Der britische No-Deal-Beauftragte Michael Gove reagierte nun auf die Veröffentlichung. Er bezeichnete die Papiere zu den Szenarien eines EU-Austritts ohne Abkommen als veraltet. Sie würden den schlimmsten Fall widerspiegeln. Inzwischen gehe man nur noch von kleineren Hindernissen aus.
12.22 Uhr: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird an diesem Mittwoch in Berlin den neuen britischen Premierminister Boris Johnson treffen. Das bestätigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntag in einer sogenannten Bürgerpressekonferenz beim Tag der offenen Tür der Bundespressekonferenz in Berlin. Seibert betonte, die Bundesregierung bedauere die Entscheidung der Briten, die Europäische Union zu verlassen. „Aber wir müssen auch die Realitäten zur Kenntnis nehmen.“ Die Bundesregierung habe in diesem Zusammenhang immer gesagt, dass ein Brexit mit Abkommen besser sei als ein Ausstieg ohne Abkommen. Daran könne niemand ein Interesse haben.
Update vom 18. August: Sollte Großbritannien ohne Abkommen aus der Europäischen Union austreten, rechnet die britische Regierung einem Bericht zufolge mit einem Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und Benzin. Die „Sunday Times“ berief sich auf geleakte Regierungsdokumente.
Darüber hinaus werde von einem mehrmonatigen Zusammenbruch in den Häfen, einer harten Grenze zu Irland und steigenden Sozialkosten ausgegangen. Das Dossier, das sich mit den wahrscheinlichsten Auswirkungen eines No-Deal-Brexits beschäftige, wurde den Angaben zufolge vom Cabinet Office zusammengestellt. Das Büro soll den Premierminister und die Minister in ihrer Arbeit unterstützen.
Update vom 16. August 2019: Trotz der Querelen in Großbritannien rechnet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) offenbar nicht mit einem baldigen Sturz von Premier Boris Johnson - zumindest nicht in naher Zukunft: Laut Regierungssprecher Steffen Seibert plant Merkel ein Treffen mit Johnson „in allernächster Zeit“.
Es sei "sinnvoll", über den britischen EU-Austritt und andere Themen zu sprechen, "die uns verbinden", sagte Seibert. Merkel und Johnson hätten seit dem Amtsantritt des konservativen Politikers Ende Juli bereits einmal telefoniert, fügte er hinzu.
Angesprochen auf Berichte, wonach sich die Bundesregierung auf einen ungeordneten Brexit einstelle, sagte Seibert, ein geordneter Austritt Großbritanniens sei "in jeder Hinsicht vorzuziehen". Gleichzeitig bereite sich die Bundesregierung aber auch auf den "von uns nicht gewünschten und sehr negativen Fall eines Austritts ohne Abkommen vor". Dies tue die gesamte EU.
London - Der britische Labour-Chef Jeremy Corbyn will nach Medienberichten vorübergehend als Premierminister das Ruder übernehmen und so einen Brexit ohne Abkommen verhindern. Weniger als 80 Tage vor dem EU-Austritt plant der Alt-Linke demnach, die Parteien im Parlament dazu bringen, Boris Johnson mit einem Misstrauensvotum aus dem Amt zu drängen. Als neuer Premier will Corbyn den Brexit hinauszögern, Neuwahlen ausrufen und zugleich ein neues Referendum auf den Weg bringen, wie britische Medien am Donnerstag berichteten.
Der Chef der britischen Sozialdemokraten gehe davon aus, auch viele seiner Kritiker auf seine Seite ziehen zu können, wenn seine Zeit als Premier klar befristet wäre. Einen Brief mit seinem Vorschlag soll Corbyn am späten Mittwochabend an die Chefs der oppositionellen Parteien und Rebellen der regierenden Konservativen geschickt haben.
„Unsere Priorität sollte es sein, im Parlament zusammenzuarbeiten, um einen stark schädigenden No-Deal-Brexit zu verhindern“, zitieren die Medien aus dem Schreiben, das auf ein geteiltes Echo gestoßen sein soll. So bezeichnete die neue Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, Corbyns Vorschlag den Berichten zufolge als „Unsinn“. Die Grünen begrüßten demnach zwar das vorgeschlagene Misstrauensvotum, wollen aber ein neues Referendum noch vor Neuwahlen.
Ein Regierungssprecher sagte dazu: „Es gibt eine klare Wahl: Jeremy Corbyn, der das Referendum außer Kraft setzen und die Wirtschaft ruinieren wird, oder Boris Johnson, der das Referendum respektieren und mehr Geld für das (staatliche Gesundheitssystem) NHS und mehr Polizei auf unseren Straßen zur Verfügung stellen wird.“
Johnson will Großbritannien unter allen Umständen am 31. Oktober aus der Europäischen Union führen. Er pocht auf Änderungen am fertigen Austrittsvertrag mit der EU, will aber notfalls auch ohne Abkommen gehen. Das Parlament hatte das Austrittsabkommen dreimal durchfallen lassen, aber auch klar gegen einen Brexit ohne Vertrag gestimmt. Johnson hatte zuletzt nicht ausgeschlossen, zur Not dem Parlament eine Zwangspause aufzuerlegen und es so handlungsunfähig zu machen.
Johnson will den vereinbarten Backstop im Abkommen streichen, was die EU ablehnt. Diese Garantieklausel soll verhindern, dass zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland wieder Grenzkontrollen eingeführt werden müssen. Das könnte den alten Konflikt zwischen katholischen Befürwortern einer Vereinigung Irlands und protestantischen Loyalisten wieder schüren.
Der Backstop sieht vor, dass Großbritannien so lange Teil einer Zollunion mit der EU bleibt, bis das Problem anderweitig gelöst ist. Für Nordirland sollen zudem teilweise Regeln des Europäischen Binnenmarkts gelten. Johnson sieht in der Klausel ein „Instrument der Einkerkerung“ Großbritanniens in Zollunion und Binnenmarkt. Die Wirtschaft reagierte zuletzt bereits mit negativen Signalen auf Johnsons Kurs.
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Boris Johnson war kürzlich zu Gast zum Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.
dpa