Der Journalist Dirk Schümer und Grünen-Chefin Annalena Baerbock attestieren letztlich aber dennoch übereinstimmend einen „Schaden“ für Europa und die Demokratie. „Wir sind resigniert, wir sind angeekelt“, hätten ihm Schüler nach dem Hinterzimmer-Deal zur Kommissionspräsidentschaft erzählt, sagte Schümer. Zudem klinge das gesamte Personalpaket für die EU-Spitze „jetzt nicht nach jugendlichem Aufbruch“.
Wenig erfreut scheinen übrigens auch die Deutschen über Leyens möglichen Karrieresprung - die Noch-Verteidigungsministerin muss eine bittere Umfrage einstecken. Die Grünen wollen unterdessen harte Forderungen im Gegenzug für eine Zustimmung zu einer Kommissionspräsidentin Leyen stellen, wie der deutsche Europa-Spitzenkandidat Sven Giegold der Ippen-Digital-Zentralredaktion am Freitag in einem Interview sagte. Kritik wurde zuletzt auch an Angela Merkels Wirtschaftspolitik laut.
Berlin - Einerseits war es ein unerwarteter Coup - andererseits könnte das dicke Ende erst noch folgen: Als die EU-Staats- und Regierungschefs Ursula von der Leyen (CDU) als designierte EU-Kommissionspräsidentin aus dem Hut zogen, war das Erstaunen groß. Und die Vorwürfe ließen nicht lange auf sich warten.
Als Schlag gegen das Spitzenkandidatenprinzip und damit die Demokratie wurde die Wende gerügt. Äußerst unklar ist noch, ob von der Leyen überhaupt eine Mehrheit im Europaparlament erhalten wird. Und was passieren wird, wenn nicht.
Die verstimmten Sozialdemokraten könnten unterdessen nicht nur ihre Zustimmung zum hart verhandelten Personalpaket des Rates verweigern - sondern auch die fragile GroKo zu Fall bringen. Dass die Verteidigungsministerin gegen den Willen der SPD vom EU-Rat nominiert worden sei, werde Ende des Jahres bei der geplanten SPD-Halbzeitbilanz der Koalitionsarbeit eine Rolle spielen, sagte etwa Juso-Chef Kühnert dem SWR.
Wie es nun in der EU und der Bundesregierung weitergehen kann, das will am Donnerstagabend auch ZDF-Talkerin Maybrit Illner erörtern. Unter dem drastischen Titel "Scherbenhaufen Europa – Krise von Brüssel bis Berlin?".
Zumindest ein Diskussionsteilnehmer hat reichlich Erfahrung mit der Dynamik im EU-Parlament und politischen Krisen: Martin Schulz, Ex-SPD-Chef und früherer Präsident des EU-Volksvertretung wird in der Runde mitmischen. Er hatte sich bereits am Dienstag entsetzt über von der Leyens Nominierung geäußert. Den Politikeranteil des Talks komplettieren Grünen-Chefin Annalena Baerbock und CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.
Input von Expertenseite soll bei „Illner“ am Donnerstagabend der Vorsitzende der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI), Gerald Knaus, liefern. Der Think Tank beschäftigt sich unter anderem mit der Region Südosteuropa und dem Thema Migration. Mit Dirk Schümer (Die Welt) und Elisabeth Cadot sind zudem zwei Journalisten vertreten. An Brisanz dürfte es nicht mangeln - schließlich köchelt es sogar in Teilen der Union nach der umstrittenen Entscheidung für von der Leyen.
Die Sendung wird ab 22.15 Uhr im ZDF ausgestrahlt. Am vergangenen Donnerstag war „Maybrit Illner“ noch entfallen - aus einem sportlichen Grund.
Nach dem tagelangen Gezerre um Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete äußert sie sich jetzt erstmals. Die Innenminister Seehofer und Salvini müssen sich schwerer Attacken erwehren. Ursula von der Leyen kehrt der Bundespolitik den Rücken. Kanzlerin Angela Merkel stellt das vor neue Probleme - die Auswahl einer Nachfolgerin wird nicht einfach.
fn