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Nach G7-Pleite: Europa muss Schicksal in eigene Hand nehmen

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Mit Donald Trump ist auch beim G7-Gipfel nichts mehr wie vorher. Die Gruppe der großen Industrieländer kann ein Debakel nur knapp vermeiden. Kanzlerin Merkel macht ihrer Enttäuschung später Luft und zieht ihre Konsequenzen.

«Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei», sagt Merkel. Foto: Michael Kappeler
1 / 12«Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei», sagt Merkel. Foto: Michael Kappeler © Michael Kappeler
Er hält den G7-Gipfel für gelungen, ist damit aber allein: US-Präsident Donald Trump vor dem Heimflug. Foto: Luca Bruno
2 / 12Er hält den G7-Gipfel für gelungen, ist damit aber allein: US-Präsident Donald Trump vor dem Heimflug. Foto: Luca Bruno © Luca Bruno
US-Präsident Trump verscherzt es sich mit Partnern, die seit Jahrzehnten an der Seite der USA stehen - und umgekehrt. Foto: Gregorio Borgia
3 / 12US-Präsident Trump verscherzt es sich mit Partnern, die seit Jahrzehnten an der Seite der USA stehen - und umgekehrt. Foto: Gregorio Borgia © Gregorio Borgia
Mühsame Gespräche beim G7-Gipfel, den manche Beobachter für gescheitert halten. Foto: Guido Bergmann/Bundesregierung
4 / 12Mühsame Gespräche beim G7-Gipfel, den manche Beobachter für gescheitert halten. Foto: Guido Bergmann/Bundesregierung © Guido Bergmann
Greenpeace-Aktivisten während einer Protestaktion hinter einer Nachbildung einer Freiheitsstatue mit Schwimmweste am Strand von Taormina auf Sizilien. Foto: Tommaso Galli/Greenpeace Italien
5 / 12Greenpeace-Aktivisten während einer Protestaktion hinter einer Nachbildung einer Freiheitsstatue mit Schwimmweste am Strand von Taormina auf Sizilien. Foto: Tommaso Galli/Greenpeace Italien © Tommaso Galli
TTIP-Gegner protestieren: «Fairer Handel statt Freihandel». US-Präsident Trump formuliert das nicht unähnlich. Foto: Stefan Puchner
6 / 12TTIP-Gegner protestieren: «Fairer Handel statt Freihandel». US-Präsident Trump formuliert das nicht unähnlich. Foto: Stefan Puchner © Stefan Puchner
Exportnation Deutschland: Neufahrzeuge von Porsche stehen am Autoterminal von Bremerhaven zur Verschiffung bereit. Foto: Ingo Wagner
7 / 12Exportnation Deutschland: Neufahrzeuge von Porsche stehen am Autoterminal von Bremerhaven zur Verschiffung bereit. Foto: Ingo Wagner © Ingo Wagner
Von der italienischen Marine gerettete Bootsflüchtlinge vor Sizilien. Foto: Italian Navy Press Office
8 / 12Von der italienischen Marine gerettete Bootsflüchtlinge vor Sizilien. Foto: Italian Navy Press Office © Italian Navy Press Office
Migranten und Flüchtlinge in einem Gummiboot mit dem Ziel Europa. Sie wurden nördlich der libyschen Stadt Sabratha aus dem Mittelmeer gerettet. Foto: Emilio Morenatti
9 / 12Migranten und Flüchtlinge in einem Gummiboot mit dem Ziel Europa. Sie wurden nördlich der libyschen Stadt Sabratha aus dem Mittelmeer gerettet. Foto: Emilio Morenatti © Emilio Morenatti
Das Eis in der Arktis schmilzt - und die neue US-Regierung glaubt nicht, dass das am menschgemachten Klimawandel liegt. Foto: Ulf Mauder
10 / 12Das Eis in der Arktis schmilzt - und die neue US-Regierung glaubt nicht, dass das am menschgemachten Klimawandel liegt. Foto: Ulf Mauder © Ulf Mauder
Dürre und Hunger in Kenia: Experten sehen auch im Klimawandel Gründe für die Flüchtlingsströme. Foto: Stephen Morrison
11 / 12Dürre und Hunger in Kenia: Experten sehen auch im Klimawandel Gründe für die Flüchtlingsströme. Foto: Stephen Morrison © epa Stephen Morrison
Dieses Foto ist zur Ikone geworden: Ein Eisbär springt in der immer stärker abtauenden Arktis von Eisscholle zu Eisscholle. Foto: Greenpeace
12 / 12Dieses Foto ist zur Ikone geworden: Ein Eisbär springt in der immer stärker abtauenden Arktis von Eisscholle zu Eisscholle. Foto: Greenpeace © DB Greenpeace

Taormina (dpa) - Nach dem erfolglosen G7-Gipfel mit der weitgehenden Blockade durch US-Präsident Donald Trump hat Kanzlerin Angela Merkel Europa dazu aufgerufen, sich auf seine eigenen Kräfte zu besinnen.

«Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen», sagte die CDU-Vorsitzende bei einer Wahlkampfveranstaltung in München. «Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.»

Trump hat die Gruppe der sieben großen Industrienationen (G7) mit seinem Konfrontationskurs in eine schwere Krise gestürzt. Nur in letzter Minute konnte auf ihrem zweitägigen Gipfel in Taormina auf Sizilien ein Fiasko abgewendet werden. Massive Differenzen gab es im Klimaschutz und beim Umgang mit Flüchtlingen. Allein in der Handelspolitik näherten sich die Staats- und Regierungschefs an. Die mageren Ergebnisse des Gipfels stießen auf scharfe Kritik.

Trump kehrte nach seiner ersten Auslandsreise in die USA zurück, wo ihn die Affären über die Kontakte seines Wahlkampflagers zu Russland erwarteten. Obwohl er erst nach zähem Ringen zugestimmt hatte, den Kampf gegen Protektionismus in die Abschlusserklärung des Gipfels aufzunehmen, verkaufte der Präsident den Mini-Kompromiss als Erfolg. Die USA dringen auf die «Beseitigung aller handelsverzerrender Praktiken», um faire Wettbewerbsbedingungen zu erreichen, schrieb Trump, der für «America First» eintritt, auf Twitter.

Mit dem Kompromiss über Protektionismus konnte ein tiefergehendes Zerwürfnis mit den USA verhindert werden. Kanzlerin Angela Merkel sah eine «vernünftige» Lösung. «Wir werden gemeinsam unsere Märkte offen halten und gegen Protektionismus vorgehen, gleichzeitig aber auch dafür Sorge tragen, dass unfaire Handelspraktiken intensivst bekämpft werden.» Dies sei auch im deutschen Interesse.

Die Gegensätze prallten vor allem in der Klimapolitik aufeinander. Die sechs anderen Staaten appellierten eindringlich an Trump, dem Klimaabkommen von Paris treu zu bleiben. Er will nächste Woche über einenAusstieg aus der historischen Vereinbarung entscheiden, die zu einer Verringerung der Treibhausgase verpflichtet. Er empfindet das Abkommen als unfair und schädlich für die Wirtschaft der USA, die nach China der zweitgrößte Klimasünder sind.

In einem ungewöhnlichen Schritt hielten die G7 den Streit sogar im Abschlusskommuniqué fest. Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron betonten, keine Kompromisse zulassen zu wollen. Umweltschützer begrüßten, dass eine Aufweichung des Abkommens verhindert worden sei. «Wenn Amerika wackelt, müssen wir stehen», sagte Grünen-Chef Cem Özdemir.

Die Blockadepolitik Trumps lässt für Merkel in sechs Wochen einen schweren Gipfel der Industrie- und Schwellenländer (G20) in Hamburg erwarten. Am Mittwoch empfängt sie Chinas Regierungschef Li Keqiang in Berlin, der dann zum ersten EU-China-Gipfel in der Ära Trump nach Brüssel weiterreist. Trotz Handelsspannungen mit der zweitgrößten Wirtschaftsmacht sahen Diplomaten eine «Charmeoffensive» Chinas.

Die Premiere Trumps bei den Spitzentreffen der G7 und Nato stieß auf scharfe Kritik. «Was wir auf den Gipfeln erlebt haben, entspricht weder dem, was wir intellektuell, noch was wir vom Potenzial Amerikas her von einem amerikanischen Präsidenten erwarten», sagte der Koordinator für transatlantische Beziehungen, Jürgen Hardt.

Trotz eindringlicher Appelle von Hilfsorganisationen machten die G7 keine konkreten neuen Finanzzusagen im Kampf gegen die Hungersnöte in Afrika. Sie versprachen nur, den UN-Hilfsappell über 6,9 Milliarden US-Dollar «energisch unterstützen» zu wollen. Dafür sind aber erst 30 Prozent zugesagt. Es drohen Hungersnöte für 20 Millionen Menschen im Südsudan, Somalia, Jemen und in Nigeria. «Da haben die G7 ihre Führungsrolle nicht wahrgenommen», sagte Jörn Kalinski von Oxfam.

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht fand den Gipfel «überflüssig»: «Wenn man das Geld, das er gekostet hat, stattdessen etwa den 500 000 vom Hungertod bedrohten Kindern im Jemen gegeben hätte, hätte es die Welt wenigstens ein kleines Stück besser gemacht.» Friederike Röder von ONE sagte: «In einem Jahr mit schon drastisch verringerten Erwartungen haben die G7 einen neuen Tiefpunkt erreicht.»

Dass Trump einen Plan des Gastgebers Italien für eine bessere Bewältigung der Flüchtlingskrise im Vorfeld «vom Tisch gewischt» hatten, kritisierten Hilfsorganisationen als «einfach nur rüpelhaft und verantwortungslos». Ein US-Beamter feierte als «Erfolg», stattdessen zwei Absätze in die Abschlusserklärung bekommen zu haben, die Grenzkontrollen und nationale Interessen betonen.

Die Italiener hatten vielmehr die Chancen der Zuwanderung hervorheben wollen. Um das Thema in den Mittelpunkt zu stellen, war auch Sizilien als Tagungsort ausgesucht worden, wo die meisten Flüchtlinge anlanden, die aus Nordafrika über das Mittelmeer kommen. «Der Skandal des Gipfels ist, dass die G7-Führer direkt hier nach Sizilien ans Meer kommen, wo 1400 Menschen allein seit Jahresanfang ertrunken sind, und nichts ernsthaft dagegen tun», sagte Ed Cairns von Oxfam.

Nach Italien übernimmt Kanada die G7-Präsidentschaft. Der nächste Gipfel ist in Charlevoix in der Provinz Québec geplant.

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