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Welle der Solidarität nach Enthauptung eines Lehrers

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"Ich bin Samuel": Zahlreiche Menschen haben sich nach der brutalen Ermordung eines Lehrers zu einer Solidaritätsdemonstration versammelt. Foto: Michel Euler/AP/dpa
"Ich bin Samuel": Zahlreiche Menschen haben sich nach der brutalen Ermordung eines Lehrers zu einer Solidaritätsdemonstration versammelt. Foto: Michel Euler/AP/dpa © Michel Euler

Die Schule soll die Kinder in Frankreich an die Werte der Republik heranführen. Ein Angreifer hatte es nun ausgerechnet auf einen Lehrer abgesehen, der den Schülern Meinungsfreiheit nahebringen wollte. Sein grausamer Tod wühlt das Land auf.

Paris (dpa) - In Frankreich herrscht riesige Anteilnahme nach der mutmaßlich islamistisch motivierten Ermordung eines Lehrers. Landesweit werden zahlreiche Solidaritätsdemonstrationen erwartet.

Die Redaktion des Satiremagazins «Charlie Hebdo» schloss sich einem Aufruf der Organisation SOS Racisme und von Lehrergewerkschaften zu einer Demonstration am Nachmittag in Paris an. Auch in anderen Städten wie Marseille oder Bordeaux wollen Menschen auf die Straße gehen.

Die brutale Ermordung des Lehrers hatte in ganz Frankreich Entsetzen ausgelöst. Das mutmaßliche Motiv des Täters war nach Angaben der Staatsanwaltschaft, dass der Lehrer im Rahmen seines Unterrichts zur Meinungsfreiheit vor einigen Wochen Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. Anlass war die Diskussion um die erneute Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen im Satireblatt «Charlie Hebdo». Der laut Staatsanwaltschaft 2002 in Moskau geborene Täter mit russisch-tschetschenischen Wurzeln hatte nach der Tat im Netz damit geprahlt. Er wurde kurz nach der Tat von der Polizei erschossen.

Zu der Solidaritätskundgebung auf der Pariser Place de la République wurden zahlreiche Menschen erwartet. Auch Bildungsminister Jean-Michel Blanquer und andere politische Größen kündigten ihre Teilnahme an. Die Place de la République im Pariser Osten ist ein symbolischer Ort - bereits nach der Terrorserie im Januar 2015, zu der auch der Anschlag auf «Charlie Hebdo» zählte, gedachten dort Menschen aus ganz Frankreich der Opfer. Seitdem ist der Platz nach Terroranschlägen zu einem zentralen Ort der Anteilnahme geworden.

Die brutale Attacke trifft Frankreich mitten in der zweiten Corona-Welle, von der das Land schwer getroffen ist. In Paris gilt die höchste Corona-Warnstufe, hier sind Versammlungen von mehr als 1000 Menschen eigentlich verboten. Berichten zufolge hat die Pariser Polizeipräfektur die Demonstration genehmigt. Präsident Macron hatte die Tat als islamistisch motivierten Anschlag bezeichnet.

Für den nachmittag ist ein Verteidigungsrat unter Vorsitz von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angesetzt - dabei soll laut Medien über weitere Maßnahmen im Kampf gegen islamistische Radikalisierung beraten werden. Am Mittwoch will Frankreich mit einer nationalen Gedenkfeier an den brutal getöteten Lehrer erinnern.

Der 47-Jährige war am Freitagnachmittag von seinem Angreifer in der Nähe seiner Schule im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine enthauptet worden. Dieser veröffentlichte nach seiner Tat ein Foto des Opfers und richtete eine Nachricht an Präsident Macron, den er als «Anführer der Ungläubigen» bezeichnete. «Ich habe einen Ihrer Höllenhunde hingerichtet, der es wagte, Mohammed herabzusetzen», schrieb er laut Staatsanwalt.

Mehrere Menschen aus dem Umfeld des mutmaßlichen Täters befanden sich am Sonntag in Polizeigewahrsam. Auch der Vater einer Schülerin, der im Netz gegen den Lehrer mobilisiert hatte, nachdem dieser die Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte, war in Polizeigewahrsam genommen worden. Er hatte ein Video verbreitet und öffentlich gegen den Lehrer gewettert, wie Staatsanwalt Jean-François Ricard sagte.

Der Vater forderte bei der Direktorin die Entlassung des Pädagogen. Dabei wurde er von einem Mann begleitet, der Medien zufolge ein bekannter Islamist ist. Die Staatsanwaltschaft stellte bisher keine Verbindung zwischen diesem Vater und dem Angreifer her.

Bereits am Samstag war es in zahlreichen Städten zu Solidaritätsbekundungen für den getöteten Lehrer gekommen. Die Menschen versammelten sich etwa unter dem Motto «Je suis Prof» oder «Je suis enseignant» (dt. Ich bin Lehrer) in Anlehnung an «Je suis Charlie». Das Schlagwort prägte die Zeit nach dem verheerenden Mordanschlag auf die Redaktion von «Charlie Hebdo» 2015.

Erst vor wenigen Wochen hatte ein Mann vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude zwei Menschen brutal mit dem Messer attackiert. Er gab als Motiv ebenfalls Mohammed-Karikaturen an, die das Magazin veröffentlich hatte. Der Angreifer hatte es eigentlich auf die Redaktion abgesehen, wusste aber nicht, dass diese mittlerweile an einen geheimen Ort umgezogen ist.

© dpa-infocom, dpa:201018-99-983771/5

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