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„Das können Sie doch Ihrem Friseur erzählen“ - Martin Schulz mit Wutrede bei Maybrit Illner

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„Arroganz“-Ärger und „Mutti in der Patsche“: Schulz hält bei „Illner“ Wutreden für Weber
Martin Schulz hielt am Donnerstag bei „Maybrit Illner“ eine Wutrede für CSU-Mann Manfred Weber - und erhielt Zustimmung von CDU-General Paul Ziemiak (re.) © Screenshot: ZDF-Mediathek

Ursula von der Leyens Nominierung hat Brüssel kräftig durcheinander gewirbelt. Martin Schulz hat nun bei „Maybrit Illner“ eine bemerkenswerte Wutrede gehalten.

Berlin - Politische Talkrunden gerieten zuletzt gerne zu lauen Veranstaltungen - ausgerechnet der längst von großen Karriereplänen entlastete Ex-SPD-Chef Martin Schulz hat am Donnerstag aber echte Wut auf die TV-Bildschirme gebracht: Bei Maybrit Illner im ZDF redete sich der frühere EU-Parlamentspräsident gleich mehrfach in Rage. Ziele seines Furors wurden dabei mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die aktuell wohl wichtigsten Regierungschefs der EU-Staaten. Und nicht zufällig die beiden mutmaßlichen Architekten des von-der-Leyen-Deals.

Schulz schreckte in seinem Entsetzen über die Aushebelung des Spitzenkandidaten-Prinzips auch nicht davor zurück, eine Lanze für CSU-Mann Manfred Weber, einen Hauptleidtragenden der jüngsten Brüsseler Entwicklungen, zu brechen. Weber sei zwar nicht sein bester Freund, schränkte Schulz ein. Und holte dann zum Rundumschlag aus. 

Martin Schulz bei „Maybrit Illner“: Ex-SPD-Chef bricht dicke Lanze für Manfred Weber (CSU)

Es sei „Arroganz“, einem „Mann, der seit Jahren eine Parlamentsfraktion mit über 200 Abgeordneten aus 28 Ländern führt, die über 40 Parteien repräsentiert und in einem der kompliziertesten Gesetzgebungsorgane der Erde zu einem gemeinsamen Willen zusammenbindet“, die Fähigkeit zur Führung der EU-Kommission abzusprechen, sagte Schulz. Ein klarer Seitenhieb auf Macron. 

Den Schulz auch gleich noch verschärfte: „Die zwei Jährchen, die der Macron Wirtschaftsminister beim Hollande war, sind auch keine größere Qualifikation als die Erfahrung von Manfred Weber“, polterte er. Weber sei schon in Europa aktiv gewesen, als Macron eine „unbekannte Größe“ war. Da kam seltene Groko-interne Zustimmung sogar vom CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. „Die Rede, die Herr Schulz hier über Herrn Weber hält, kann ich nur unterschreiben“, sagt er.

„Maybrit Illner“ (ZDF): „Wie kann ich Mutti aus der Patsche helfen?“ - Schulz kritisiert Merkel und Macron

Auch für Merkel hatte der frühere SPD-Chef eine Spitze parat. Ihr warf er vor, von der Leyen bewusst nach Europa weggelobt zu haben. „Das war abgestimmt. Das war ein geschickter Schachzug von Merkel, die unpopulärste Ministerin ihrer Regierung - nur noch getoppt von Herrn Scheuer - nach Brüssel zu entsorgen“ Sie hat immer Nähzeug bei sich. Immer wenn eine Naht geplatzt ist, könne die Kanzlerin flicken, spottete Schulz. 

Geholfen habe dabei Macron - und zwar bewusst. "Ich sehe ihn vor mir liegen in Brüssel im Hotel, den Emmanuel, wie er sich hin- und herwälzt und nachdenkt: Wie kann ich Mutti jetzt aus der Patsche helfen? Ah, da kommt die Ursula! Das können Sie doch Ihrem Friseur erzählen“, echauffierte sich Schulz.

„Maybrit Illner“ (ZDF): Schulz will von der Leyen an Inhalten messen - Journalist berichtet von „Ekel“ junger Leute

Völlig eskalieren wollte Schulz die Lage allerdings auch nicht. Auch mehrere versöhnliche Töne schlug er schließlich an. „Ich glaube nicht, dass das ein Grund ist, die große Koalition zu beenden“, sagte er mit Blick auf den GroKo-Streit um von der Leyen. Auch habe sich Merkel mit ihrer Enthaltung in der Ratsabstimmung über von der Leyen „korrekt verhalten“. Sogar mit der umstrittenen Kandidatin könnte sich Schulz anfreunden - wenn sie eine europäische Seenotrettung durchsetzt: „Dann kann man überlegen, ob man ihr einen Vertrauensvorschuss gibt.“ Auch Leyen müsse letztlich an Inhalten gemessen werden.

Der Journalist Dirk Schümer und Grünen-Chefin Annalena Baerbock attestieren letztlich aber dennoch übereinstimmend einen „Schaden“ für Europa und die Demokratie. „Wir sind resigniert, wir sind angeekelt“, hätten ihm Schüler nach dem Hinterzimmer-Deal zur Kommissionspräsidentschaft erzählt, sagte Schümer. Zudem klinge das gesamte Personalpaket für die EU-Spitze „jetzt nicht nach jugendlichem Aufbruch“. 

Wenig erfreut scheinen übrigens auch die Deutschen über Leyens möglichen Karrieresprung - die Noch-Verteidigungsministerin muss eine bittere Umfrage einstecken. Die Grünen wollen unterdessen harte Forderungen im Gegenzug für eine Zustimmung zu einer Kommissionspräsidentin Leyen stellen, wie der deutsche Europa-Spitzenkandidat Sven Giegold der Ippen-Digital-Zentralredaktion am Freitag in einem Interview sagte. Kritik wurde zuletzt auch an Angela Merkels Wirtschaftspolitik laut.

Vorbericht: Bei „Maybrit Illner“ (ZDF) - Schulz und Baerbock sollen „Scherbenhaufen Europa“ analysieren

Maybrit Illner
Maybrit Illner. © picture alliance / Karlheinz Sch / Karlheinz Schindler

Berlin - Einerseits war es ein unerwarteter Coup - andererseits könnte das dicke Ende erst noch folgen: Als die EU-Staats- und Regierungschefs Ursula von der Leyen (CDU) als designierte EU-Kommissionspräsidentin aus dem Hut zogen, war das Erstaunen groß. Und die Vorwürfe ließen nicht lange auf sich warten. 

Als Schlag gegen das Spitzenkandidatenprinzip und damit die Demokratie wurde die Wende gerügt. Äußerst unklar ist noch, ob von der Leyen überhaupt eine Mehrheit im Europaparlament erhalten wird. Und was passieren wird, wenn nicht. 

Die verstimmten Sozialdemokraten könnten unterdessen nicht nur ihre Zustimmung zum hart verhandelten Personalpaket des Rates verweigern - sondern auch die fragile GroKo zu Fall bringen. Dass die Verteidigungsministerin gegen den Willen der SPD vom EU-Rat nominiert worden sei, werde Ende des Jahres bei der geplanten SPD-Halbzeitbilanz der Koalitionsarbeit eine Rolle spielen, sagte etwa Juso-Chef Kühnert dem SWR.

Maybrit Illner (ZDF): Schulz soll Fall von der Leyen analysieren - und dürfte Wut im Bauch haben

Wie es nun in der EU und der Bundesregierung weitergehen kann, das will am Donnerstagabend auch ZDF-Talkerin Maybrit Illner erörtern. Unter dem drastischen Titel "Scherbenhaufen Europa – Krise von Brüssel bis Berlin?".

Zumindest ein Diskussionsteilnehmer hat reichlich Erfahrung mit der Dynamik im EU-Parlament und politischen Krisen: Martin Schulz, Ex-SPD-Chef und früherer Präsident des EU-Volksvertretung wird in der Runde mitmischen. Er hatte sich bereits am Dienstag entsetzt über von der Leyens Nominierung geäußert. Den Politikeranteil des Talks komplettieren Grünen-Chefin Annalena Baerbock und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.

Maybrit Illner (ZDF): Diese Journalisten diskutieren am Donnerstag mit

Input von Expertenseite soll bei „Illner“ am Donnerstagabend der Vorsitzende der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI), Gerald Knaus, liefern. Der Think Tank beschäftigt sich unter anderem mit der Region Südosteuropa und dem Thema Migration. Mit Dirk Schümer (Die Welt) und Elisabeth Cadot sind zudem zwei Journalisten vertreten. An Brisanz dürfte es nicht mangeln - schließlich köchelt es sogar in Teilen der Union nach der umstrittenen Entscheidung für von der Leyen.

Die Sendung wird ab 22.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt. Am vergangenen Donnerstag war „Maybrit Illner“ noch entfallen - aus einem sportlichen Grund.

Nach dem tagelangen Gezerre um Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete äußert sie sich jetzt erstmals. Die Innenminister Seehofer und Salvini müssen sich schwerer Attacken erwehrenUrsula von der Leyen kehrt der Bundespolitik den Rücken. Kanzlerin Angela Merkel stellt das vor neue Probleme - die Auswahl einer Nachfolgerin wird nicht einfach.

fn

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