„Herr Scholz traf sich am 10. November 2017 mit Herrn Olearius - am Tag, an dem das Schreiben des Finanzministeriums in Hamburg eintraf“, betonte er. „Herr Scholz hat die Unwahrheit gesagt“, konstatierte de Masi mit Blick auf eine frühere Äußerung Scholz', es gebe keine weiteren Sachverhalte außer den in der Presse bekannten. Erst später seien weitere Treffen bekannt geworden. "Sie müssen selbst wissen, ob sie mit diesem Rucksack den Wahlkampf bestreiten wollen", fügte er hinzu.
„Ein Durchschnittsverdiener zahlt 36 Prozent Steuersatz, die zahlen das alle, jedes Jahr aufs Neue - das Vertrauen dieser Menschen in die gerechte Steuerveranlagung wird zerstört“, kritisierte der FDP-Finanzexperte Florian Toncar. Die Erkenntnisse aus den Tagebüchern des Bankiers Olearius seien alleine kein Beweis, aber sie könnten Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werden, warnte er. „Ich unterstelle, dass das, was wir inzwischen von Ihnen erfahren haben, vollständig ist", sagte Toncar. Nun müsse eine parlamentarische Untersuchung in Hamburg eröffnet werden. Wer für die Entscheidung im Fall Warburg verantwortlich sei, müsse mit Konsequenzen rechnen.
Scholz habe sich dreimal mit dem Bankier getroffen, sich dreimal erläutern lassen, warum die Warburg-Bank die Steuern nicht zurückzahlen wolle; Scholz habe einen Brief angenommen und angeregt, einen Brief an den Finanzsenator zu schicken, sagte die Grüne Lisa Paus: „Mir ist völlig schleierhaft wie jemand, der Cum-Ex wirklich für eine Schweinerei hält, so etwas machen kann.“ Ihr falle es schwer zu glauben, dass es keine politische Einflussnahme gab.
Update vom 9. September, 14.00 Uhr: Die Regierungsbefragung im Bundestag neigt sich dem Ende entgegen. Olaf Scholz hat in betont sachlichem Tonfall alle Nachfragen der Opposition zur Cum-Ex-Affäre in Hamburg beantwortet - ohne allerdings weitere Auskünfte in der Sache zu geben. Es sei normal, sich nicht alle Treffen seiner Amtszeit als Bürgermeister zu erinnern, sagte Scholz unter anderem. Zudem verwies er auf die Unabhängigkeit der Finanzbehörden. Eine Einflussnahme habe es nicht gegeben. Impliziert war damit: Auch im Falle der Warburg-Bank nicht.
Ohne brisante eigene Äußerungen ist der Vizekanzler so durch die Befragung gekommen. Haften bleiben allerdings auch die Inhalte der Redebeiträge der Opposition: Im Raum stehen nun weiterhin unter anderem die Fragen, warum Hamburg als einziges Bundesland auf die Rückzahlung von Cum-Ex-Steuerforderungen verzichtete - und ob es einen Zusammenhang mit Parteispenden an die SPD gibt, von denen unter anderem die FDP im Plenum sprach.
Bereits vor der Befragung hatte Scholz im Finanzausschuss ein weiteres Treffen mit dem Warburg-Banker Olearius eingeräumt (siehe Update von 13.16 Uhr).
Update vom 9. September, 13.48: Auch der FDP-Politiker Christian Dürr nimmt den Finanzminister weiter in die Mangel. „Diese Erinnerungslücken sind für einen Kanzlerkandidaten bemerkenswert“, rügt er mit Blick auf die Einlassungen Scholz' zu den Olearius-Treffen. Er fordert Aufklärung, warum ein SPD-Bundestagskandidat, der die Treffen vermittelt habe, 2017 umfangreiche Parteispenden von der Warburg-Bank erhalten habe. Scholz verweist auf die Regularien der Hamburger SPD: Als damaliger Träger eines Regierungsamtes dürfe er in dieser Frage gar keine Kenntnisse haben.
Update vom 9. November, 13.34 Uhr: Auch die Grüne-Finanzpolitikerin Lisa Paus will Scholz im Plenum in die Enge treiben. „Es hat keine politische Einflussnahme auf die Entscheidung des Finanzamtes Hamburg gegeben“, erwidert dieser. Das sei „alles, was man dazu sagen kann". Unternehmer zu treffen und sich ihre Anliegen anzuhören, gehöre zum politischen Geschäft, sagt Scholz mit Blick auf das nun eingeräumte weitere Treffen mit Olearius (siehe Update von 13.16 Uhr). Er habe als Bürgermeister tausende Gespräche geführt - es sei normal, dass man sich nicht an alle erinnern könne.
Damit sind alle drei Hauptkritiker Scholz' aus der Opposition zu Wort gekommen. Der Vizekanzler hat die Vorwürfe weitgehend an sich abperlen lassen.
Update vom 9. November, 13.30 Uhr: Den Faden greift nun auch der Linke-Politiker Fabio de Masi auf. Er will wissen, wie es sein könne, dass sich eine Finanzbeamtin in Cum-Ex-Fragen den Weisungen der Politik widersetzt - und ob die Hamburger SPD nicht Parteispenden der Warburg-Bank zurückzahlen solle.
Die Entscheidung der Hamburger SPD wolle er nicht beeinflussen, sagt Scholz, er lebe nun in Potsdam. Er sei zudem dafür, dass die Finanzbehörden ihre Entscheidungen in eigener Verantwortung treffen.
Update vom 9. September, 13.26 Uhr: FDP-Finanzexperte Florian Toncar attackiert in seiner Frage nun offen Scholz: Er will wissen, wie der Finanzminister Kleinverdienern erklären wolle, dass im Cum-Ex-Skandal 47 Millionen Euro von der Warburg-Bank nicht zurückgefordert wurden.
Scholz weicht der Frage zunächst aus. Auf Nachfrage betont der Finanzminister, die Steuerbehörden in Hamburg entschieden wie überall im Bundesgebiet eigenverantwortlich. Eine Intervention aus der Politik habe es "nicht gegeben".
Update vom 9. September, 13.16 Uhr: Im Bundestag beginnt nun die Befragung von Finanzminister Olaf Scholz. In seinem Eingangsstatement nimmt der SPD-Politiker bislang allerdings keinen Bezug auf die Vorwürfe gegen seine Person im Zuge des Cum-Ex-Skandals - er spricht zunächst über die Vorfälle am Reichstag und das Konjunkturpaket der Bundesregierung in der Coronakrise.
Scholz (SPD) hat zuvor allerdings zweites Treffen mit dem Warburg-Bank-Mitinhaber Christian Olearius im Jahr 2016 bestätigt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sagte er im Finanzausschuss des Bundestags, er habe allerdings keine konkrete Erinnerung an das Gespräch und ihm offenkundig geringe Bedeutung beigemessen. Der Termin sei lediglich anhand von Kalenderaufzeichnungen rekonstruiert worden. Bislang war nur ein Treffen von Olearius mit Scholz bekannt. Scholz war zu der Zeit Hamburger Bürgermeister.
Update vom 9. September, 10.30 Uhr: Um 13.00 Uhr ist es soweit: Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wird den Bundestagsabgeordneten Rede und Antwort stehen - im großen Parlamentsplenum. Anschließend gibt es eine nicht-öffentliche Anhörung im Finanzausschuss.
Unter anderem die Linke wirft Scholz vor, den Bundestag belogen zu haben - es geht um den Cum-Ex-Skandal und millionenschwere Steuerforderungen an die Warburg-Bank, die die Hamburger Finanzbehöden nicht einforderten. In einer vorangegangenen Befragung im Finanzausschuss habe Scholz erklärt, es gebe zu seinen Treffen mit Bankier Christian Olearius nichts zu berichten, was nicht schon in der Presse stand, erklärte Fraktions-Finanzexperte Fabio de Masi am Mittwoch in einem Tweet. „Das ist eine Antwort und war unwahr“, betonte er.
Klar scheint zumindest, dass Scholz im März bei einer Befragung nicht auf die Frage eingegangen war, ob es weitere Gespräche mit Olearius gegeben hatte - so zitiert das Portal t-online.de aus einem Protokoll der Sitzung. Das Umfeld des Finanzministers ziehe sich nun darauf zurück, dass Fragen zunächst gesammelt und dann gebündelt beantwortet seien. Dabei habe Scholz wohl die entsprechende Frage vergessen.
„Scholz muss auch erklären, ob Finanzbeamte in Hamburg sich wirklich auf eigene Faust zwei Anordnungen des Bundesfinanzministeriums widersetzten, die Millionenforderung gegen Warburg zu sichern“, sagte de Masi der Webseite. „Die Sache stinkt", sagte er.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, warf dagegen den Fraktionen vor, Wahlkampf zu betreiben. „Sie versuchen, die Person des Bundesfinanzministers, der bisher erfolgreich die Auswirkungen der Krise auf das Gesundheitswesen und die Arbeitsplätze in Deutschland meistert, zu diskreditieren und wollen so den Kanzlerkandidaten der SPD beschädigen. Das wird nicht gelingen“, sagte Schneider t-online.
Update vom 8. September, 15.10 Uhr: Olaf Scholz selbst hat Vorwürfe, er habe den Bundestag belogen, am Montag zurückgewiesen - doch die Opposition lässt vor der Befragung des Finanzministers am Mittwoch nicht locker. „Wenn man sich die unfassbaren Vorgänge in der Finanzindustrie anschaut, dann kann man zu Herrn Scholz nur sagen, er muss diese Woche einiges erklären“, erklärte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter am Dienstag im Bundestag.
Scholz müsse sich auch fragen lassen, „ob es nicht reine Heuchelei ist zu sagen, er will völlige Transparenz“, wenn er gegenüber dem Finanzausschuss des Bundestags die Unwahrheit über Treffen mit dem Chef der Warburg Bank im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften gesagte habe, betonte Hofreiter. In einer Demokratie brauche es das Vertrauen, dass mit wirtschaftlich Mächtigen genau so umgegangen werde wie mit jedem Steuerzahler.
Update vom 7. September, 21.10 Uhr: In weniger als zwei Tagen muss Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) im Finanzausschuss Rede und Antwort stehen - die Opposition wirft ihm vor, an selber Stelle bislang brisante Treffen mit dem Bankier Christian Olearius verschwiegen zu haben. Im Hintergrund steht wohl der böse Verdacht, Scholz habe als Regierender Bürgermeister Hamburgs womöglich die Warburg-Bank vor Steuerrückforderungen im Cum-Ex-Skandal geschützt.
Scholz scheinen die Vorwürfe bislang aber nicht anzufechten. Er erklärte am Montag der Nachrichtenagentur Reuters, er habe bislang alle Fragen zum Fall beantwortet - „das wird auch weiter so sein“, betonte er. Er sei für „volle Transparenz“. Zugleich stellte der designierte SPD-Kanzlerkandidat klar, es habe keinerlei Beeinflussung von der Politik auf Entscheidungen von Finanzämtern gegeben. Er sei immer scharf gegen Cum-Ex-Betrug vorgegangen. Bekannt ist mittlerweile auch, dass Scholz am Mittwoch für rund eine Stunde im Ausschuss Rede und Antwort stehen will.
Allerdings gibt es offenbar auch in der Bevölkerung - und unter SPD-Anhängern - die Erwartung, dass Scholz nun für mehr Transparenz als bislang sorgen sollte. In einer Civey-Umfrage im Auftrag von Spiegel Online erklärten 82,5 Prozent der Befragten, Scholz solle „ausführlicher Auskunft geben, als er dies bisher getan hat". Unter SPD-Sympathisanten waren immerhin mehr als 60 Prozent der Umfrageteilnehmer dieser Auffassung.
Der Linke-Finanzexperte Fabio de Masi will unterdessen Scholz am Mittwoch auch von einer anderen Seite angreifen: Laut einer von seiner Partei eingeholten Sachverständigen-Stellungnahme sei Cum-Ex in Deutschland weiterhin möglich, twitterte er am Montagabend. Impliziert ist damit wohl auch: Allzu umfassend ist die seit mittlerweile drei Jahren von Scholz mitverantwortete Bundesregierung nach de Masis Ansicht nicht gegen die Steuerpraxis vorgegangen.
Erstmeldung vom 5. September: Berlin - Olaf Scholz soll die SPD* erfolgreich in den Bundestags-Wahlkampf 2021 führen. So lautet zumindest der Plan der Parteispitze. Doch dem in der Corona-Krise gut benoteten Vizekanzler, der die deutsche Wirtschaft fast über den Berg sieht, könnte jetzt ein Problem aus seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister um die Ohren fliegen. Das heikle Stichwort: Cum-Ex.
Rund um den Steuerskandal und die Hamburger Warburg-Bank gibt es neue Vorwürfe. Nun will der Bundestags-Finanzausschuss Scholz vorladen - schon am kommenden Mittwoch. „Wir haben dringenden Gesprächsbedarf“, sagte die Vorsitzende des Ausschusses, Katja Hessel (FDP), der Wirtschaftswoche.
Ebenfalls für den Mittwoch beantragte die Linke-Fraktion zudem eine Aktuelle Stunde im Bundestag zum Thema Cum-Ex bei der Warburg-Bank und der „Rolle der Politik“. „Olaf Scholz hat im Bundestag die Unwahrheit gesagt“, erklärte der finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Fabio De Masi, am Freitag in Berlin. Seine Grüne*-Amtskollegin Lisa Paus erklärte in einem Tweet, Scholz habe „den Bundestag belogen".
Anlass sind die jüngsten Berichte, wonach Scholz intensivere Kontakte zu der Bank gepflegt haben soll als bislang angegeben. Die Süddeutsche Zeitung, die Zeit und der NDR hatten am Donnerstag berichtet, Scholz habe sich in seiner Zeit als Erster Bürgermeister in Hamburg öfter als bislang in Befragungen eingeräumt mit dem Miteigentümer der Privatbank, Christian Olearius, getroffen. Das gehe aus Tagebüchern des Bankiers hervor.
Demnach gab es 2016 und 2017 zwischen Scholz und Olearius drei Treffen und ein Telefonat. Bislang war nur ein Treffen von Olearius mit Scholz aus dem Jahr 2017 bekannt. Drei Tage nach dem Telefonat soll der Bankier laut den Berichten von der Hamburger Finanzverwaltung den Hinweis erhalten habe, dass diese einen Betrag von 47 Millionen Euro doch nicht zurückfordern würde. Scholz soll die Treffen mit Olearius nicht erwähnt haben, auch nicht, als der Vorgang im März und im Juli Thema im Bundestags-Finanzausschuss war.
Gegen die Warburg Bank und Olearius liefen zu der Zeit Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung. Der Bank drohte eine hohe Steuernachzahlung wegen ihrer Verwicklung in sogenannte Cum-Ex-Geschäfte.
Ein Sprecher des Finanzministeriums verwies am Freitag darauf, dass Scholz - der sich zuletzt über gute Umfragewerte freuen konnte - sich zweimal ausführlich im Finanzausschuss dazu geäußert habe, dass er mit Vertretern von Banken, auch der Warburg-Bank gesprochen habe.
Die Opposition pocht dennoch auf weitere Aufklärung: Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Paus, forderte, Scholz müsse „die Karten jetzt endlich auf den Tisch“ legen. „Wir verlangen, dass Scholz nächste Woche zum dritten Mal in den Finanzausschuss kommt und diesmal endlich die komplette Wahrheit sagt.“
„Olaf Scholz hat dem Finanzausschuss des Bundestages die beiden Treffen mit Olearius 2016 auf ausdrückliche Frage hin zweimal
verschwiegen“, sagte auch der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar, der dpa. „Er hat sich in zwei Befragungen maximal zugeknöpft präsentiert und viele Fragen nur minimalistisch oder mit Allgemeinplätzen beantwortet. Eine deutlich stärkere persönliche Rolle von Scholz im Steuerfall Warburg als bisher bekannt wäre eine sehr plausible Erklärung für dieses Verhalten.“
Linke*-Finanzexperte Fabio de Masi deutete auf Twitter an, die Möglichkeit der Opposition nachzufragen sei bisher bewusst gering gehalten worden. Nun wolle er im Verbund mit Paus und Toncar den Finanzminister nicht mehr auskommen lassen: „Es ist erbärmlich und wir werden dies als Opposition geeint und unbeschadet unserer politischen Unterschiede nicht durchgehen lassen!“, betonte er. Linke, FDP und Grüne machen derzeit auch in einer anderen Frage gemeinsame Sache.
Als Cum-Ex-Geschäft wird das Verschieben von Aktien rund um einen Dividenden-Stichtag herum bezeichnet, um sich so eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach vom Fiskus erstatten zu lassen. Dadurch sind der öffentlichen Hand in der Vergangenheit Steuergelder in Milliardenhöhe entgangen. Die Bundesregierung schob der Praxis 2012 einen Riegel vor. Einige der Fälle von damals werden derzeit von Gerichten aufgearbeitet.
Im deutschlandweit ersten Strafprozess zu Cum-Ex-Geschäften hatte das Landgericht Bonn im März Bewährungsstrafen gegen zwei Angeklagte verhängt und war zu dem Schluss gekommen, dass die umstrittene Praxis als strafbar zu werten sei. Damit wurde dies erstmals gerichtlich festgestellt. (dpa/AFP/fn) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.
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