Damit ging die Zeit zu Ende, in der vor allem die Europäer nach dem Ende des Kalten Kriegs die sogenannte Friedensdividende einstrichen und ihre Armeen sowie die Ausgaben dafür schrumpfen ließen. Seit 2014 steigen nun die Wehretats wieder. Hierzulande von rund 30 Milliarden Euro jährlich auf etwa 50 Milliarden Euro im Jahr 2020.
Dieser Strategiewechsel war von Anfang an umstritten. Nicht nur wegen der hohen Summen, die plötzlich in die Armeen investiert wurden. Vielmehr ist unklar, mit welchem Ziel das Geld ausgegeben werden soll. US-Präsident Donald Trump scheint vor allem wichtig, dass besonders die Europäer mehr ausgeben.
Die Bundesregierung wiederum hat seit dessen Amtsantritt im Januar 2017 immer wieder darauf hingewiesen, dass Sicherheit nicht alleine militärisch erreicht werden kann. Beim Nato-Treffen in London wurde allerdings der Zwist über das Geld abgelöst durch den Streit über die Ausrichtung der Nato.
Hier sind vor allem die europäischen Nato-Partner gefordert. Bereits US-Präsident Barack Obama hat die Verbündeten des alten Kontinents aufgefordert, sich stärker um die Konflikte in der Nachbarschaft Europas zu kümmern, damit die USA sich auf die Auseinandersetzung mit China konzentrieren kann. Sein Nachfolger Trump ist weniger freundlich vorgegangen, wie der unabgesprochene Abzug aus Syrien, aber auch der gekündigte Atomdeal mit dem Iran verdeutlicht. In beiden Fällen sind europäische Sicherheitsinteressen berührt.
Bislang haben die Europäer noch keine einheitliche Antwort auf diese Herausforderung gefunden. Ein paar Vorschläge wie von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für Syrien werden genauso wenig reichen wie das konträre Vorgehen Italiens und Frankreichs in Libyen, die jeweils eine Konfliktpartei unterstützen.
Die Europäer müssen eine kohärente Strategie entwickeln. Dafür müssen sie eine gemeinsame Idee erarbeiten, wie sie die Konflikte mit Russland, in Syrien und Libyen vor allem politisch und auch ökonomisch befrieden können. Das ist in keinem Fall einfach. Im Verhältnis zu Russland müssen sie dabei trotz allem weiter auf Gespräche setzen und gleichzeitig nicht zu nachgiebig sein, damit die Interessen Polens und der baltischen Staaten gewahrt bleiben. Noch schwieriger wird es, den Konflikt mit der Türkei beizulegen oder sich im Streit zwischen den USA und Iran zu behaupten.
Dabei wird es wenig helfen, die Nato zu europäisieren, wie es Macron nahegelegt hat. Das wird keine Regierung in Washington mitmachen. Auch die Osteuropäer wie Polen nicht. Sie setzen ohnehin verteidigungspolitisch stärker auf die USA als auf ihre europäischen Verbündeten. Mit gutem Grund. Ohne die USA können die Europäer die verteidigungspolitischen Herausforderungen nicht stemmen. Der erste Schritt hin zu einer Lösung all dieser Probleme ist für die Europäer ohnehin, sich politisch zu einigen, welche Ziele sie mit welchen Mitteln erreichen wollen.
Von Andreas Schwarzkopf
Der Nato-Gipfel hat sich auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt. Einige Regierungschefs sollen dabei gefilmt worden sein, wie sie über US-Präsident Donald Trump ablästern.