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Panne und Frust bei Jamaika-Verhandlungen - linker Grünen-Flügel enttäuscht

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Fremdeln offenbar weiter miteinander: Die Grünen Anton Hofreiter (li.), Cem Özdemir (2.v.r.), Katrin Göring-Eckardt und FDP-Chef Christian Lindner
Fremdeln offenbar weiter miteinander: Die Grünen Anton Hofreiter (li.), Cem Özdemir (2.v.r.), Katrin Göring-Eckardt und FDP-Chef Christian Lindner © AFP

Die Jamaika-Sondierungen schleppen sich weiter voran. Dabei ist es allerdings offenbar zu einer Panne gekommen. Und der linke Flügel der Grünen sieht eine Pleite heraufdämmern.

Berlin/Stuttgart - Recht still war es am Samstag um die Jamaika-Gespräche. Erst am Sonntag wollten die Parteichefs wieder zu einem Spitzentreffen „im kleinen Kreis“ zusammenkommen. Derweil gehörte die Bühne den Grünen. Denn in der Partei gärt es ebenso wie in der CSU: Partei-Linke sehen ihre Delegation auf eine Art Debakel zusteuern - während Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann schon über Ministerposten nachdenkt.

So sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin am Samstag bei einer Landesdelegiertenkonferenz seiner Partei in Hameln, bisher gebe es als Resultat der Gespräche nur Dissens-Listen. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Stimmen der Grünen wieder zur Kanzlerin gewählt werde wolle, müsse sie sich bewegen. „Komm mal rüber“, rief er der CDU-Vorsitzenden zu.

„Für die Grünen steht es 0:10“

„Diese Woche war für uns ernüchternd“, sagte der Ex-Umweltminister dem Tagesspiegel. „Wenn heute Grünen-Parteitag wäre, müsste ich sagen: Von unserem Zehn-Punkte-Programm ist noch kein einziger Punkt umgesetzt. Für die Grünen steht es 0:10.“ Bei einigen Themenfeldern habe es sogar Rückschritte gegeben. Trittin machte deutlich, dass die Grünen kein Regierungsbündnis eingehen würden, dessen Grundlagen nicht stimmten. „Ich glaube, wir Grünen müssen am wenigsten Angst vor Neuwahlen haben. CSU und CDU brauchen diese Koalition viel mehr als wir.“

Angesäuert äußerte sich auch Anton Hofreiter. „Statt der Woche der Wahrheit war das leider eine Woche der Enttäuschung“, sagte er dem

Spiegel

. Seine Partei habe Zugeständnisse gemacht, betonte er. „Am Ende der Woche stelle ich fest: Von den anderen kam fast nichts – und das wenige, das kam, wurde später wieder einkassiert“.

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung widersprach die Grünen-Chefin Peter der Einschätzung des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, dass die Gespräche nun auf die Zielgrade gingen. „Die Zielgerade sehe ich noch nicht, der Weg ist noch weit, die Liste der Dissenspunkte lang.“

Verhandlungs-Protokoll angeblich verschollen - neue Gespräche nötig

Auch eine mutmaßliche Panne wurde publik. So will der Spiegel erfahren haben, dass Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt am Montag in den schwierigen Gesprächen ein wichtiges Verhandlungs-Protokoll verfasste - als sich FDP-Spitzenmann Lindner nach dem Dokument erkundigte, sei es aufgrund eines Computer-Fehlers nicht mehr auffindbar gewesen.

Dem Bericht zufolge fertigte Göring-Eckardts Kollege Cem Özdemir aus seinen Notizen eine neue Version an - die beiden Verhandlungspartner auf Skepsis stieß. Man habe stundenlang erneut verhandeln müssen, ehe es wieder Konsens über das Papier gab, heißt es in dem Bericht. Vor allem Lindner sei erzürnt gewesen.

Lindner setzt weiter auf das Thema Migration

Die FDP trat auch öffentlich dem Eindruck entgegen, nur die Grünen machten in den Sondierungsgesprächen Kompromissangebote und die anderen Parteien reagierten darauf nicht. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Marco Buschmann, sprach in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von einer „klassischen Wahrnehmungsverzerrung“: „Jeder sieht nur, was er selbst für die Verhandlungen tut. Aber auch wir haben schon einiges abgeräumt (...) Die Grünen können beruhigt sein: Es tun auch andere etwas.“

FDP-Chef Christian Lindner sagte dem Spiegel, ginge es nach den Bürgern, würde die „Ordnung bei der Einwanderung“ ganz oben auf der Prioritätenliste der Sondierer stehen.

Für die Themenbereiche Arbeit, Soziales, Gesundheit und Pflege haben die Jamaika-Unterhändler einem Medienbericht zufolge bereits eine grundsätzliche Einigung erzielt. „Uns eint der Wille, dass jemand, der länger gearbeitet hat, im Alter mehr haben soll als die Grundsicherung“, zitierte die Rheinische Post aus einem ihr vorliegenden Papier. Wie genau das Rentenmodell aussehen soll, ist demnach noch offen. Eine Entscheidung soll bis Ende 2018 fallen.

Diese Ministerien wollen die Grünen haben

Die Grünen wollen unterdessen in einer Jamaika-Koalition womöglich Anspruch auf die Ministerien für Energie, Landwirtschaft und Verkehr erheben. "Das sind schon die Ressorts, die wir da auch im Auge haben", sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Freitagabend der Bild. Er fügte aber hinzu, dass über die Ministerien stets ganz am Schluss gesprochen werde - und dies sei erfahrungsgemäß "eine der härtesten Verhandlungen".

Bei den Grünen stehe eine Energiewende, eine Verkehrswende und eine Agrarwende "ganz oben an". Das gelte insbesondere für den Klimaschutz. "Nicht, weil das unser Steckenpferd ist, sondern weil es eine Menschheitsfrage ist", sagte Kretschmann. Für die Grünen sei es daher wichtig, bei ihrem "Kernthema" nachher auch zu bestimmen, "was da geht". Das würde den Verzicht auf das Außenamt bedeuten; Parteichef Cem Özdemir galt bislang als ein möglicher Außenminister in einem Jamaika-Bündnis.

Die Jamaika-Parteien wollen bis kommenden Donnerstag ihre laufenden Sondierungen abschließen und mögliche Koalitionsverhandlungen prüfen.

Lesen Sie auch: Jamaika-Parteien machen sich locker für die „Woche der Wahrheit“

AFP

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