In einem Folge-Tweet erklärte Böhmermann: „Ich hab vor Wut drei schlimme Wörter über Horst Seehofer getwittert. Ich bin so traurig und verzweifelt. Egal, woran du glaubst oder woher deine Eltern stammen: Menschen sollen der Polizei vertrauen können und sich nicht vor ihr fürchten müssen.“
Sein Arbeitgeber ZDF nahm Böhmermann („Neo Magazin Royale“) in Schutz: „Der Tweet ist erkennbar spontan aus persönlicher Betroffenheit entstanden“, sagte ein Sprecher des Senders der Bild. Die Wortwahl sei aber „indiskutabel“. Die Frage einer Studie zu Rassismus bei der Polizei sorgt seit Monaten für Dissens in der Großen Koalition.
Update vom 19. September, 10.24 Uhr: Nach dem Rechtsextremismus-Polizei-Skandal in Nordrhein-Westfalen gibt es einen weiteren Fall in Mecklenburg-Vorpommern Dort sind im Zuge von Ermittlungen wegen rechtsextremistischer Chats zwei Polizisten vom Dienst suspendiert worden. Sie stünden im Verdacht, auf ihren Privathandys antisemitische, ausländerfeindliche sowie naziverherrlichende Nachrichten verschickt zu haben, wie das Landesinnenministerium am Freitagabend mitteilte. Bei Durchsuchungen seien Datenträger und weitere Technik beschlagnahmt worden, die nun ausgewertet würden.
Gegen zwei weitere Polizisten seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) dem Sender NDR. Insgesamt stünden nun 17 Beamte und ein Tarifangestellter der Landespolizei im Verdacht, rechtsextremes Gedankengut in Internet-Chats ausgetauscht zu haben. „Solch ein Verhalten ist abscheulich und beschämend für die Landespolizei“, erklärte Caffier. „Die Zeit, in der wir von Einzelfällen reden, ist vorbei.“ Allerdings gebe es derzeit keine Hinweise auf ein Netzwerk.
Update vom 18. September, 9.20 Uhr: Trotz des Rechtsextremismus-Skandals bei der Nordrhein-Westfälischen Polizei hat sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gegen eine entsprechende Rassismus-Studie ausgesprochen. „Dieser Vorgang bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen tut weh“, sagte Seehofer der SZ. Er sei aber sicher, „dass die überwältigende Mehrheit unserer Polizistinnen und Polizisten solche Machenschaften ablehnen.“ Ohne Zweifel stehe die Mehrheit „zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.“
Seehofer verwies auf einen Bericht des Verfassungsschutzes zu dem Themenkomplex, der Ende September veröffentlicht werde – jedoch war dieser schon vor dem Skandal und der Diskussion um Rassismus in der Polizei geplant.
Update vom 17. September, 13.19 Uhr: Nach dem Auffliegen des Rechtsextremismus-Skandals bei der Polizei in seinem Bundesland hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in einer Ansprache im Düsseldorfer Landtag erneut von einer „Schande für die Polizei in NRW“ gesprochen - und dabei auf ein Problem hingewiesen, das er dabei sieht: Dass sich die beschuldigten Beamten in einer privaten, geschlossenen Chatgruppe austauschten. „Da gibt es eine rechtlich geschützte Eintrittsschwelle“, so Reul. Die Ermittler hätten in diesem Fall „Glück“ gehabt, dass sie wegen Geheimnisverrats eines Polizisten die Befugnis hatten, die Daten einzusehen.
Das ganze Ausmaß das Falls ist laut Reul noch nicht absehbar: „Bist jetzt sind 30 Beamte betroffen - aber man weiß, wenn man anfängt zu graben, kommt noch mehr zum Vorschein.“ Allein am Mittwoch wurden im Zusammenhang mit den Razzien (siehe Ursprungsmeldung) nochmals mehr als 100 elektronische Medien beschlagnahmt.
Reul zeigte sich in seiner emotionalen Rede erschüttert. „Der Fall hat eine Dimension in einer Abscheulichkeit, die ich nicht für möglich gehalten hätte“, sagte er vor den Landtagsabgeordneten und forderte „sorgfältige Ermittlungen“ und „knallharte Konsequenzen“. Die in den Chats geteilten Bilddateien beschrieb Reul als „unerträglich“: „Ich kann Ihnen die Bilder nicht zeigen. Aber das sind nicht nur Hakenkreuze, sondern auch fiktive Darstellungen mit Flüchtlingen - gepostet von Menschen, die geschworen haben, die Verfassung des Landes zu befolgen und verteidigen“.
Update vom 17. September, 12.07 Uhr: Grünen-Chef Robert Habeck hat nach der Aufdeckung rechtsextremer Chatgruppen bei Polizei NRW (siehe Ursprungsmeldung) gefordert, gegen „falsch verstandenen Korpsgeist“ unter den Beamten vorzugehen. Eine ganze Dienststelle sei involviert, es hätten zwar nicht alle aktiv mitgemacht, aber über Jahre hätte niemand etwas dagegen unternommen, sagte Habeck der dpa. Die Ereignisse zeigten besonders plakativ, „was falsch verstandener Korpsgeist anrichten kann“. Daher brauche es die Einrichtung eines unabhängigen Polizeibeauftragten.
Update vom 17. September, 6.53 Uhr: Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, hat nach der Aufdeckung von rechtsextremen Chatgruppen bei der nordrhein-westfälischen Polizei (siehe Ursprungsmeldung) vor einem generellen Vertrauensverlust gewarnt. „Das sind Vorfälle, die das Vertrauen in die Polizei erheblich erschüttern“, sagte Münch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Ähnliches gelte für mit „NSU 2.0“ unterschriebene Drohbriefe mit „offensichtlich vorherigen Datenabfragen bei der Polizei“.
Münch forderte: „Deshalb müssen wir, die gesamte Polizei in Deutschland bis in die letzte Dienststelle, alles tun, um Vertrauen zu halten oder zurück zu gewinnen und mit aller Deutlichkeit immer wieder sagen: Rechtsextremes Gedankengut und rechtsextremes Handeln haben in der Polizei keinen Platz und werden, wo immer sie in Erscheinung treten, mit aller Konsequenz und unter Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel verfolgt.“
Für das BKA berichtete Münch von sechs Fällen in den vergangenen drei Jahren, bei denen das Verhalten eine Schwelle erreicht habe, „an der wir gesagt haben: Das tolerieren wir nicht.“ Es habe sich „ganz überwiegend“ um Fälle aus dem Kreis der Kriminalkommissarsanwärterinnen und -anwärter gehandelt. In fünf Fällen seien die Arbeitsverhältnisse beendet worden. Einmal seien arbeitsrechtliche Maßnahmen ergriffen worden.
Update vom 16. September, 15.38 Uhr: Nach den Razzien bei Polizisten in Nordrhein-Westfalen und der Aufdeckung von rechtsextremen Chatgruppen hat sich jetzt auch das Bundesinnenministerium zu Wort gemeldet. Die Berichte seien „in höchstem Maße alarmierend“, sagte ein Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Weiter bezeichnete der Sprecher die Vorfälle - falls sie sich als wahr entpuppen - als „Schande" für die Polizei in NRW. Es sei auch „ein Schlag ins Gesicht“ aller Polizisten, die in großer Loyalität zur demokratischen Grundordnung stünden. Für das Bundesinnenministerium sind die Razzia und die Untersuchungen aber auch ein Beleg dafür, dass die Sicherheitsbehörden allen Hinweisen konsequent nachgehen. Es werde nicht nur geredet, sondern auch gehandelt, so der Sprecher.
Erstmeldung vom 16. September 2020:
Essen – In Nordrhein-Westfalen hat es am Mittwochmorgen mehrere Razzien bei Polizisten gegeben. Der Anlass: fünf aufgedeckte rechtsextreme Chatgruppen. Bei 14 Verdächtigen hat es Durchsuchungen gegeben, den übrigen 15 beschuldigten Beamten seien Disziplinarverfügungen zugestellt worden, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in der Pressekonferenz zu den Razzien.
Die Polizisten sollen jahrelang in privaten WhatsApp-Gruppenchats volksverhetzende und rassistische Nachrichten verschickt haben. Mehr als 200 Ermittler seien gegen „Menschen aus den eigenen Reihen“ im Einsatz gewesen. Es seien Dienststellen und Wohnungen durchsucht worden. Reul sprach angesichts von mehr als 100 Bild-Dateien mit strafrechtlich relevanten Inhalten von „widerwärtigster Hetze“.
Es handelte sich Reul zufolge um Bilder von Hitler, Hakenkreuzen und Reichskriegsflaggen „und noch viel abscheulicheren Darstellungen“ im Zusammenhang mit Flüchtlingen und Schwarzen - „all dies versendet von Beamten unseres Bundeslandes“. Eine der Chat-Gruppen wurde wahrscheinlich bereits 2012 gegründet, die mit den meisten Dateien 2015. „Die letzte Nachricht die wir gefunden haben, datiert auf den 27. August diesen Jahres“, so Reul.
„Wir reden von einem Verdacht und stehen bei den Ermittlungen ganz am Anfang“, sagte Reul und warnte vor Vorverurteilung. „Es soll aber auch niemand glauben, wir würden diese Verdachtsmomente nicht ernst nehmen und bei den eigenen Leuten nicht so genau hinschauen.“
„Wir werden das alles aufarbeiten“ versprach Reul: „Was läuft bei der Polizei strukturell schief, dass so etwas passieren kann?" Reul kündigte eine Sonderinspektion für das vor allem betroffene Polizeipräsidium Essen an. Zudem werde er einen Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der nordrhein-westfälischen Polizei berufen. (frs) *Merkur.de gehört zum Ippen-Digital-.Redaktionsnetzwerk.