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Die Nato in der Krise: es geht um mehr als den Zwist zwischen und Europa und den USA

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NATO-Großmanöver "Trident Juncture"
Die Nato bemüht sich bei vielen Herausforderungen noch um den richtigen Kurs – vor allem in Bezug auf Russland und China. Hier ein Bild der Übung Trident Juncture im November 2018 in Norwegen. © Niilo Simojoki/Lehtikuva/dpa

Die Nato bemüht sich bei vielen Herausforderungen noch um den richtigen Kurs – vor allem in Bezug auf Russland und China. Eine Analyse.

Die 29 Staats- und Regierungschefs der Nato sind vereint im Streit. So lässt sich das Treffen zum 70-jährigen Bestehen der Allianz zusammenfassen. Dabei sollte man allerdings nicht nur die vielen kontroversen Debatten im Blick haben, sondern auch die zahlreichen Gemeinsamkeiten nicht vergessen.

Denn der Zwist zwischen den USA und Europa über die Lastenteilung im Bündnis, die Kritik am völkerrechtswidrigen Einmarsch der Türkei in Syrien oder auch die Debatte über den Zustand des Nordatlantikpakts zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem französischen Kollegen Emmanuel Macron wird ergänzt – etwa dadurch, dass die Nato-Mitglieder China als Herausforderung, nicht als Feind beschrieben haben.

Nato: Gespräche mit China wären wichtig

Lässt man mal das Wortgeklingel und die Positionierungen der Staatenlenker beiseite und konzentriert sich auf die strategischen Aufgaben, wird deutlich, wie sehr die Nato-Verantwortlichen noch nach Antworten auf verschiedene Herausforderungen suchen. Die alten Antworten aus dem Kalten Krieg helfen nur bedingt.

China ist da ein gutes Beispiel. Neben den bekannten ökonomischen und menschenrechtlichen Streitpunkten mit Peking geht es militärisch um die Frage, ob und wie die Nato auf das asiatische Land reagieren soll. Dabei dürften französische Kriegsschiffe in Südostasien, wie Macron sie ins Gespräch gebracht hat, wenig hilfreich sein. Auch hier sollte das westliche Bündnis eher politische Lösungen anstreben. Das wird besonders beim Thema Rüstung – oder besser Abrüstung – deutlich.

Zwischen Russland und der Nato wird der Ton rauher

Bislang gibt es darüber so gut wie keine Gespräche mit Peking. Sie wären aber wichtig, wie das Beispiel des von Russland und den USA gekündigten INF-Vertrags über die Stationierung landgestützter Mittelstreckenraketen zeigt. Vor allem Washington hat in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hingewiesen, dass es bei dieser Waffengattung keine entsprechende Vereinbarungen mit China gibt.

Beim Verhältnis zu Russland haben die Nato-Mitglieder trotz aller Unterschiede im Ton die wesentlichen Antworten gegeben. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland und dem anschließend durch Moskau unterstützten Krieg in der Ostukraine hat das Bündnis die gewachsenen Bedrohungsängste der baltischen und osteuropäischen Staaten gemildert, indem sie diese militärisch stärkten.

Die Nato im Angesicht terroristischer Bedrohung durch den „Islamischen Staat“

Problematischer ist eine andere Antwort auf den Streit mit Russland: das Zweiprozentziel. 2014 haben die Nato-Mitglieder vereinbart, die Bündnisverteidigung wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Standen bis dahin eher freiwillige Einsätze wie in Afghanistan im Fokus, so sollten nun alle Nato-Staaten wieder verteidigungsfähig werden – auch gegen die terroristische Bedrohung wie etwa den selbst ernannten „Islamischen Staat“.

Wladimir Putin und Xi Jinping in Moskau. Welchen Kurs sollen die Bündnisstaaten der Nato in Bezug auf Russland und China einschlagen?
Wladimir Putin und Xi Jinping in Moskau. Welchen Kurs sollen die Bündnisstaaten der Nato in Bezug auf Russland und China einschlagen? © Alexey Druzhinin/Sputnik/AFP

Damit ging die Zeit zu Ende, in der vor allem die Europäer nach dem Ende des Kalten Kriegs die sogenannte Friedensdividende einstrichen und ihre Armeen sowie die Ausgaben dafür schrumpfen ließen. Seit 2014 steigen nun die Wehretats wieder. Hierzulande von rund 30 Milliarden Euro jährlich auf etwa 50 Milliarden Euro im Jahr 2020.

Nato: Bundesregierung will Sicherheit nicht nur militärisch erreichen

Dieser Strategiewechsel war von Anfang an umstritten. Nicht nur wegen der hohen Summen, die plötzlich in die Armeen investiert wurden. Vielmehr ist unklar, mit welchem Ziel das Geld ausgegeben werden soll. US-Präsident Donald Trump scheint vor allem wichtig, dass besonders die Europäer mehr ausgeben.

Die Bundesregierung wiederum hat seit dessen Amtsantritt im Januar 2017 immer wieder darauf hingewiesen, dass Sicherheit nicht alleine militärisch erreicht werden kann. Beim Nato-Treffen in London wurde allerdings der Zwist über das Geld abgelöst durch den Streit über die Ausrichtung der Nato.

Hier sind vor allem die europäischen Nato-Partner gefordert. Bereits US-Präsident Barack Obama hat die Verbündeten des alten Kontinents aufgefordert, sich stärker um die Konflikte in der Nachbarschaft Europas zu kümmern, damit die USA sich auf die Auseinandersetzung mit China konzentrieren kann. Sein Nachfolger Trump ist weniger freundlich vorgegangen, wie der unabgesprochene Abzug aus Syrien, aber auch der gekündigte Atomdeal mit dem Iran verdeutlicht. In beiden Fällen sind europäische Sicherheitsinteressen berührt.

Nato: Europa muss kohärente Strategie entwickeln

Bislang haben die Europäer noch keine einheitliche Antwort auf diese Herausforderung gefunden. Ein paar Vorschläge wie von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für Syrien werden genauso wenig reichen wie das konträre Vorgehen Italiens und Frankreichs in Libyen, die jeweils eine Konfliktpartei unterstützen.

Die Europäer müssen eine kohärente Strategie entwickeln. Dafür müssen sie eine gemeinsame Idee erarbeiten, wie sie die Konflikte mit Russland, in Syrien und Libyen vor allem politisch und auch ökonomisch befrieden können. Das ist in keinem Fall einfach. Im Verhältnis zu Russland müssen sie dabei trotz allem weiter auf Gespräche setzen und gleichzeitig nicht zu nachgiebig sein, damit die Interessen Polens und der baltischen Staaten gewahrt bleiben. Noch schwieriger wird es, den Konflikt mit der Türkei beizulegen oder sich im Streit zwischen den USA und Iran zu behaupten.

Nato: Macron will den das Bündnis europäisieren

Dabei wird es wenig helfen, die Nato zu europäisieren, wie es Macron nahegelegt hat. Das wird keine Regierung in Washington mitmachen. Auch die Osteuropäer wie Polen nicht. Sie setzen ohnehin verteidigungspolitisch stärker auf die USA als auf ihre europäischen Verbündeten. Mit gutem Grund. Ohne die USA können die Europäer die verteidigungspolitischen Herausforderungen nicht stemmen. Der erste Schritt hin zu einer Lösung all dieser Probleme ist für die Europäer ohnehin, sich politisch zu einigen, welche Ziele sie mit welchen Mitteln erreichen wollen.

Von Andreas Schwarzkopf

Der Nato-Gipfel hat sich auf eine gemeinsame Abschlusserklärung geeinigt. Einige Regierungschefs sollen dabei gefilmt worden sein, wie sie über US-Präsident Donald Trump ablästern.

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