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Streit um „Lufthoheit über Kinderbetten“ - Merkels GroKo scheitert mit symbolträchtigen Plänen

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Geimpfte sollen mehr Freiheiten bekommen. Das Kabinett hat eine entsprechende Verordnung am Dienstag beschlossen, teilte  Justizministerin Christine Lambrecht (Mitte) mit. Das Bild zeigt sie mit Finanzminister Olaf Scholz und Kanzlerin Angela Merkel bei einer Sitzung des Bundestags. (Archivbild)
Kanzlerin Angela Merkel spricht mit Finanzminister Olaf Scholz und Justizministerin Christine Lambrecht bei einer Sitzung des Bundestags. (Archivbild) © Frederic Kern via www.imago-images.de

Zum Ende der Ära Merkel wollte die GroKo noch einmal am Grundgesetz nachbessern: Bei Kinderrechten und dem Begriff der „Rasse“. Union und SPD scheitern aber - der Theaterdonner ist groß.

Berlin - Angela Merkels Große Koalition ist an gleich zwei symbolträchtigen Vorhaben gescheitert - in nur zwei Tagen: Kinderrechte werden in dieser Legislatur wohl keinen Eingang in das Grundgesetz mehr finden. Und auch der Begriff „Rasse“ wird wohl trotz anderslautender Pläne nicht aus der Verfassung der Bundesrepublik gestrichen. Die Fraktionen von Union und SPD im Bundestag* schoben sich die Schuld gegenseitig zu.

„Je näher das Ende dieser Legislaturperiode kommt, desto deutlicher wird es, welches Weltbild CDU* und CSU* weiterhin pflegen: rückschrittlich und modernisierungsfeindlich“, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese der Nachrichtenagentur AFP. Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei warf der SPD - aber auch den Grünen - vor, sie hätten bei der Debatte um Kinderrechte „den Bogen überspannt“.

Kinderrechte: Keine Einigung in Merkels GroKo - Union wirft Rot-Grün Wunsch nach „Staatshoheit über Kinderbetten“ vor

Beim Thema Kinderrechte waren sich Koalition und Opposition eigentlich weitgehend einig. Zumindest, was das Ziel angeht: In das Grundgesetz sollte ein neuer Passus eingefügt werden, der den ausdrücklichen Schutz der Rechte von Kindern - einschließlich der Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten und der besonderen Berücksichtigung ihres Wohls - festschreiben sollte. Streit gab es aber in der Frage, wie weit diese staatlich garantierten Rechte reichen sollten, ohne die Rechte von Eltern zu schmälern.

Nach Unionsangaben vom Dienstag scheiterten die Verhandlungen an der Forderung von SPD und Grünen, die Kinderrechte im Grundgesetz ausdrücklich als „Staatsziel“ zu benennen. Dies hätte die Reichweite der Elternrechte zu Lasten des Staats geschmälert, erklärte Frei. „Hinter der Definition der Kinderrechte als Staatsziel steht letzten Endes ein anderes Verständnis des Verhältnisses von Staat, Eltern und Kindern zueinander“, erklärte er. „Da machen wir nicht mit.“ Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) zeigte sich „zutiefst enttäuscht“ und warf der Union einen mangelnden Willen zur Einigung vor.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einem „Armutzeugnis für die Koalition, insbesondere für die Union“. Lambrecht habe es als Justiz- und Familienministerin nicht verstanden, „die nötige Mehrheit dafür zu schaffen, dass die Rechte von Kindern tatsächlich im Grundgesetz verankert“ werden. Frei schob den schwarzen Peter weiter: „Die staatliche Lufthoheit über den Kinderbetten, wie sie SPD und Grüne wollen, ist mit uns nicht zu machen“, erklärte er am Mittwoch. Er sprach von einem „kalkulierten Scheitern“ der Verhandlungen durch Grüne und SPD.

„Rasse“ als Begriff weiter im Grundgesetz: GroKo wird sich nicht einig - „keine Änderung mehr zu erwarten“

Am Mittwoch folgte das nächste mutmaßlich finale Überwürfnis. Denn die große Koalition wird wohl auch nicht mehr die Ersetzung des Rassebegriffs im Grundgesetz auf den Weg bringen. „Es gibt keinen Gesetzentwurf der Koalition zur Änderung des Grundgesetzes zum Thema ‚Rasse‘, so dass eine kurzfristige Grundgesetzänderung nicht mehr zu erwarten ist“, sagte der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar Heveling, der Rheinischen Post. Zwar werde es wohl noch eine Anhörung im Rechtsausschuss geben, doch das Vorhaben sei damit für diese Wahlperiode durch.

Johannes Fechner, Sprecher der SPD-Arbeitsgruppe Recht und Verbraucherschutz, bestätigte, dass der Begriff wohl vorerst im Grundgesetz stehen bleibt. „Die Union will den Begriff der Rasse im Grundgesetz behalten“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Das Argument des Zeitdrucks sei scheinheilig, denn die zuständigen Ministerien hätten sich schon vor Monaten darauf geeinigt, den Begriff zu streichen. Die Unionsfraktion habe dann einen entsprechenden Kabinettsbeschluss blockiert: „Wegen der Blockade der Union steht der überholte Rassebegriff leider weiter im Grundgesetz.“ 

Derzeit heißt es im Grundgesetz, niemand dürfe „wegen seiner Rasse“ benachteiligt werden. Dies stößt schon lange auf Kritik, weil damit indirekt eine Existenz unterschiedlicher menschlicher Rassen unterstellt werde. Die Einigung von Seehofer und Lambrecht sah vor, stattdessen ein Verbot der Diskriminierung „aus rassistischen Gründen“ in die Verfassung aufzunehmen. (AFP/dpa/fn) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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