Stützen könnte diese These auch der generell große Anteil der „Sonstigen“ in den Wahlumfragen: „Die zwölf Prozent, die dort aktuell gemessen werden sind schon recht viel“, erklärt der Politikwissenschaftler.
Stellt sich eine weitere Frage: Kann eine deutsche Kleinpartei im Europaparlament überhaupt etwas ausrichten, wenn sie nur mit ein bis zwei Abgeordneten in der großen Volksvertretung mitmischen kann? Oder wird eine Stimme für die „Kleinen“ spätestens im Parlamentsalltag wertlos?
In dieser Hinsicht beruhigt Goetz die Sympathisanten der meisten kleinen Parteien. Entscheidend sei nicht die Gesamtzahl ihrer Sitze - sondern die Frage, ob die Abgeordneten der jeweiligen Parteien „in der Lage sind, sich einer der großen Fraktionen anzuschließen“. Denn diese seien der Hebel zur Mitwirkung an der Gesetzgebung. Dasselbe gelte etwa auch für Abgeordnete aus kleineren EU-Ländern, die ohnehin häufig nur wenige Abgeordnete je Partei ins Parlament entsenden.
Über die Fraktionen könnten auch Einzelkämpfer an einflussreiche Positionen geraten, sagt Goetz. Als positives Beispiel in diesem Sinne nennt er die Ex-Piratin Reda, die als einzige deutsche Abgeordnete ihrer Partei nicht nur stellvertretende Chefin der europäischen Grünen-Fraktion, sondern auch Berichterstatterin des Parlaments in Sachen der umstrittene Urheberrechtsreform wurde - und der so eine „große Mobilisierung“ bei dem Thema gelungen sei. Wenn auch letztlich weitgehend erfolglos.
In ähnlicher Weise haben sich nach der Europawahl 2014 auch die Vertreter von ÖDP (bei den Grünen), Freie Wähler (bei den Liberalen), Tierschutzpartei (bei den Linken) und Familienpartei (bei der nationalkonservativen EKR) im Europaparlament eingeordnet. Da es im EU-Parlament keine strikte Unterscheidung zwischen Opposition und Regierung gebe und die Konsensfindung hohen Wert habe, gebe es realistische Einflussmöglichkeiten nahezu für jede Fraktion, sagt Goetz.
Anders hielten es zuletzt nur die Vertreter von PARTEI und die NPD, Martin Sonneborn und Udo Voigt - sie saßen als fraktionslose Abgeordnete in Brüssel und Straßburg. Ihr Vorgehen sieht Goetz kritisch. „Ohne Zugehörigkeit zu einer Fraktion ist die Möglichkeit, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen, gering“, sagt er. „In diesen Fällen geht es eher darum, eine Bühne für das eigene Anliegen zu finden.“ Zumindest dem PARTEI-Abgeordneten Martin Sonneborn war in der vergangenen Legislatur-Periode ein paar Mal der Sprung in die Schlagzeilen gelungen - zuletzt mit einem Wahlwerbespot.
Goetz‘ Tipp für die Wahl: „Man sollte sich schlau machen, ob und welcher Fraktion sich die Kandidaten bei einem Einzug ins Europaparlament anschließen wollen.“
Dass die Kleinparteien auch 2019 noch einmal die reelle Chance auf einen Einzug ins Europaparlament haben, ist übrigens dem Bundesverfassungsgericht zu verdanken. 2014 kippten die Karlsruher Richter eine Drei-Prozent-Klausel. 2018 einigten sich die EU-Staaten auf eine verpflichtende Hürde bei der Europawahl für all jene Länder, die mehr als 35 Abgeordnete stellen - allerdings wurde eine entsprechende Regelung in Deutschland nicht mehr umgesetzt. Die Grünen lehnten eine Änderung mit Blick auf eine europäische Konvention, ein Jahr vor einem Urnengang auf Änderungen am Wahlrecht zu verzichten, ab. Somit kam nicht die nötige Zweidrittel-Mehrheit in Bundesrat und Bundestag zusammen.
Trotz der EU-Entscheidung ist für Goetz noch nicht ausgemacht, ob 2024 wirklich das Licht für die deutschen Kleinparteien im EU-Parlament ausgehen wird. „Ich denke, eine Neuregelung wird unweigerlich wieder ein Fall für das Bundesverfassungsgericht“, sagt er - es sei stark davon auszugehen, dass eine der betroffenen Parteien Klage einreichen werde. Wie das Verfahren dann ausgehe? Da wagt Goetz keine Prognose.
„Mietpreise an die Maßpreise koppeln“ - Merkur.de* erläutert, womit „Die Partei“ bei der Kommunalwahl in München 2020 auf Stimmenfang geht.
fn
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