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Hongkong-Demonstrantin flüchtete nach Deutschland - jetzt erzählt sie von ihrem „politischen Erwachen“

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Das Sicherheitsgesetz Chinas beendete in Hongkong viele Freiheiten der Sonderverwaltungszone. Eine Studierende flieht schon davor nach Deutschland. Das ist ihre dramatische Geschichte.

Hongkong - Elaine heißt nicht wirklich Elaine. Sie könnte auch Maggie, oder Ray oder Andrew heißen. Elaine heißt Elaine, weil es so sicherer für sie und ihre Familie ist. Aber auch, weil ihre Geschichte kein Einzelschicksal ist. Elaine ist Hongkongerin. „Ich nehme meinen Helm und die Ausrüstung, meine Tränengas-Maske. Ich trage schwarze Kleidung, denn wenn alle Schwarz tragen, ist es für die Polizei schwieriger einen zu identifizieren“, sagt sie gegenüber Merkur.de. So bereitete sich die heute 23-Jährige auf Demonstrationen der Demokratie-Bewegung in Hongkong vor. Die Sonderverwaltungszone hatte sich seit Jahren zu einer Stadt des Protests verwandelt. Eine Stadt in Flammen. Der sogenannte lange Arm Chinas riss und zerrte an der Metropole, der eigentlich seit der Rückgabe an die Volksrepublik eine 50-jährige Übergangsfrist unter dem Grundsatz „Ein Land. Zwei Systeme“ gewährt wurde. Und die Hongkonger Demonstrierenden schlugen mit immer heftiger werdenden Protesten zurück.

Im Sommer 2020 führte der Ständige Ausschuss des Pekinger Volkskongresses nach monatelangen Demonstrationen gegen den chinesischen Einfluss das nationale Sicherheitsgesetz in Hongkong ein, das de facto den Sonderstatus Hongkongs beendete. Grundlage dafür ist der Annex der Hongkonger Verfassung, der es China ermöglicht, gewisse Gesetze für Hongkong auf den Weg zu bringen. Zuvor war der Status Quo, dass Hongkong selbst ein solches Sicherheitsgesetz verabschieden sollte. Was aufgrund des Widerstands der Bevölkerung in den zwei vergangenen Jahrzehnten nicht erfolgte. Das nun von China durchgebrachte Gesetz stellt vage Separatismus, ausländische Einflussnahme, Subversion und Terrorismus unter Strafe.

Hongkongs Regierungschefin befürwortet Sicherheitsgesetz - Appell an Weltgemeinschaft, das zu respektieren

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam kündigte sogleich das „rigorose“ Umsetzen des umstrittenen Gesetzes an. In einer Pressekonferenz warnte sie von ihr als „Radikale“ bezeichnete Personen davor, gegen das Sicherheitsgesetz zu verstoßen, da das „sehr ernste“ Konsequenzen mit sich ziehen werde. Bereits zuvor hatte Lam deutlich gemacht, dass sie hinter der Implementierung des neuen Gesetzes in Hongkong stehe. Sie argumentierte, sie sehe darin keine Gefahr für die Bürgerrechte der Menschen in der Sonderverwaltungszone, da das Gesetz nur auf eine geringe Prozentzahl an Einwohner:innen abziele.

„Ich fordere die internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, das Recht unseres Landes auf Wahrung der nationalen Sicherheit und die Bestrebungen der Menschen in Hongkong nach Stabilität und Harmonie zu respektieren“, richtete sich Carrie Lam in einem Video an die Vereinten Nationen, wie unter anderem die South China Morning Post berichtete. Die Nicht-Regierungsorganisation Amnesty International bezeichnete das neue Sicherheitsgesetz wiederum als „die größte Bedrohung der Menschenrechte in der jüngsten Geschichte der Stadt“. In der wichtigsten Hongkonger Tageszeitung South China Morning Post selbst wurde das Sicherheitsgesetz kontrovers diskutiert, die Meinungsbeiträge reichten von Zustimmung, abwarten, was passiert bis hin zur tiefen Besorgnis um den Sonderstatus der Stadt.

Sonderverwaltungszone Hongkong: Mareike Ohlberg zum Vorgehen der Kommunistischen Partei

„Das war so nicht absehbar“, sagt die China-Expertin Mareike Ohlberg bezüglich des Sicherheitsgesetzes. „Natürlich war es klar, dass die Kommunistische Partei zurückschlagen wird. Das haben wenige bezweifelt. Aber es hat dann doch viele Menschen überrascht, wie radikal vorgegangen wurde. Was geschehen ist, ist letztlich das juristische Tiananmen, nur, dass man legale Mittel nutzt, um die Demokratie-Bewegung außer Gefecht zu setzen. Man hat die juristischen Panzer reinrollen lassen.“ Ohlberg forscht unter anderem zum Einfluss Chinas auf westliche Demokratien. In ihrem aktuellen Buch „Die lautlose Eroberung“ beschreibt sie, wie die Kommunistische Partei die politischen Systeme in Ländern wie Großbritannien, Kanada und Deutschland unterwandert.

Was geschehen ist, ist letztlich das juristische Tiananmen.

Mareike Ohlberg

„Vieles, was wir in unserem Buch beschreiben, sind graduelle Verschiebungen des Status Quo, die meist durchgehen, weil es keine radikalen Veränderungen sind. Stück für Stück wird der Status ein kleines bisschen verschoben, Regeln aufgestellt, was man bitte nicht über China sagen soll. Das rutscht meist durch, weil es unwichtig wirkt, aber das ist die Strategie dahinter“, beschreibt Ohlberg ihre Beobachtungen. „Mir war wichtig, diesem positiven Narrativ, wir müssen uns mit China gutstellen, und China ist die Zukunft, etwas entgegenzusetzen“, sagt die Wissenschaftlerin, die selbst lange in China gelebt hat, zu ihrer Motivation.

Hongkong: Studentin muss wegen Demokratie-Protesten ihre Heimat verlassen - „politisches Erwachen“

Elaine heißt nicht wirklich Elaine. Sie nennt sich so, weil sie Hongkong verlassen musste und ihr dort ein Gerichtsverfahren droht. Die Studentin wurde für die Teilnahme an Demonstrationen verhaftet. Und floh im November 2019 aus Hongkong nach Deutschland. Ohne Reisepass, der lag bei den örtlichen Behörden, ohne Visum, sie erreichte die Bundesrepublik als eine Geflüchtete, ohne Freunde und Familie, sie konnte niemandem Bescheid geben. Die junge Frau, die mittlerweile irgendwo im ländlichen Raum Deutschlands lebt, erinnert sich noch genau an ihr „politisches Erwachen“. An den Moment, als ihr klar wurde, dass es nun keinen Weg zurück in ihr früheres Studierenden-Dasein gab. „Es seid Ihr, die uns lehrt, dass friedliche Proteste nicht funktionieren“ - diese Worte standen als Graffiti-Slogan an einer Wand. Es war der 1. Juli 2019, der Tag an dem Aktivist:innen das Hongkonger Parlament, den sogenannten Legislativrat, stürmten und besetzten.

„Seitdem ich ein Kind, eine Jugendliche bin, haben wir Hongkonger es mit friedlichen Protesten versucht. Aber die Regierung zeigte uns, dass sie nicht zuhört, wenn wir so für unsere Demokratie protestieren“, erinnert sich Elaine. Als Teenagerin habe sie 2014 die Regenschirm-Bewegung erlebt, die Versuche verfolgt, gegen den zunehmenden Einfluss der Kommunistischen Partei anzukämpfen. In dem Moment, am 1. Juli 2019, sei ihr klar geworden, dass eine lautere Form des Protestierens notwendig sei. Mit nur einer Regel: Niemanden zu verletzen. In eben jenem Jahr wurden die Proteste in der Sonderverwaltungszone gegen die Volksrepublik und die pekingtreue Regierung Hongkongs unter Carrie Lam immer heftiger. Unter anderem um ein umstrittenes Auslieferungsgesetz an China zu verhindern. Mit Erfolg. Die Bilder gingen um die Welt. Sie zeigten Demonstrierende, die mit der örtlichen Polizei aneinandergerieten, den Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern und die von Menschen gefluteten Straßenschluchten.

Nationales Sicherheitsgesetz in Hongkong: Kommunistische Partei geht damit gegen Demokratie-Bewegung vor

Bis zur Einführung des nationalen Sicherheitsgesetzes. „Aus Sicht der Kommunistischen Partei war Hongkong das Einfallfenster, durch das die ausländischen, feindlichen Kräfte fliegen konnten“, sagt Mareike Ohlberg dazu. „Man hat entschieden, dieses nun zuzumachen und de facto den Status ein Land, zwei Systeme zu beenden.“ Auch für die Volksrepublik berge das Risiken. Denn: „Inwiefern kann man unter diesen Bedingungen ein internationales Finanzzentrum aufrecht erhalten, wenn alles politisiert werden kann. Es gibt ja gute Gründe, weshalb China so etwas nicht auf dem Festland aufbauen kann“, so Ohlberg. Seitdem hat beispielsweise die renommierte US-Zeitung New York Times bekannt gegeben, ihre Asien-Hauptredaktion von Hongkong nach Seoul in Südkorea zu verlegen. Aber die meisten ausländischen Unternehmen reagieren langsam auf die veränderte Situation in Hongkong.

Aber die Regierung zeigte uns, dass sie nicht zuhört, wenn wir so für unsere Demokratie protestieren.

Elaine, Hongkong-Geflüchtete

Führende Köpfe der Demokratie-Bewegung wie Joshua Wong und Agnes Chow sitzen im Gefängnis. Gegen den Unternehmer Jimmy Lai, prominenter Kritiker der Kommunistischen Partei, läuft ein Gerichtsverfahren. Im Spätsommer 2020 versuchten 13 Menschen mit dem Boot vor der Justiz nach Taiwan zu fliehen. Chinas Küstenwache stoppte sie. Erst im Januar fand eine Verhaftungswelle statt, in der mehr als 50 Menschen festgenommen wurden. Politiker:innen, Menschenrechtler:innen, Aktivist:innen. Der einstige Hoffnungsort Hongkong ist nun für viele Menschen offenbar selbst eine Festung, aus der sie entkommen wollen.

Einstige britische Kronkolonie Hongkong: Geschichte ihrer Flucht kein Einzelschicksal dieser Generation

Elaine heißt nicht wirklich Elaine. Sie heißt so, weil ihre Geschichte kein Einzelschicksal ist, sondern die Geschichte vieler junger Hongkonger:innen. Elaine ist wie andere dieser Generation damit groß geworden, dass die Großeltern hoffnungsvoll nach Hongkong geflüchtet sind. Sie ist 1997 geboren, das Jahr, in dem die einstige Kronkolonie Großbritanniens an China zurückgegeben wurde. „Ich bin damit aufgewachsen, dass Menschen für Freiheit und Demokratie kämpfen, ich weiß, was beim Tiananmen-Massaker passiert ist.“ Als ein Kind der späten 90er-Jahre ist es für Elaine schwer, eine Verbindung zu China aufzubauen. So geht es vielen ihrer Altersgenossen, sie prägt ein besonderes Identitätsgefühl. Sie sind Hongkonger:innen, nicht Chines:innen.

Eine Freundin drängte sie dazu, Hongkong zu verlassen, berichtet Elaine. „Mein Pass war bei Gericht, ich war auf Kaution frei. Ich hatte weniger als eine Woche Zeit, um zu entscheiden, ob ich fliehe oder bleibe.“ Seit dem Winter 2019 ist sie in Deutschland, ihr Asyl-Antrag wurde mittlerweile genehmigt. Sie lebte in drei verschiedenen Unterkünften, aktuell teilt sie sich eine Wohngemeinschaft mit weiteren Geflüchteten. In Deutschland will sie ihr Studium fortsetzen „Ich weiß nicht, wann ich als freier Mensch nach Hongkong zurückkehren kann“, sagt sie auf einmal, während sie von ihren Zukunfts-Plänen berichtet. Zum ersten Mal im Gespräch bricht ihre Stimme, man hört die Tränen, mit denen die junge Frau ringt. Viele ihrer Freund:innen seien inhaftiert oder hätten ein laufendes Verfahren, erzählt sie. „Als Protestierende, die geflüchtet ist, werde ich immer Schuldgefühle gegenüber jenen haben, die im Gefängnis sitzen.“

Kantonesiches Sprichwort in Hongkong - Leben wie in einem Gefängnis in Sonderverwaltungszone

Im Kantonesischen gebe es ein Sprichwort, erzählt Elaine. „Es geht darum, einen Frosch zu kochen und die Temperatur nur langsam zu erhöhen, bis der Frosch tot ist. Das ist die Situation in Hongkong.“ Es fühle sich an, als würde man in einem Gefängnis leben, einem sehr großen Gefängnis, in dem Rechte und Freiheiten kontinuierlich abgeschnürt würden.

Hat sie Hoffnung für ihre Heimat? Ja und Nein. „Ist es das Ende von Ein Land, Zwei Systeme? Ja. Ist es das Ende der Demokratie-Bewegung? Nein“, analysiert Elaine. Sie verweist auf Hongkonger:innen, die ins Exil geflohen sind und vor dort aus für ihre Heimat kämpfen. Menschen wie Nathan Law, der in London lebt, Menschen wie Ray Wong, der sich aus Deutschland heraus für die Demokratie-Bewegung engagiert. Menschen, wie Elaine, die vielleicht nicht die lautesten sind, nicht die bekanntesten, aber ebenso Teil der Hongkonger-Fluchtbewegung. „Wir werden nicht aufhören, weil wir wissen, wenn wir aufhören für Frieden und Demokratie zu kämpfen, erwartet uns eine Situation wie in Xinjiang, Tibet oder Taiwan.“

Mareike Ohlberg forscht zum Einfluss Chinas in westlichen Demokratien- „Solange die Kommunistische Partei an der Macht ist...“

Auch die Wissenschaftlerin Mareike Ohlberg argumentiert, dass die Demokratie-Bewegung durch das Sicherheitsgesetz zum Erliegen gebracht wurde. Hinzu komme, dass vielen Hongkonger:innen, auch jenen im Ausland, klar sei, dass sie keine Chance hätten, solange die Kommunistische Partei in China an der Macht sei. „Die Veränderung, die stattfinden muss, wären die politischen Verhältnisse auf dem chinesischen Festland. Das heißt nicht unbedingt, dass die Partei weg muss, aber es müsste einen Richtungswandel geben und den sehe ich nicht.“

Diese brutale Unterdrückung erfordert viel stärkere Reaktionen aus Europa als wir bisher erlebt haben.

Reinhard Bütikofer, Mitglied des Europäischen Parlaments

Seitdem Chinas Staatschef Xi Jinping* an der Macht ist, ist die Kommunistische Partei repressiver, sind die Klauen des roten Drachens schärfer geworden. Xi knüpft an die Tradition von Mao Zedong an und präsentiert sich als autoritärer Herrscher. Für Ohlberg hat die Entwicklung der Kommunistischen Partei jedoch vor Xi Jinping begonnen. Bereits in der Zeit des Arabischen Frühlings hätte die Volksrepublik beobachtet, wie autoritäre Regime fallen könnten. Das habe zu einem Umdenken geführt, zum Entschluss, das eigene politische System besser absichern zu wollen. „Das ist keine Entwicklung, die mit einem Mann steht oder fällt. Letztendlich ist es eine Partei-Frage, keine Einmann-Frage, auch wenn Xi sicherlich seine eigene Note reinbringt.“

Reinhard Bütikofer: - Grünen-EU-Politiker spricht sich für stärkere Reaktion auf Entwicklung in Hongkong aus

„Peking hat sich offensichtlich entschieden, die Hongkonger Demokratie-Bewegung von jeglicher politischer Mitwirkung auszuschließen, soweit als möglich sprachlos zu machen und ihre hervorragendsten Vertreterinnen und Vertreter ins Gefängnis zu stecken. Diese brutale Unterdrückung erfordert viel stärkere Reaktionen aus Europa als wir sie bisher erlebt haben“, antwortet Reinhard Bütikofer auf eine Anfrage. Der Grünen-Politiker ist Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China.

Brisant im Verhältnis der Europäischen Union mit China: Das EU-China-Investitionsabkommen, das nach sieben Jahren zu einem schnellen Abschluss kam. China-Expert:innen sehen dies kritisch und verweisen vor allem auf die Zwangsarbeit der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang. Den Kritiker:innen geht es darum, im Abkommen klar festzuhalten, dass Zwangsarbeit nicht geschehen darf - die betreffende Formulierung im Investitionsabkommen ist dabei vielen zu ungenau. „Was mir fehlt, ist ein Verständnis dafür, dass man von der Kommunistischen Partei nichts bekommt, was sie einem nicht geben will. Wenn sie es nicht wollen, machen sie es nicht. Wenn sie ein eigenes Interesse daran haben, machen sie es auch ohne Abkommen“, sagt Mareike Ohlberg zu der Entwicklung.

Europäische Union im Umgang mit China: Verhältnis werde von Handels-Interessen dominiert

In einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom Juni 2020 ist Folgendes zu finden. Reinhard Bütikofer hat maßgeblich an diesem Text mitgearbeitet, wie er mitteilt. Noch immer stehe er hinter der Empfehlung an die Europäische Kommission. Anbei ein Auszug des Schreibens:

Entschließung des Europäischen Parlaments zum nationalen Sicherheitsgesetz der VR China für Hongkong und zur Notwendigkeit, dass die EU das hohe Maß an Autonomie Hongkongs verteidigt

6. betont, dass die EU Chinas wichtigstes Ausfuhrziel ist; ist der Ansicht, dass die EU ihren wirtschaftlichen Einfluss nutzen sollte, indem sie auf Chinas massive Menschenrechtsverstöße mit wirtschaftlichen Maßnahmen reagiert; betont, dass das Parlament aufgrund der derzeitigen Lage in seiner Überzeugung bestärkt wird, dass die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ein wichtiger Bestandteil der Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China sein muss; fordert die Kommission auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, so auch im Rahmen der laufenden Verhandlungen über ein bilaterales Investitionsabkommen, zu nutzen, um Druck auf die chinesischen Staatsorgane auszuüben, damit sie Hongkongs hohes Maß an Autonomie sowie die Grundrechte und Grundfreiheiten seiner Bürger und unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft wahren und die Menschenrechtslage auf dem Festland und in Hongkong verbessern; bekräftigt seine Forderung, ein verbindliches und durchsetzbares Kapitel über nachhaltige Entwicklung in das Abkommen aufzunehmen; fordert die EU im Hinblick auf Artikel 21 EUV nachdrücklich auf, eine Menschenrechtsklausel in künftige Handelsabkommen mit der VR China aufzunehmen; beauftragt die Kommission, die chinesische Seite davon in Kenntnis zu setzen, dass das Parlament die Menschenrechtslage in China und auch in Hongkong zu berücksichtigen gedenkt, wenn es darum ersucht wird, ein umfassendes Investitionsabkommen oder künftige Handelsabkommen mit der VR China zu billigen;

Der europäische Abgeordnete warnt davor, Handel und Investitionen im Umgang mit China von Menschenrechtsverletzungen in den Regionen Xinjiang und Hongkong zu trennen. „Europa hat 2020 viel gelernt über den Charakter von Xi Jinpings China, über die totalitäre Unterdrückung der Uiguren in Xinjiang zum Beispiel, oder darüber wie China versucht, Australien ökonomisch zu erpressen. Wir sollten uns nicht in Sicherheit wiegen, dass uns das nicht betrifft“, betont er. Auch Mareike Ohlberg ist der Ansicht, dass in der Haltung der Europäischen Union gegenüber China Handels-Interessen dominierten. Zwar existierten ernst gemeinte Initiativen - jedoch bestehe das größte Problem in der Abhängigkeit politisch relevanter Industriezweige in Deutschland von der Volksrepublik. Bütikofer betont, dass die Europäische Kommission sich weitestgehend auf „leises Kritikgemurmel“ beschränke.

Was beide eint, ist die Haltung, die Europäische Union solle Asyl-Verfahren für Geflüchtete aus Hongkong erleichtern. „Das ist eine der wenigen Sachen, die man noch machen kann, dass man vereinfachte Einwanderung oder Programme schafft, entweder Asyl oder andere Wege, wie Menschen hierher kommen können. Daher hoffe ich, dass sich da die wirtschaftlichen Interessen gegenüber China nicht durchsetzen werden“, so Ohlberg. Das sieht auch Reinhard Bütikofer so. Er spricht sich für vereinfachte Asyl-Verfahren aus sowie Möglichkeiten zu schaffen, wie vor allem junge Menschen ohne ein langwieriges Asyl-Verfahren für eine bestimmte Zeit nach Europa kommen können.

Glacier Kwong spricht vor dem Petitionsausschuss des Bundestages: Studentin aus Hongkong

Erst am Montag, den 25. Januar 2021, hat die Hongkongerin und Hamburger Jura-Studentin Glacier Kwong eine Petition von in der Bundesrepublik lebenden Hongkonger:innen im zuständigen Ausschuss des deutschen Bundestags vorgestellt. Mehr als 50.000 Menschen haben bislang die Petition unterzeichnet, in der Sanktionen gegen chinesische Verantwortliche, härtere Maßnahmen gegen China und eine Anpassung der Asyl-Politik für politisch Geflüchtete aus Hongkong gefordert werden.

Wenige Tage zuvor rief der neu gewählte Chef der Anwaltsvereinigung in Hongkong, Paul Harris SC, die Hongkonger Regierung dazu auf, das Sicherheitsgesetz zu ändern, damit andere Länder ihr Auslieferungsabkommen mit Hongkong wieder aufnehmen würden. Die aktuelle Situation des Rechtsstaates in Hongkong bezeichnete er als „schwierig“. Das berichtete die South China Morning Post. Der Menschenrechts-Anwalt betonte außerdem, dass einige Bestimmungen des neuen Gesetzes im Gegensatz zum Grundgesetz der Hongkonger Verfassung stünden, das sogenannte „Basic Law“. „Einerseits mag ich keine gewalttätigen Demonstranten, und andererseits mag ich nicht die Behörden, die ihre Macht missbrauchen. Ich werde in meiner Amtszeit versuchen, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken, wo immer ich kann“, äußerte er sich nach seiner Wahl.

Elaine hofft auf Rückkehr nach Hongkong - Nicht nur ein Problem zwischen der Stadt und China

Elaine heißt nicht wirklich Elaine. Sie heißt so, weil sie eine der wenigen Hongkonger:innen ist, die in Deutschland in den vergangenen Jahren Asyl beantragt hat und anonym bleiben will. „Es geht nicht nur um diese Stadt gegen ein Land. Es geht auch darum der Welt zu zeigen, was diese Regierung mit einer freien Stadt machen kann. Es ist nicht nur ein Problem zwischen Hongkong und China. Es ist ein Problem zwischen der freien Welt und einer Diktatur“, sagt Elaine am Ende des Gespräches. Sie wünscht sich, dass die Europäische Union Menschen aus Hongkong unterstützt.

Elaine hat noch Hoffnung. Aber die Ereignisse haben sie gezeichnet. Seit ihrer Flucht hat sie mit Depressionen zu kämpfen, mit Schuldgefühlen, mit einem Ohnmachtsgefühl gegenüber der politischen Situation in Hongkong. Sie stelle sich vor, nach Hongkong zurückzukehren, erzählt sie. Eines Tages ein Flugticket zu kaufen. Egal, was passiert. „Ich träume davon, zurück in Hongkong zu sein. Wahrscheinlich wäre ich dann erstmal im Gefängnis. Aber danach wäre ich frei und könnte in Hongkong leben. Aber das ist nur eine Fantasie.“(aka) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.

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