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„Braucht man da noch Feinde...“: Illner stichelt im Nahles-Streit - Brisante Renten-Debatte

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Illners Renten-Runde: Maria Loheide, Paul Ziemiak, Illner, Hubertus Heil, Sarna Röser, Elisabeth Niejahr (von links)
Illners Renten-Runde: Maria Loheide, Paul Ziemiak, Illner, Hubertus Heil, Sarna Röser, Elisabeth Niejahr (von links) © ZDF Mediathek

Auch wenn Moderatorin Illner sich lieber über die Versäumnisse von SPD und Andrea Nahles unterhalten hätte: In ihrem Talk ging es um die Grundrente - und die dazugehörigen Stereotype.

Berlin - Die "Gießkanne" war der Begriff des Abends. Und auch das vielzitierte Stereotyp der Arztgattin, die über ihren gutbetuchten Ehemann ohnehin schon bestens abgesichert ist, wurde mehrfach aufgefahren. Bei "Maybrit Illner" diskutierten am späten Donnerstagabend im ZDF Befürworter und Gegner der Grundrente über Gerechtigkeit und Zielgenauigkeit von Hubertus Heils Vorstoß gegen Altersarmut und für eine bessere Honorierung von Lebensarbeitszeit. 

Ziemiak: "Leistungsprinzip wird verletzt" 

Der Bundesarbeitsminister war denn auch höchstpersönlich zugegen, um sein Konzept gegen Kontrahenten zu verteidigen. Nicht zuletzt gegen Paul Ziemiak: Der neue CDU-Generalsekretär kritisierte die Pläne des eigenen Koalitionspartners. Der Vorschlag Heils gehe an der Sache vorbei. "Das Gießkannenprinzip wird am Ende nicht denjenigen helfen, die es besonders nötig haben." Damit spielt Ziemiak auf die nicht vorgesehene Bedürftigkeitsprüfung an. Rentner mit mindestens 35 Berufsjahren sollen die "Respekt"-Rente ohne weitere Prüfung ihrer sonstigen Einkünfte bekommen. Ziemiak findet das ungerecht. Er sieht dadurch "das Leistungsprinzip verletzt". 

Schützenhilfe bekommt er dabei von Sarna Röser. Die Bundesvorsitzende des Verbands „Die Jungen Unternehmer“ kann sich den Verweis auf die Gießkanne ebenfalls nicht verkneifen: Die Friseurin bekomme die Grundrente genauso wie die - zweites Stereotyp - Arztgattin. "Ungerecht", so Rösers Urteil. Heil kann das nicht mehr hören: "Der schöne, wie ich finde auch diskriminierende Begriff der Zahnarztgattin, der wohl aus der Perlweiß-Werbung der Neunziger ist" - das sei „nicht die Lebensrealität der Menschen“. 

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WiWo-Reporterin: „Frühere Reformen waren schlechter“

Laut Elisabeth Niejahr betreffe das in der Tat vielleicht nur „zwei bis drei Prozent." Die Chefreporterin der Wirtschaftswoche befürchtet aber "Gerechtigkeitsprobleme", wenn etwa Teilzeitarbeit oder ein gut verdienender Partner nicht berücksichtigt würden. "Solche Probleme kann man aber lösen und Übergangsszenarien schaffen", ist Niejahr überzeugt. 

Die Reformen der bisherigen Legislaturperioden seien viel schlechter gewesen, findet sie: Mütterrente, Riesterrente und wie sie alle heißen - "Die waren viel mehr Gießkanne.“ Größere Ungerechtigkeit befürchtete sie zwischen den Generationen. Man müsse auch die Lebensarbeitszeit erhöhen und für mehr Einnahmen sorgen. Hier pflichtet ihr Unternehmerin Röser bei: Die milliardenschweren Rentenpakete der Vergangenheit seien "eine tickende Zeitbombe". Kann man den Steuerzahlern und vor allen Dingen der jüngeren Generation ein neues Steuerpaket aufbürden? Röser sagt ganz klar "Nein". 

Gebäudereinigerin: 649 Euro nach 40 Jahren Arbeit

Ein weiterer Punkt, der für Zündstoff in der GroKo sorgt: Heil will für den "mittleren einstelligen Milliardenbetrag", den er für die Finanzierung der Grundrente benötigt, am Solidaritätszuschlag für Spitzenverdiener festhalten. Ein rotes Tuch für Ziemiak. "Sie entfachen eine Neiddebatte", warf er Heil vor. Es sei "Zeit, die Menschen zu entlasten, die den Laden hier am Laufen halten". Eine Steilvorlage für Heil: "Auch Geringverdiener sind Leistungsträger." 

Gudrun Weißmann würde dem sicher zustimmen. Nach mehr als 40 Jahren als Reinigungskraft erwartet Illners Studiogast eine Rente von 649 Euro. Geht es nach Heil, bekommt sie 300 Euro mehr. „Und wenn die Grundrente nicht käme?", fragt Illner. "Dann müsste ich auf 450-Euro-Basis weiter arbeiten", erklärt die Reinigungskraft. In der Gebäudereinigung sei es gang und gäbe, dass Menschen bis weit in ihre Siebziger arbeiten: "Ich höre immer, es gibt nur rüstige Rentner", sagt die 62-Jährige. "Die müssen arbeiten, weil es sonst nicht anders geht." Weißmann ärgert das. Gegen eine Bedürftigkeitsprüfung hat sie aber nichts. 

Loheide: „Die schämen sich.“

Heil verteidigt sich: "Es geht nicht um eine neue Stufe von Grundsicherung. Und Grundrente ist Lebensleistung und nicht Bedürftigkeit vom Staat." Diejenigen die mit der Bedürftigkeit argumentieren, erklärt der Bundesarbeitsminister, kalkulierten mit ein, dass viele den Antrag nicht stellen. Laut Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland realisieren schon jetzt "viele Menschen ihre Ansprüche auf Grundsicherung nicht, weil sie das Gefühl haben, versagt zu haben - die schämen sich." Eine Prüfung könne also abschreckend wirken. Sie will darüber hinaus an den Stellschrauben drehen, die zu niedrigen Renten führen: geringer Mindestlohn und Niedriglohnsektor. 

Illner „Nahles hat Grundrente verhindert“

Neue Baustelle. Auch hier hat die SPD in den vergangenen Legislaturperioden wenig bewirkt. Wie eben bei der Grundrente. Maybrit Illner stichelt, dass SPD-Chefin Andrea Nahles vor zwei Jahren die Grundrente gemeinsam mit dem Kanzleramt verhindert habe. "Braucht man Feinde, wenn man man solche Parteifreunde hat?", provoziert die Moderatorin den Bundesarbeitsminister. Auf die Debatte. die auch Parteikollegen wie Sigmar Gabriel zuletzt anfachten, lässt sich Heil erst gar nicht ein - es gehe um die Menschen, für die man was tun wolle, betont er. 

Auf das Ziel, dass Menschen, die lange in die Rentenversicherung eingezahlt haben, nicht unter der Grundsicherung landen sollen, konnten sich ohnehin alle Gäste verständigen. Über den geeigneten Weg, das zu bewerkstelligen, gehen die Meinungen auseinander. Eine Annäherung in dem kontroversen Thema brachte auch dieser Abend nicht.

vg

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