pollen klarkommen, Hitzewellen führen zu vorzeitigen Todesfällen und machen besonders Älteren, chronisch Kranken und Kindern Probleme - das sind nur ein paar von vielen Beispielen.

Germanwatch zum Klima-Risiko-Index

Monitoringbericht 2019

Deutschland und die Umwelt: Co2-Ausstoß auf Rekordtief*

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